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Null Fehler von Anfang an

Der Nutzen von IPC-Richtlinien für die Produktentstehung – Teil 3
Null Fehler von Anfang an

Qualität und Zuverlässigkeit gehören zu den wichtigsten Kriterien bei der Produktion von Hightech-Elektronik für die Automobilbranche – insbesondere, wenn es sich um elektronische Steuerungen kritischer Sicherheitsfunktionen moderner Fahrzeuge handelt. Jahrelang wurden IPC-Richtlinien als „nordamerikanische Richtlinien“ betrachtet. Seit den frühen 90er Jahren haben sie jedoch begonnen, sich in der gesamten elektronischen Welt auszubreiten. Die Kernfrage lautet: Welchen Nutzen bieten IPC-Richtlinien der Elektronikhardware-Versorgungskette und der Automotive-Branche?

Lars Wallin, Europa-Repräsentant des IPC

Dies ist der dritte Artikel dieser Reihe. Er bescheibt, wie Autoliv Inc., ein großer OEM-Hersteller mit Hauptsitz in Schweden, IPC-Richtlinien einsetzt, um fehlerhafte Automotive-Sicherheitsprodukte zu verhindern.
Null-Fehler-Strategie
Die Autoliv-Gruppe, ein multinationaler OEM-Hersteller, beschäftigt in 30 Ländern in aller Welt, verteilt auf 80 Produktionswerke und mit insgesamt 43.000 Mitarbeitern. Der Jahresumsatz des Unternehmens beträgt 7,2 Milliarden US-Dollar. 1956 begann das Unternehmen mit der Produktion von Sicherheitsgurten, 1980 wurden die ersten Airbags ausgeliefert. Heute ist man einer der führenden Hersteller von Technologie- und Sicherheitssystemen mit einem breiten Produktspektrum für die Automobil-Branche. Die Gruppe hat es sich zur Aufgabe gemacht, Verkehrsunfälle mit Toten oder Verletzten erheblich zu verringern. Diesem Ziel dient die Null-Fehler-Strategie des Unternehmens. In seinem Werk für Kleinserien in Motala (250 Kilometer südwestlich von Stockholm) bestückt und lötet das Unternehmen 50 aktive Produkte auf drei SMD- und sieben Endmontage-Linien. An diesem Standort ist der Produktionsspezialist Sven-Olof Abrahamsson verantwortlich für die Umsetzung der Null-Fehler-Strategie. Seit 2006 wurde die Fehlerrate um 80 Prozent reduziert.
Vermeidung von Fehlern
Vor nahezu zwanzig Jahren stieß Abrahamsson zum ersten Mal auf IPC-Richtlinien, als er Design-Richtlinien für die Forschungs- und Entwicklungsabteilung sondierte. Abrahamsson, der aus seiner Zeit bei Luxor und Nokia bereits über fundiertes Hintergrundwissen in den Bereichen Leiterplatten-Herstellung sowie Bestückung und Löten von Baugruppen verfügt, hat schon relativ früh in seinem Berufsleben erkannt, dass perfekte Lötstellen auch ein nahezu perfektes Design voraussetzen. Um diese Voraussetzung sicherzustellen, werden alle unbestückten Leiterplatten entsprechend den Klasse 3-Kriterien der Design-Richtlinien-Familie IPC-2220 entwickelt. In den 1990er Jahren entwickelte Abrahamsson die Unternehmens-interne technische Dokumentation „Generic Specification for Rigid PCBs“, die noch heute für alle unbestückten Leiterplatten in den Produktionsprozessen der Unternehmensgruppe gilt. Der Zweck des Dokuments ist es, die technischen Beschaffungsanforderungen für alle Leiterplatten zu spezifizieren, die für sicherheitsrelevante Projekte innerhalb der Gruppe gelten. Leiterplatten für das Unternehmen müssen für den Einsatz in sicherheitsrelevanter Automotive-Elektronik produziert werden und daher den Anforderungen der Produktklasse 3 des IPC entsprechen. Eine weitere IPC-Richtlinie, die zum Einsatz kommt, ist IPC-6012C, Qualification and Performance Specification for Rigid Printed Boards, die folgende Bereiche abdeckt:
  • 1. Materialanforderungen: Alle Materialien, die bei der Herstellung von Leiterplatten verwendet werden, müssen IPC-6012C und weiteren spezifizierten Anforderungen entsprechen. FR-4 IPC-4101C/21 oder IPC-4101C/24 (Spezifikation für Basismaterialien für starre Leiterplatten und Multilayerleiterplatten)
  • 2. Metallfolien: Metallfolien müssen den Spezifikationen der IPC-4562 entsprechen (Metallfolien für Leiterplatten-Anwendungen)
  • 3. Metallisierung: Muss IPC-6012C, Abschnitt 3.6 entsprechen
  • 4. Lötstoppmaske:Die Lötstoppmaske muss IPC-SM-840 und IPC-6012C, Abschnitt 3.7 entsprechen. (Qualifikation und Leistungsanforderungen für permanente Lötstoppmasken und flexible Abdeck- materialien). Visuelle Abnahmekriterien gemäß IPC-A-600, Abschnitt 2.9 (Klasse 3). (Abnahmekriterien für Leiterplatten). Lötstoppmasken müssen den 500 V Hochspannungstest gemäß IPC-TM-650, Methode 2.5.6.1 bestehen. ((Handbuch Testmethoden)
  • 5. Endoberfläche: Muss IPC-6012C, Abschnitt 3.2.7 entsprechen. Chemisch Silber, gemäß IPC-4553A. (Spezifikation für chemisch Silber Oberflächen von Leiterplatten). Chemisch Zinn, gemäß IPC-4554. (Spezifikation für chemisch Zinn Oberflächen von Leiterplatten)
  • 6. Anforderungen der visuellen Prüfung: Die Leiterplatten müssen alle Anforderungen aus IPC-6012C, Abschnitt 3.3 erfüllen. Eine Reparatur ist nicht zulässig.
  • 7. Elektrische Anforderungen: Die Leiterplatten müssen IPC-6012C, Abschnitt 3.8 entsprechen. Eine Reparatur ist nicht zulässig
IPC-Richtlinien bei Bestückung und Löten
Leiterplatten, die beim Autoliv-Werk in Motala angeliefert, bestückt und gelötet werden, sind keiner optischen Wareneingangsprüfung unterzogen. Das Unternehmen hat all seine Leiterplatten-Lieferanten verpflichtet, ihre Leiterplatten selbst optisch und elektrisch zu prüfen und nur fehlerfreie Leiterplatten (zero defects) auszuliefern. Diese Anforderungen können nicht von allen Leiterplatten-Herstellern erfüllt werden. Deshalb hat man einen umfassenden Auditprozess implementiert, der nicht einfach zu bestehen ist.
Bei der optischen Inspektion der bestückten und gelöteten Baugruppen legt das Unternehmen die Kriterien von IPC-A-610E (Acceptability of Electronic Assemblies/Abnahmekriterien für elektronische Baugruppen) sowie IPC-7 711B/7721B (Rework, Modification and Repair of Electronic Assemblies/Nacharbeit, Änderung und Reparatur von elektronischen Baugruppen) zugrunde. Die Arbeiten an den Baugruppen werden von zertifizierten Applikationsspezialisten (CIS) vorgenommen. Autoliv in Schweden sieht es als großen Vorteil für das Verständnis der Richtlinien im Produktionsbereich an, dass zahlreiche Richtlinien in die Landessprache der Anwender übersetzt werden.
Vorteile der Anwendung
Für Autoliv bringt die Anwendung von IPC-Richtlinien spürbare Vorteile:
  • Lieferanten liefern keine fehlerhaften Leiterplatten. Der Hauptgrund dafür ist das „Klasse 3 Kriterium“ des IPC, das das Bewusstsein auf Lieferantenseite schärft
  • Wenn vermutet wird, dass eine Lieferung unbestückter Leiterplatten nicht fehlerfrei ist, hat man entsprechend den Kriterien der IPC-Klasse 3 das Recht, die Test- und Nachweisdokumentation des Lieferanten einzusehen. Diese Abläufe waren schon öfter hilfreich für das Unternehmen auf seinem strategischen Weg in Richtung Null-Fehler-Produktion.
  • Durch die Anwendung von IPC-Richtlinien spart das Unternehmen Zeit, Ressourcen und Geld, da entsprechende Unterlagen nicht selbst entwickelt werden müssen.
  • Seit mehr als fünf Jahren hat das Unternehmen mehrere Millionen Dollar eingespart, indem die Fehlerraten gesenkt werden konnten, was zu einer besseren Ausbeute an fehlerfreien Produkte geführt hat.
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