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7. Europäisches Kolleg auf Mallorca

Technologien für die elektronische Baugruppe im Mittelpunkt
7. Europäisches Kolleg auf Mallorca

Die moderne Informationsgesellschaft stützt sich auf innovative Kommunikations- und Elektroniktechnologien, deren Rahmen zunehmend auch von Nachhaltigkeit geprägt wird. Nach wie vor ist die Telekommunikation, wo mehr als 65% aller hergestellten HDI-Leiterplatten umgesetzt werden, die Triebkraft wesentlicher Neuentwicklungen in der Elektronik. Die schnelle Entwicklung macht es den Herstellern von elektronischen Baugruppen immer schwerer, alle Neuheiten und Trends zu kennen. Aus diesem Grund hat sich das Europäische Elektroniktechnologie-Kolleg in Colonia de Sant Jordi, Spanien, als ausgezeichnete Gelegenheit zur Weiterbildung und zum Austausch von Wissen untereinander erwiesen, welches in diesem Jahr zum siebten Mal stattfand.

In der von den Firmen Cobar, Ekra, Inertec, Koenen, Kolb, Mimot und Rehm initierten und durch TBB ausgerichteten Veranstaltung, machten ausgewählte Fachvorträge mit verschiedenen Aspekten zu neuen Werkstoffen, neuen Bauelementen und Leiterplatten, innovativen und umweltgerechten Fertigungstechnologien sowie zu Fragen der Zuverlässigkeit von Elektronikprodukten vertraut. In den Workshops und dem Forum hatten die Teilnehmer Gelegenheit, ihre eigenen Problemstellungen intensiv zu diskutieren.

Durch das Programm moderierte Dr. Hans Bell von Rehm Anlagenbau, der durch eine Einführung das Technologie-Kolleg eröffnete. Ihm folgte Dr. Jutta Müller vom Fraunhofer IZM mit ihrem Vortrag über umweltgerechte elektronische Baugruppen. Sie forderte, dass die Bemühungen um EcoDesign, also dem umweltgerechten Design, von einzelnen elektronischen Produkten verstärkt werden müssen, um die zunehmenden Umweltbelastungen durch steigende Produktzahlen zu kompensieren. Darüber hinaus können innovative, umweltfreundliche Produkte, die zunehmend auch von den Anwendern gewünscht werden, helfen, die Stellung im internationalen Wettbewerb zu verbessern, und zu einem guten Image in der Öffentlichkeit beizutragen. Als Ziele für die nahe Zukunft sollten die Reduktion oder Vermeidung von umweltrelevanten Substanzen wie Blei , Chrom (siehe WEEE) und von Materialien mit einem großen „ökologischen Rucksack“ wie Au oder hoch reines Si, sowie weltweite Aktivitäten für Recycling, angestrebt werden. Als visionäre Trends gab Frau Dr. Müller die Entwicklung von Produkten ohne umweltrelevante Materialien und mit geringem Energieverbrauch, geschlossene Stoffkreisläufe, Polytronic Produkte sowie die zunehmende Anwendung erneuerbarer und/oder bioabbaubarer Materialien den Zuhörern zum Überdenken mit. Es muss ein ganzheitliches „grünes“ Denken stattfinden.
