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Ein Blick allein genügt nicht

Neue Testbedingungen erfordern moderne AOI-Systeme
Ein Blick allein genügt nicht

Mit der generellen Verbreitung der mobilen Kommunikation mit den unübersehbaren Handys hat auch die Elektronikfertigung einen Wandel erfahren. Die Halbleiter sind deutlich geschrumpft, die interne Komplexität hat sich erhöht und die neuen Gehäuseformen führen zu geringeren Pinabständen. Zudem sind bei den Handys HF-Komponenten mit auf der Baugruppe enthalten. All dies führt dazu, dass der In-Circuit-Test (ICT) keinen oder nur mehr verringerten Zugriff auf die Prüfpunkte einer Baugruppen hat. Abhilfe kann hierbei ein modernes AOI-System schaffen.

John Arena, Teradyne, München

Es ist kein Geheimnis, dass Änderungen, die mit den mobilen elektronischen Geräten der neusten Generation gekommen sind, bald zu einem Wandel der gesamten Elektronikindustrie führen werden. So sind Mobiltelefone heute deutlich kleiner und leichter geworden, verfügen über einen größeren Funktionsumfang, eine längere Batterielebensdauer und beinhalten zunehmend auch weite-re Funktionen wie einen Organizer oder einen drahtlosen Netzzugang.
Die Veränderungen, die derart hohe Funktionsdichten ermöglicht haben, sind auf verschiedene Entwicklungen zurückzuführen: Die Größe der Halbleiter hat sich deutlich reduziert, während gleichzeitig die interne Komplexität erhöht wurde. Gleichzeitig führt der Einsatz innovativer Bauteilgehäuse zu einem geringeren Abstand der Komponenten auf der Leiterplatte und zu einer höheren Verbindungsdichte, und schließlich werden zunehmend Multilayer-Baugruppen mit höherer Komplexität eingesetzt. Bei kleinen mobilen Produkten, besonders aber bei Geräten mit HF-Komponenten, ist damit ein Zugriff über Testnadeln für den elektrischen Prozess- oder In-Circuit-Test (ICT) nur noch unter Einschränkungen oder gar nicht mehr möglich. Diese mobilen Produkte sind somit eine Art von Verbote der Dinge, die bald auf alle Hersteller von elektronischen Baugruppen zukommen werden.
Für Hersteller von dichten, hochkomplexen Baugruppen haben diese Trends neue Überlegungen hinsichtlich der Fertigungstechnologie notwendig gemacht. Der Anteil kleinster IC-Gehäuse hat in diesen Anwendungen rasch zugenommen, und auch die kleinen passiven Komponenten, beispielsweise in den Größen 0402 und 0201, verzeichnen ein rasches Wachstum.
Das Erreichen einer hohen Fertigungsausbeute wird bei einer höhren Dichte und kleineren Bauteilgrößen schwieriger, teilweise führen kleinere Bauteilgeometrien zu einem höheren Anteil an Platzierungsfehlern. Zudem steigt aufgrund der kleineren Bauteile auch die Zahl der Bauteile und somit die Komplexität der Baugruppen. Obwohl die Fehlerrate in der Produktion (gemessen in Fehler pro einer Million Möglichkeiten oder DPMO) beim modernen Lotpastendruck oder in der modernen Hochgeschwindigkeitsbestückung von Fine-Pitch-Bauteilen mathematisch sehr klein erscheint, führt die steigende Zahl von Lötstellen und Bauteilen pro Baugruppe in Fertigungen zu einer großen Zahl von Fehlermöglichkeiten. Die Anzahl der produzierten Fehler entspricht dabei der Gesamtzahl der Lötstellen multipliziert mit der Fehlerrate. Bereits eine niedrige Fehlerrate kann damit zu einer inakzeptablen Anzahl von Fehlern bei einer ausreichend komplexen Baugruppe führen. Während der ICT jene Fehler entdecken kann, die unmittelbar elektrische Auswirkungen zeigen, lassen sich Fehler, die elektrisch nicht zugänglich sind, die Bauteile mit extremen Werten betreffen oder die elektrisch nicht prüfbar sind, nicht lokalisieren.
