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Automobilindustrie fordert mehr Flexibilität

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Automobilindustrie fordert mehr Flexibilität

Bisher stand die Automobilindustrie wie keine andere Branche für höchste Stückzahlen und damit für rationelle, aber auch starre Fertigungseinrichtungen. Mittlerweile beruht ein Gutteil des aktuellen Erfolges jedoch auf immer mehr Varianten und Individualisierungsmöglichkeiten. Damit sinkt die Losgröße kontinuierlich. Auch, weil permanent neue Entwicklungen auf den Markt drängen, die wie beim Hybrid- und Elektroantrieb zunächst nur kleine Stückzahlen erfordern. Vor diesem Hintergrund sind die Hersteller von Werkzeugmaschinen und Automatisierungstechnik gefordert, ihre Anlagen flexibler zu gestalten, ohne jedoch an Wirtschaftlichkeit einzubüßen. Wie sie das machen, zeigen sie auf der nächsten AMB, internationale Ausstellung für Metallbearbeitung, vom 16. bis 20. September 2014 in Stuttgart.

Die jüngsten Zahlen des VDA (Verband der Automobilindustrie) sind erfreulich: Weltweit erholen sich die meisten Märkte. Auch der westeuropäische Pkw-Markt scheint seine jahrelange Schwäche überwunden zu haben. Zum fünften Mal in Folge verbuchte er mit 897.100 verkauften Einheiten ein Plus von knapp fünf Prozent, wie der VDA in Frankfurt mitteilte. Anstiege registrierten auch China und Japan. Negativ entwickelte sich lediglich der Light-Vehicles-Markt in den USA und die Nachfrage nach Neuwagen in Russland und Indien sank ebenfalls. Insgesamt aber sind die Meldungen aus dem Automobilmarkt auch für den deutschen Werkzeugmaschinenbau erfreulich, denn über 40% (Stand 2012) ihrer Produkte gehen an die Automobilhersteller und ihre Zulieferer. Dennoch hat die Werkzeugbranche keinen Grund sich auszuruhen: Die Automobilindustrie befindet sich im Umbruch. Immer mehr Marken drängen auf den Weltmarkt, jede Nische wird gefüllt, neue Antriebskonzepte sorgen für Unsicherheit, wie das Automobil der Zukunft aussehen wird.
Den Spagat zwischen wirtschaftlicher Großserienfertigung und Nischenvielfalt bestätigt Prof. Dr.-Ing. Eberhard Abele, Leiter des Instituts für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) der Technischen Universität Darmstadt: „Leider ist es immer noch so, dass Flexibilität in der Regel mit Produktivitätsverlusten oder Mehrkosten einhergeht; insofern werden wir immer in der Praxis einen Kompromiss eingehen müssen.“ Als gangbaren Weg sehen Abele und seine PTW-Mitarbeiter, die auf der AMB wieder mit ihrer „PTW-Innovationstour“ die „Trends von morgen“ präsentieren werden, modulare Maschinenstrukturen, „insbesondere auch die aus Baukastensystemen aufgebauten Fertigungssysteme“. Sie böten eine viel größere Fertigungsflexibilität, als dies vor Jahren noch möglich war. Zudem können Neuentwicklungen in der Steuerungstechnik und der Industrie 4.0-Gedanke in den nächsten Jahren die Flexibilität nochmals erhöhen.
„Ausrüster sollten möglichst flexible Produktionseinrichtungen entwickeln, die sich am One-Piece-Fertigungsgedanken orientieren“, rät auch Markus Jurditsch, Geschäftsführer der SWJ Engineering GmbH in Griesheim. Das Ingenieur- und Consultingunternehmen unterstützt Firmen der Automobilbranche bis hin zum Bau kompletter Fabriken im In- und Ausland. Jurditsch registriert eine zunehmende Modularisierung und den Einsatz immer größerer und komplexerer Baugruppen. Das deckt sich mit den Wünschen der Fertigungspraktiker aus der Automobilindustrie. Sie möchten möglichst flexible und bauteilunabhängige Modulbaukästen von den Maschinenbauern, um Investitionen zeitlich besser dem Produktionsvolumen anzupassen und schnell auf Bedarfsschwankungen reagieren zu können. Außerdem sollten solche Module später leicht wiederverwendet werden können. „Aber bitte nicht zu kompliziert“, so eine weitere Forderung. Mit Blick auf eine mögliche hohe technische Verfügbarkeit wünschen sich die Anwender deshalb den Einbau bewährter Standardbauteile („Mainstream-Technik“) in Maschinen und Automation. Auch die Bedienbarkeit sollte möglichst einfach gehalten werden, um Inbetriebnahme-, Stillstands- und Qualifizierungszeiten zu reduzieren. In diesem Sinne soll weitgehend Standardsoftware zur Visualisierung und Schulung der Mitarbeiter eingesetzt werden. Dafür ist man aber auch – sicher mehr als früher – bereit, frühzeitig im Sinne eines Simultaneous Engineering mit dem Werkzeugmaschinenhersteller zusammen-zuarbeiten.
