Bisher war beim Plasmareinigen immer das Problem gegeben, dass dafür ein Vakuum nötig war. Jetzt wurde von einer Firma aus dem Bereich der Oberflächenbeschichtung ein Verfahren entwickelt, das die Reinigung mit Plasma ohne Vakuum vollzieht.
Uwe Filor, OTB, Berlin
Die Firma Oberflächentechnik in Berlin, kurz OTB, ist ein international operierendes Unternehmen im Bereich der galvanotechnischen Oberflächenveredelung und als Zulieferer von Großunternehmen tätig. Aus praktischen Anforderungen heraus ist OTB mit Aufgaben konfrontiert, die bei der Oberflächenveredelung zu neuen Verfahren geführt haben. Speziell in der Mikroelektronik wird durch die steigende Miniaturisierung großer Wert auf eine hohe Oberflächengüte gelegt.
Plasmaprozesse unter Vakuum sind in der Mikroelektronik fest etabliert. Gerade hier setzte OTB an und entwickelte das vakuumfreie Plasma-Reinigungssystem Spox-P, ein kompaktes, einfaches Reinigungssystem für die kontinuierliche Fertigung in der Mikroelektronik. Das Verfahren basiert auf der Barriereplasma-Technik. Diese erlaubt die Ausbildung von Plasma unter Atmosphärendruck und Umgebungstemperatur ohne die Verwendung von Vakuum. Im Barriereplasma wird das Plasma zwischen zwei parallel angeordneten Elektroden erzeugt, wobei mindestens eine Elektrode vom Entladungsspalt elektrisch isoliert ist. Unter hochfrequenter Wechselspannung wird, wenn der Widerstand des Elektrodenabstands überwunden ist, eine Entladung gezündet. Die Entladungsfilamente zünden durch die Wechselspannung ständig neu und an anderer Stelle, so dass das Plasma im zeitlichen Mittel räumlich homogen erscheint. Durch eine geeignete Auswahl von Reaktionsgasen können auch oxidationsempfindliche Metalloberflächen behandelt werden, ohne dass die Werkstückoberfläche angegriffen wird (Bild 1). Als Reaktionsgase können CO2, Ar/H2-Gemische, He/H2-Gemische, N2 und Luft zum Einsatz kommen. Die Auswahl erfolgt nach der Oberflächenbeschaffenheit und den Bearbeitungsanforderungen. Typische Anwendungen für das vakuumfreie Plasma ist die intensive Feinstreinigung von Metalloberflächen sowie deren Oberflächenaktivierung für die Verbesserung der
• Bond- und Lötfähigkeit,
• Haftfestigkeit von Beschichtungen und Spritzgussmassen sowie der
• Haftfestigkeit bei Laminierprozessen.
Ein Beispiel einer Anwendung des Spox-P-Systems ist in der Fertigung von Hochleistungsdioden zu finden. Nach dem Verkleben und Drahtbonden dieser Halbleiterbauteile auf einem silberbeschichteten Trägerband wird das Bauteil mit einer Kunststoffmasse vergossen. Wegen feinster Verunreinigungen auf dem Trägerstreifen oder dem Halbleiterbauteil ist die Haftung beziehungsweise Vernetzung zwischen der Kunststoffmasse, dem Trägerstreifen und dem Halbleiterbauteil nicht optimal. Leistungseinbußen und geringe Standzeiten wegen Lufteinschlüssen sind die Folge. Durch die Einbindung der vakuumfreien Plasmaanlage in den „Rolle zu Rolle“-Prozess wird das bestückte Trägerband vor dem Kunststoffspritzen gereinigt. Dies führte zu erheblichen Verbesserungen der Ausbeute sowie einer höheren Leistungsfähigkeit des Bauteils und damit zu einer höheren Qualität.
Ein weiteres Beispiel ist der Einsatz von Lasern zum Oberflächenabtrag von Kunststoffen in der Mikroelektronikfertigung, die auf den Oberflächen der bearbeiteten Werkstücke entsprechende Schmauchspuren hinterlassen. Um auf der Oberfläche für weitere Bearbeitungschritte, wie beispielsweise dem Verzinnen, die notwendige Haftfestigkeit zu erreichen, wird dieses Anlagensystem mit vakuumfreiem Plasma ebenfalls eingesetzt. Das Ergebnis sind hochreine Oberflächen, wie sie für weitere Prozesse benötigt werden. Betrachtet man die Vorteile des Systems, so erkennt man schnell dessen herausragende Position gegenüber anderen Reinigungssystemen:
• Feinstreinigung von Oberflächen und deren Aktivierung,
• Plasmabehandlung ohne Vakuum unter Atmosphärendruck,
• geringe Investitionskosten gegenüber klassischen Plasmareinigungstechniken,
• trockene und berührungslose Bearbeitung,
• keine Abfälle, kein Abwasser,
• kompaktes und mobiles Reinigungssystem,
• einfache Integration in vorhandene Fertigungsabläufe,
• einfache und sichere Bedienung,
• geringer Energieverbrauch bei hoher Energiedichte,
• breites Anwendungsgebiet bei Einsatz verschiedener Reaktionsgase,
• geringe thermische Beeinträchtigung des Grundwerkstoffs,
• geeignet für kontinuierliche Fertigungsprozesse im „Rolle zu Rolle“-Verfahren sowie
• mehrseitige Reinigung von Werkstückoberflächen.
Das Anlagensystem besteht aus einem luftgekühlten Plasmagenerator und mehreren hintereinander geschalteten Plasmakammern. Die Werkstückführung und Kontaktierung erfolgt über Andruckrollenpaare zwischen den Plasmakammern. Über Hochspannungsschienen wird eine gleichmäßige Stromzuführung gewährleistet. EMV-dichte Abdeckungen bilden das Gehäuse, das mit einer Sicherheitsabschaltung versehen ist. Die Zuführung der Reaktionsgase erfolgt in die einzelnen Plasmazellen. Wenn nötig, kann jede einzelne Zelle mit einem anderen Reaktionsgas betrieben werden.
Durch den Einsatz dieses Reinigungssystems in der Elektronikfertigung wurde ein großer Fortschritt bei der Feinstreinigung von Oberflächen erzielt. Eine Erhöhung der Haftfestigkeit sowie die Verbesserung der Bondfähigkeit und Lötbarkeit kann durch den Einsatz dieses Verfahrens erzielt werden. Durch das vakuumfreie Plasma ist es in bestehende Prozesse mit Reinigungsaufgaben integrierbar (Bild 2). Weitere Anwendungen des Verfahrens befinden sich bereits in der Testphase.
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