Moderne AOI-Systeme – schnell und zuverlässig
Mit den Fortschritten in der Miniaturisierung und der steigenden Baugruppendichte hat sich auch die automatische optische Inspektion (AOI) weiterentwickelt. Ältere AOI-Systeme haben bereits den Nachweis einer hohen Fehlerabdeckung, Zuverlässig-keit und Geschwindigkeit erbracht. Die modernen AOI-Systeme, die erst vor kurzem für die Inspektion von Baugruppen nach dem Löten (Reflow- und Wellenlöten) entwickelt wurden, haben sich sowohl als schnell als auch als sehr zuverlässig erwiesen. Durch die Verwendung einer innovativen strukturierten Beleuchtung und den Mög-lichkeiten der Bildverarbeitung, mehreren in unterschiedlichen Winkeln angeordneten Kameras, schnellen Datenpfaden und modernen Algorithmen, können derartige Systeme bis zu 300 Bilder pro Sekunde erfassen und somit selbst dichte und komplexe Baugruppen innerhalb kurzer Zeit untersuchen.
Diese Geschwindigkeit wird durch eine moderne Steuerung der mechanischen Beleuchtungs- und Kamerapositionierung ermöglicht, die zudem eine sehr genaue Reproduzierbarkeit gewährleistet. So lassen sich beispielsweise die Kameras in modernen Systemen im Inspektionsfenster mit einer Genauigkeit von einem Mikrometer positionieren. Durch diese genaue Reproduzierbarkeit sind falsche Fehler (Fehler, die zwar erkannt wurden, die aber keine sind) und unerkannte Fehler (Fehler, die nicht entdeckt wurden) relativ selten geworden. Normalerweise liegt der Anteil der falschen Fehler bei modernen Systemen in der Größenordnung von weniger als 20 ppm (parts per million)
AOI ergänzt In-Circuit-Test
Durch diese Möglichkeiten können moderne AOI-Systeme sogar schwierige Fehler finden, die im Zusammenhang mit elektrischen Anomalien stehen. Die Systeme können den eingeschränkten Zugriff des ICT ausgleichen oder Fehler entdecken, die beim In-Circuit-Test nicht erkannt wurden (wie defekte Lötstellen und versetzt angeordnete Kom-ponenten).
Die Fehlerarten, die von modernen AOI-Systemen erkannt werden können, umfassen fehlende, falsch ausgerichtete und zusätzliche Komponenten, verdrehte und aufgerichtete Komponenten, Lötstellen mit zuviel Lötzinn oder ungenügender Lötung, Lötbrücken und angehobene Anschlusspins. Alle diese Fehler lassen sich auf die Bestückung oder den Lötprozess zurückführen und können sich gravierend auf die Fertigungsausbeute auswirken.
Strukturierte Beleuchtung
Ein AOI-System erfordert eine spezielle Beleuchtungseinrichtung, um ideale Prüfbedingungen gewährleisten zu können, und die es ermöglicht Bilder zu erzeugen, deren Analyse eine eindeutige Unterscheidung zwischen fehlerfreien und fehlerhaften Zuständen auf der Baugruppe erlauben. Da Baugruppen oft sehr viele Komponenten enthalten und die Topogramphie der Komponenten (die kritischen Teile der Komponenten, wie die Kontur der Lötstellen) variiert, muss sich das Beleuchtungssystem auf unterschiedlichste Anforderungen einstellen lassen. Eine einfache Beleuchtungsquelle kann damit kaum allen Szenarien gerecht werden.
Moderne AOI-Systeme verwenden deshalb ein programmierbares Feld von etwa 400 hellen und robusten LEDs, die ihr Licht auf ein gemeinsames Betrachtungsfeld konzentrieren. Die LEDs werden in unterschiedlichen Winkeln montiert, sodass der Winkel des Lichteinfalls eingestellt werden kann. Die LEDs lassen sich dabei in Gruppen ein- und ausschalten, während die Beleuchtungskuppel über die Baugruppe bewegt wird. Jede einzelne Komponente lässt sich so durch ein bestimmtes Lichtmuster ideal beleuchten, sodass eine optimale Reflexion zum Erkennen potenzieller Fehler sichergestellt wird. Ein Lotmeniskus, zum Beispiel, kann am besten bei ei-ner Reflexion der vollständigen Lötstellenkontur untersucht werden und verdeutlicht somit die Integrität der Lötstelle.
Durch eine große Zahl von programmierbaren Lichtquellen lässt sich zu-dem ein weiteres grundsätzliches Problem bei der Beleuchtung von Baugruppen mit einer hohen Komponentendichte lösen. Kleine und hohe Komponenten finden sich oftmals auf der Baugruppe direkt nebeneinander. In diesen Situationen würde eine einfache Beleuchtung von oben einen Schattenwurf auf die kleineren Komponenten verursachen und so eine Bilderfassung und Analyse unmöglich machen. Eine strukturierte Beleuchtung vermeidet derartige Einschränkungen, da alternative Beleuchtungsrichtungen zur Verfügung stehen.