Dr. Friedrich-Wilhelm Wulfert von Motorola referierte über die Vermeidung von Popcorning, Warpage und Whiskerwachstum. Er vermittelte, dass die Umstellung auf Pb- und halogenfreie Materialien eine Herausforderung für Hersteller wie auch Anwender von Halbleiterbauelementen sein wird. Bauteileseits werden sich neben bereits eingeführten NiPd(Au)-Oberflächen nun reine Sn-Oberflächen als Lotoberflächen bedrahteter Komponenten und SnAgCu-Lotkugeln für Ball Grid Arrays behaupten. Die Einführung neuer Vergussmassen ist vielfach unumgänglich, um die zuverlässige Verarbeitbarkeit von Plastikbauteilen zu gewährleisten. Board-Level-Zuverlässigkeitstests mit Pb-freien Lotanschlüssen werden grundsätzlich bestanden. Abschließend bemerkte er noch, dass neben all den vorauseilenden und technisch geprägten Aktivitäten jedoch noch ein Zögern besteht, bleifreie RoHS-konforme Bauelemente einzusetzen. Der Anwender muss sagen, was er wann und in welchen Stückzahlen will, da bei dem immensen Aufwand zur Umstellung kaum auf gut Glück mit weiteren Vorbereitungen vorangeprescht werden kann. Beide Seiten entlang der gesamten Wertschöpfungskette müssen sich gegenseitig über ihre Pb-frei Pläne frühzeitig und durchgängig auf dem Laufenden halten, damit die involvierten Parteien entsprechend erfolgreich demnächst mit ihren Produkten auf den Märkten zum Zuge kommen. Beim nachfolgenden Vortrag von Dr. Manfred Suppa der Lackwerke Peters über die Trends bei Lötstoppmasken, Schutzlacken und Vergussmassen war zu erfahren, dass bei der Betrachtung von Beschichtungsprozessen und ihrer Weiterentwicklung in der Beschichtungstechnik die Umweltfreundlichkeit bzw. –verträglichkeit immer mehr im Vordergrund steht. Bei den Beschichtungsprozessen ist als Alternative zum Siebdruck bei den klassischen Signierlacken und Lötstopplacken das Ink-Jet-Verfahren zu betrachten. Neben den wasserverdünnbaren Produkten sind insbesondere die neuen Dickschichtlacke, die auch den gestiegenen Schutzanforderungen Rechnung tragen, eine Alternative . Bei den Dickschichtlacken zeichnen sich umweltfreundliche Beschichtungsmöglichkeiten ab, und es wurde aufgezeigt, wie sich Umweltforderungen und Qualitätsanforderungen in idealer Weise ergänzen. Nach der Mittagspause folgte dann der Vortrag „Die umweltgerechte Leiterplatte – Basismaterialien und funktionelle Oberflächen“ von Dr. Franz Bötzl/Ruwel. Auch hier standen die Gesichtspunkte bezüglich der Umwelt und Gesundheit im Vordergrund: Besonders eine innovative Technik wie die Elektronik muss an vorderster Front kämpfen, um erwiesenermaßen gesundheitsbelastende oder –gefährdende Stoffe und Techniken sofort zu eliminieren. Das visionäre Ziel ist, möglichst viele Werkstoffe im Kreislauf zu führen, und so schonend wie irgend möglich mit unseren natürlichen Ressourcen umzugehen. Ein Teil, wie die Leiterplatte, das ja in fast jedem elektronischen Gerät enthalten ist, bietet einen idealen Ansatzpunkt, um diesem hoch gesteckten Ziel etwas näher zu kommen.
Im letzten Vortrag des ersten Tages berichtete Dipl.-Ing. Michael Jeremias von EADS über Erfahrungen beim Assembly von HDI Baugruppen. Der Nachmittag wurde für die Teamarbeit genutzt. Die Teilnehmer des Kollegs bildeten 7 Teams, in denen praxisbezogene Probleme diskutiert wurden. Die Ergebnisse der Diskussionen sollten am nächsten Tag dem gesamten Auditorium vorgestellt werden. Der zweite Tag wurde durch Professor Heinz Kück vom Hahn-Schickard-Institut für Mikroaufbautechnik, mit seinem Vortrag über die Potenziale von selektiv beschichteten Baugruppen für Mikrosysteme eingeleitet. Er kam zu dem Schluss, dass MIDs hervorragend für den Aufbau von multifunktionalen Packages für miniaturisierte Systeme und Mikrosysteme geeignet sind, und dass die MID-Technik ein großes Potenzial für die wirtschaftliche Herstellung von High-Performance-Systemen durch hohen Integrationsgrad, kostengünstige Werkstoffe und Recyclefähigkeit bietet. Er stellte einige Beispiele, wie elektromechanische Wandler, die in MID-Technik ausgeführt waren, vor.