Flexibilität ist nicht nur in puncto Variantenvielfalt gefordert. Stichwort: Elektromobilität. Derzeit spiele das Thema in der Fertigung aufgrund der im Vergleich verschwindend kleinen Stückzahlen noch keine Rolle, wie Prof. Abele feststellt. Trotzdem haben sich die ersten Anbieter dazu Gedanken gemacht. So entwickelten die Grob-Werke GmbH & Co. KG, eine Fräs-/Dreh-Maschine, die sich besonders für die Bearbeitung von Bauteilen für Elektromotoren eignet“, wie German Wankmiller, Vorsitzender der Grob-Geschäftsleitung, erklärt. Zudem gehen die Mindelheimer Spezialisten für kundenspezifische Gesamtlösungen in der Großserienfertigung davon aus, „dass die Montagetechnik zukünftig stärker nachgefragt wird; wir haben uns entsprechend darauf eingestellt“.
„Antworten auf die steigenden Genauigkeits- und Qualitätsanforderungen sind die Technologieintegration, weniger Aufspannungen und eine durchgängige Prozesskette“, erklärt Martin Winterstein, Vice President Verkauf und Marketing der FFG Werke GmbH in Mosbach (vormals der Geschäftsbereich Industrial Equipment von MAG). Als Beispiel führt er die Integration des Anfasens und Entgratens in eine Modul-Wälzfräsmaschine in Verkettung mit einer Hessapp-Vertikal-Drehmaschine an. Den Weg der Hybridisierung geht auch die DMG-Mori-Tochter Sauer GmbH, Stipshausen und Pfronten, mit ihrer „Lasertec 65 Additive Manufacturing“. Sie paart das Laserauftragsschweißen mit Fräsoperationen in einer Maschine. Eine interessante Entwicklung beispielsweise für Werkzeugbauer, wie ein kürzlich abgeschlossenes Forschungsprojekt des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie (IPT) in Aachen im Rahmen der Innovationsallianz „Green Carbody Technologies“ (InnoCaT) zeigt. Dort konnte durch Legieren eines Zusatzstoffes in die Oberfläche mittels Laserstrahlen die Werkzeugstandzeit eines Umformwerkzeugs für die Automobilproduktion um 150% gesteigert werden.
Hybridisierung sieht auch Dr. Dominic Deutges, Professor für Fertigungstechnik an der Hochschule Niederrhein in Krefeld und Technologieberater der Mönchengladbacher A. Monforts Werkzeugmaschinen GmbH, als Weg zur Flexibilisierung: „Werkzeugmaschinen müssen heute immer flexibler werden, um möglichst viele Prozessschritte in einer Maschine abzubilden.“ Ein Ergebnis dieser Forderung sind Drehfräszentren, die es seit einigen Jahren gib. Der Trend gehe weiter zu hybriden Werkzeugmaschinen, um Prozesse auch über sehr unterschiedliche Fertigungsverfahren zu verknüpfen. „Wir betrachten hybride Fertigungssysteme als einen langfristigen Trend für Hochlohnstandorte. Knackpunkt ist aber stets die Praxistauglichkeit der Lösungen.“ Monforts gilt in der Branche als einer der Pioniere in diesem Markt, der in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT in Aachen eine Maschine zur Serienreife entwickelte, die die Zerspanung mit der thermischen Oberflächenbehandlung durch einen Laser zum Härten von Stählen und Zerspanen von keramischen Werkstoffen verknüpft.
Die aktuellen Entwicklungen zeigen die Grundrichtung, auf die sich Werkzeugmaschinenhersteller und Automatisierer im AMB-Jahr bei ihren Kunden aus der Automobilindustrie einstellen müssen: Flexibilität, Schnelligkeit und nicht zuletzt Effizienz. „Alle großen Automobilhersteller und auch deren Zulieferer haben inzwischen das Thema Energieeffizienz in die Pflichtenhefte für Maschinen und Anlagenbestellungen integriert“, erklärt Prof. Abele, an dessen Institut man sich seit Jahren mit Fragen der Effizienzbewertung von Werkzeugmaschinen beschäftigt. Die Vergleichbarkeit sei nach wie vor ein Problem, so Abele, „da in der Regel ja nicht Standardmaschinen eingekauft, sondern Fertigungssysteme mit sehr unterschiedlichem Aufbau alternativ angeboten werden“. Der Energieverbrauch könne deshalb nur gemeinsam mit allen anderen Faktoren wie der Fertigungshauptzeit, der Rüstzeit oder den Investitionskosten, beurteilt werden.