Mehrere Kameras mit unterschiedlichen Blickwinkeln
Die unterschiedliche Topographie der Komponenten erfordert auch ein hochentwickeltes Bilderfassungssystem. Moderne AOI-Systeme müssen über eine ausreichende Zahl an Kameras verfügen, um die Baugruppe aus allen Perspektiven abbilden zu können, wasim Idealfall insgesamt fünf Videokameras erfordert. Eine Kamera ist vertikal ausgerichtet; die anderen vier sind jeweils unter einem perspektivischen Winkel und aus vier Richtungen auf die Baugruppe ausgerichtet. Die schräg angeordneten Kameras ergänzen dabei die programmierbare Beleuchtung, indem sie sicherstellen, dass eine ideale Kombination von Kamera/Beleuchtung ausgewählt werden kann, und dass keine Bauteilfehler übersehen werden, nur weil sie nicht entsprechend beleuchtet oder abgebildet werden können. Schräg angeordnete Kameras sind zudem eine Voraussetzung, um bestimmte Merkmale abbilden zu können, wie J-förmige Anschlüsse (J-Leads) oder kleine Komponenten, die bei vertikaler Betrachtung von größeren Komponenten verdeckt werden. Beispielsweise sind angehobene Bauteilpins für schräg angeordnete Kameras zuverlässig erkennbar. Für eine vertikale Kamera mit Beleuchtung von oben ist ein angehobener Bauteilpin von einem gut gelöteten Anschluss dagegen nicht zu unterscheiden. Im Gegensatz hierzu ist die höhere Position des Anschlusspins für eine schräg angeordnete Kamera gut sichtbar.
Um effektiv arbeiten zu können, muss jede der fünf Kameras genau im Inspektionsfenster positioniert werden, in dem die kritischen Merkmale der Baugruppe untersucht werden sollen. Es werden zwei Methoden angewandt, um dies zu erreichen. Da das Durchbiegen der Baugruppe das Inspektionsfenster gegenüber der angenommenen Position verschiebt, muss die Durchbiegung der Baugruppe vor einer umfassenden Inspektion gemessen werden. Die Position des Inspektionsfensters kann dann entsprechend nachreguliert werden, um sicherzustellen, dass die Kameras das richtige Ziel sehen.
Zweitens wird die Positionierung der Kameras während der Abtastung immer wieder durch eine Rückkopplung mit dem mechanischen System, das sie über die Baugruppe bewegt, aktualisiert. Die digitale Steuerung hält die Kamerapositionierung während der Abtastung in Richtung der x- und y-Achse auf 1 µm genau in Position. Um eine mechanische Stabilität sicherzustellen, sind die Kameras wegen der entstehenden Drehmomente und resultierenden Schwingungen so montiert, dass die Bewegungsrichtung durch den Schwerpunkt erfolgt.
Analysealgorithmen
Die Algorithmen zur Analyse der Bilder der einzelnen Inspektionsfenster profitieren von der sehr hohen Reproduzierbarkeit, sowohl aufgrund der strukturierten Beleuchtung, als auch aufgrund des Kamerasystems. Alle kritische Inspektionsmerkmale werden mit einer hohen Reproduzierbarkeit beleuchtet und mit hoher Positionsgenauigkeit abgebildet.
Das vom System erzeugte Datenvolumen ist dabei sehr groß und erfordert schnelle und breite Datenwege. Die von allen Inspektionsfenstern einer Baugruppe erzeugten Bildrahmen können sich auf 50 MByte, 100 MByte oder mehr belaufen. Sowohl die Datenerfassung, als auch die Datenverarbeitung werden aber mit einer derart hohen Verarbeitungsleistung durchgeführt, dass keine Kompromisse hinsichtlich des Inspektionsdurchsatzes erforderlich sind.
Zusammenfassung
Immer kleinere Bauteile und höhere Bauteildichten auf kleineren Baugruppen – besonders bei neuen Designs – erhöhen automatisch auch die Wahrscheinlichkeit für Prozessfehler und beeinflussen somit die Fertigungsausbeute. Gleichzeitig reduziert sich der Zugriff auf den Prüfling für den ICT. Moder-ne AOI-Systeme ergänzen diesen Test, indem sie eine Vielzahl von Bestückungsfehlern, die sonst die Fertigungsausbeute reduzieren können, erkennen und zusätzlich Fehler entdecken, die durch einen ICT allein nicht ent-hüllt werden (wie defekte Bypass-Kondensatoren, Steckverbinder, umgebogene Anschlusspins oder Steckbrücken).
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