Wertvolle Tipps zur Einführung einer bleifreien Produktion waren von Ulrich Niklas/Zollner zu erfahren. Dipl.-Ing. Detlev Luck/Siemens sprach über den AOI-Einsatz in der Baugruppenfertigung. Sein Fazit: Die zunehmende Komplexität der Baugruppen erfordert den Einsatz von AOI-Systemen. Neue Teststrategien haben eine positive Rückwirkung auf den Produktionsprozess und die Erhöhung des First Pass Yield . Über die Ablösung des Wellenlötens durch Backside Reflow referierte Karl-Peter Hauptvogel von Endress + Hauser. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Qualität der geschaffenen Backside Reflow-Lötverbindungen vergleichbar mit der Qualität herkömmlicher Lötstellen ist. Die Soft-Lock-Technik unterstützt das „kopfüber“ Reflowlöten der Bauelemente durch eine spezielle Bohrlochgestaltung in der Leiterplatte . Wellenlötanlagen können ausgemustert werden, wodurch erhebliche Einsparungen durch die Reduzierung der Prozessschritte und die Erhöhung des FPY möglich werden. Kostengünstige THT-Bauteile können im Reflowprozess verarbeitet werden, und nicht jedes Bauelement muss um jeden Preis auf SMD umgestellt werden. Mit dem Vortrag über Traceability für Bauteile, Leiterplatten und Prozesse, Manufacturing Process Management (MPM) in der Praxis, läutete Christian Roth von Rafi den Nachmittag ein, gefolgt von Dr. Thomas Ahrens vom Fraunhofer ISIT, der über die Betriebszuverlässigkeit elektronischer Baugruppen berichtete. Sein Resümee: Design for Reliability ist das ultimative Ziel, wobei die Zuverlässigkeitsforderungen bekannt sein müssen! Am Ende des Kollegs stellten die Teams die am Vortag erarbeiteten Ergebnisse ihrer Diskussionsrunden vor.
Das erste Team, betreut von Cobar-Mitarbeitern, diskutierte die Vor- und Nachteile des Lötens unter Stickstoff, mit dem Ergebnis, dass der Einsatz von Stickstoff in der bleifreien Wellenlöttechnologie sowie im bleifreien Reflowprozess grundsätzlich zu befürworten ist. Die zweite Gruppe, unterstützt von Inertec-Mitarbeitern, hatte die Frage zu klären, welche qualitätsbeeinflussenden Parameter und Probleme für bleifreie Wellenlöt- und Selektivlötprozesse sowie beim Reparatur bzw. Handlöten zu nennen sind.
Die von Koenen-Mitarbeitern betreute dritte Gruppe diskutierte die Vor- und Nachteile von Aperturverkleinerungen an Druckschablonen, sowie die Anforderungen an die Beschaffenheit der optimalen Schablone . Die von Kolb-Mitarbeitern unterstützte Gruppe vier widmete sich der Frage, welche Forderungen an die Leiterplattenindustrie bezüglich halogenfreier Leiterplatten für bleifreie Prozesse zu stellen sind. Gruppe fünf, betreut von Ekra-Mitarbeitern, erarbeitete die wesentlichen Punkte, die bei der Verarbeitung von kleinsten Bauformen wie 0201, zu beachten sind, während die sechste Gruppe, unter Mitarbeit von Mimot-Mitarbeitern die Anforderungen an die Hersteller von Bestückautomaten ausarbeitete. Die siebte Gruppe, unterstützt von Mitarbeitern der Firma Rehm, widmete sich den Vor- und Nachteilen der Pin-in-Paste-Technologie (THR – d.h. bedrahtete Bauteile reflowlöten). Sie ist zu dem Schluss gekommen, dass THR für jeden Einzelfall zu prüfen ist, und Möglichkeiten zur Kosteneinsparung bietet. Nachdem dann das Kolleg am dritten Tag durch einen Workshop beendet wurde, traten die Teilnehmer mit neuen Informationen und Eindrücken ihre Rückreise an.
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