Prof. Abele macht auf ein weiteres Problem aufmerksam: „Die Zuständigkeit für die Investitionskosten und die Energiekosten sind in den Unternehmen oft getrennt.“ So wollten Einkaufsverantwortliche möglichst günstig einkaufen, der Betreiber sei jedoch vor allem an geringen Betriebskosten und damit Energiekosten interessiert. Genau auf diesen Aspekt hat man bei den Grob-Werken bereits reagiert, wie German Wankmiller erklärt: „Wir bieten drei Pakete unterschiedlicher Energieeffizienzmaßnahmen an, die sich in der Abstufung ihrer Einsparpotenziale unterscheiden, aber auch entsprechend mit höheren Investitionskosten verbunden sind.“ Der Einstieg erfolge meist über ein kostengünstiges Software-Paket.
Auch bei den FFG-Werken habe man auf verschärfte Effizienzanforderungen schon vor Jahren reagiert, wie Martin Winterstein betont: „Verbrauchs- und Emissionsreduzierung sind bei uns seit Langem im Entwicklungsprozess fest vorgeschrieben.“ Energierückspeisung und Routinen zur automatischen Abschaltung von Aggregaten seien längst Standard. Eine neuere Entwicklung ist das „Softwaremodul ‚Energiemonitor‘, „mit dem wir in kurzer Zeit Transparenz über Verbräuche schaffen; darauf aufbauend können dann Prozesse und Arbeitsabläufe optimiert werden“, betont Winterstein.
Kein Tag vergeht, an dem nicht irgendwo etwas zum Thema Industrie 4.0 veröffentlicht wird. Was bedeutet das aber nun konkret für die Ausrüster der Automobilindustrie? Noch steht die Entwicklung ganz am Anfang, relativ wenig Konkretes ist zu erfahren. „Industrie 4.0 wird nur dann erfolgreich, wenn die Vision in praxisrelevante und vorzeigbare Realisierungen überführt wird. Für klein- und mittelständische Unternehmen bietet sich hierfür die Einrichtung von Demonstrationsfabriken als Showrooms und Begegnungsstätten an“, ist Rainer Glatz, Leiter der Geschäftsstelle Plattform Industrie 4.0 und beim VDMA Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau zuständig für den Bereich Informatik, Software und Elektrische Automation, überzeugt. Der VDMA betreibt zusammen mit den Verbänden Bitkom und ZVEI die Internet-Plattform Industrie 4.0, die auf der letztjährigen Hannover Messe gestartet wurde. Von Industrievertretern ist zu hören, sie wünschen sich vor allem eine Vernetzung von Produktionsanlagen und Fernwartungssystemen mit Produktionsnetzwerken und Software wie MES (Manufacturing Execution Systems) als Produktionsleitsystem oder Qualitätsdatenbanken. Manfred Jurditsch sieht die Vernetzung über viele Stufen des Produktentstehungsprozesses hinweg als Chance, „der immer stärker werdenden Produktindividualisierung im Kontext einer Großserienfertigung Herr zu werden“. Bereits konkrete erste Schritte in Richtung Industrie 4.0 hat man bei Grob in Zusammenarbeit mit der Automobilindustrie genommen. Dort werden Maschinen mit peripheren Systemen vernetzt. German Wankmiller: „Ziel dieser Zusammenarbeit ist die Digitalisierung von Dokumentationen wie die Flächennutzung der Hallen und auch die Durchführung von Ablaufsimulationen.“ Interessanter Aspekt im Hinblick auf den weltweiten Wettbewerb: „Hier sind die deutschen Hersteller den Asiaten weit voraus, die sich für dieses Thema noch nicht so interessieren“, so Wankmiller.
Wie weit einige Hersteller von Werkzeugmaschinen und von Präzisionswerkzeugen für die Zerspannung in der Umsetzung von Industrie 4.0 Projekten sind, das werden sie laut der beiden Projektleiter der AMB, Sengül Altuntas und Gunnar Mey, im September auf der AMB 2014 in Stuttgart präsentieren.
Zur AMB 2014 werden vom 16. bis 20. September mehr als 90.000 Fachbesucher und rund 1.300 Aussteller erwartet. Sie zeigen auf über 105.000 Bruttoquadratmetern Innovationen und Weiterentwicklungen aus der Zerspantechnik und der Präzisionswerkzeugindustrie, aber auch Spannzeuge, CAD, CAM, CAE, Software, Schleifmaschinen, Werkstück- und Werkzeughandhabung sowie Messtechnik sehen. Unterstützt wird die AMB 2014 von den ideellen Trägerverbänden VDMA-Fachverband Präzisionswerkzeuge, VDMA Fachverband Software sowie VDW-Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken e.V.
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