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Rework ohne Risiko Bernhard Martin, Martin, Wessling

Board-Reparatur mit automatisiertem Temperaturprofil
Rework ohne Risiko Bernhard Martin, Martin, Wessling

Eine der kritischen Aufgaben in der Elektronikfertigung ist die Reparatur von Baugruppen, die den Maschinen-Lötprozess in der Linie bereits durchlaufen haben. Bei Nacharbeiten dürfen weder Qualität noch Zuverlässigkeit des Boards beeinträchtigt werden. Mitentscheidend dabei ist, dass auch beim Rework mit dem richtigen Temperaturprofil gearbeitet wird. Mit der Auto-Profiler-Technik lässt sich dieser Vorgang automatisieren, so dass auch ungeübte Mitarbeiter nicht nur Reparaturen ausführen, sondern auch Lötprofile einfach und sicher erstellen können.

Die typischen Schritte in der Baugruppen-Reparatur sind im Prinzip bekannt: Erst ist das defekte Bauteil auszulöten, dann wird die neue Komponente eingelötet. Dabei wird man zwischendrin das verbrauchte oder überflüssige Lot entfernen bzw. per Fluxpen das Lot auffrischen. Doch so einfach, wie sich das anhört, ist das Verfahren sicher nicht. Erfordert doch jeder zuverlässige Lötprozess wie auch bei Rework an hochwertigen Baugruppen, dass das zu Paste, Bauteil und Leiterplatte passende Temperaturprofil erst einmal definiert werden muss. Die Lötprofile in der Fertigungslinie und am Reparaturplatz dürfen nicht voneinander abweichen, wenn man sicherstellen will, dass eine nachgearbeitete Baugruppe zuverlässig funktioniert. Aber gerade im Reparaturbereich stellt die Erzeugung des optimalen Lötprofils hohe Anforderungen an den Mitarbeiter oder das verwendete Equipment.

Keine Experimente beim Rework
In der Fertigungslinie kann man neue Lötprofile mittels kleiner Probedurchläufe kontrollieren und nötigenfalls umgehend korrigieren. Hingegen hat man beim Auswechseln eines Bauteils im Reparaturbetrieb nur einen „Schuss“ frei, und der muss sicher sitzen. Hier kommt die Zero-Risk-Technik von Martin zum Tragen, mit der sich exakte Reparaturen durchzuführen lassen, die den Ansprüchen der Abnahmekriterien des IPC-Standards A610-C voll entsprechen. Ziel ist es, den Rework-Prozess weitgehend zu automatisieren und ihn gegen Irrtümer aller Art abzusichern.
Selbst mit dem System können völlig unerfahrene Fertigungsmitarbeiter mit der Auto-Profiler-Software automatisch alle nötigen Lötparameter erzeugen, um zuverlässige Lötstellen von bester Qualität zu erhalten. Mit den im Auto-Profiler integrierten fünf Lötregeln werden die Anforderungen aller Reparaturarbeiten abgedeckt. Die damit automatisch gewonnenen Temperaturprofile sprechen in ihrer Einfachheit und Zuverlässigkeit für sich, und sind somit praktisch von jedem anzuwenden. Dennoch ist dieses Konzept in der Lage, alle erdenklichen Einflüsse beim Löten zu erfassen und zu berücksichtigen. Neben dem unerfahrenem Personal können auch erfahrene Mitarbeiter daraus Vorteile ziehen, denn die Arbeit geht ihnen damit noch leichter von der Hand, weil die Ergebnisse einfach zu überschauen und leicht verständlich sind. In Kombination mit einer Rework-Station aus der Expert-Serie steht damit eine komplette Lösung für die zunehmend komplexeren Reparaturen von Baugruppen zur Verfügung.
Produktklassen und Abnahmekriterien
Normalerweise müssen die Prozessparameter aus der Fertigungslinie und der Baugruppen-Reparatur identisch sein. Die Parameter aus einem Produktionsprozess, bei dem zuverlässig mit hoher Ausbeute bestens funktionierende Baugruppen entstehen, werden auch im Rework beste Ergebnisse sicherstellen. Doch stecken die Feinheiten natürlich wie so oft im Detail. Deswegen hier ein knapper Überblick über die weltweit akzeptierten Abnahmekriterien der IPC, die drei Kategorien definiert:
  • Klasse 1 (Allgemeine Elektronikprodukte): Hier handelt es sich im Wesentlichen um elektronische Konsumgüter, an deren Lebensdauer nicht die höchsten Anforderungen gestellt werden, die aber dennoch korrekt funktionieren müssen. Für die Reparaturpraxis bedeutet dies beispielsweise, dass vor dem Einlöten von Komponenten das Altlot nicht entfernt werden muss, wenn vorher Fluxcreme aufgetragen wurde. Ausgenommen davon sind BGAs.
  • Klasse 2 (Allgemeine Industrieelektronik): Diese Klasse umfasst Geräte der Kommunikation und Bürotechnik sowie Produkte, bei denen hohe Leistungsfähigkeit und lange Lebensdauer wesentlich sind. Typischerweise handelt es sich um Elektronik, deren Ausfall keine kapitalen oder kritischen Folgen hat und für die dennoch störungsfreier Langzeitbetrieb gefordert ist.
  • Klasse 3 (Hochleistungselektronik): Hier finden sich Geräte der kommerziellen, militärischen und industriellen Nutzung, die sich auch unter widrigen Umgebungsbedingungen durch höchste Funktionssicherheit auszeichnen. Ausfälle können nicht toleriert werden. Dazu gehören beispielsweise Steuerungen in komplexen Anlagen, kritische Rechnersysteme oder Automobil-Steuergeräte wie ABS oder Airbag.
In jeder dieser Produktklassen sind wiederum die Abnahmekriterien in unterschiedlichen Stufen definiert:
  • Anzustreben (Target Condition) – dies bezeichnet einen optimalen, praktisch perfekten Zustand, der durchaus nicht nötig ist, damit das Gerät an seinem Betriebsort zuverlässig funktioniert.
  • Zulässig (Acceptable Condition) – obwohl eine Baugruppe nicht absolut perfekt ist, funktioniert sie am Einsatzort zuverlässig. Denkbar ist, dass ihre Werte etwas günstiger liegen als die minimalen Anforderungen an das Produkt, damit im Prozess noch Spielräume vorhanden sind.
  • Unzulässig ( Non-conforming Defect Condition) – in diesem Zustand ist die Funktion eines Produkts am Einsatzort unsicher. Bei solchen Erzeugnissen ist grundsätzlich entweder Nacharbeit oder Verschrottung nötig.
  • Nichtkonformer Prozessindikator (Non-conforming Process Indicator Condition) – hier handelt es sich um die Merkmale eines Produkts, das die Abnahmebedingungen nicht erfüllt, und sich in einem unzulässigen Zustand befindet. Die Ursachen stammen aus der Fertigung. Der Prozessindikator weist daraufhin, dass der Hersteller gefordert ist, den Prozess unter Kontrolle zu bringen. Er muss dringend die Fehlerursachen feststellen und abstellen. In Unternehmen kann man nichtkonforme Prozessindikatoren zur Prozessoptimierung nutzen, denn sie weisen auf Mängel oder Lücken in den Fertigungsvorschriften hin.
Gleiche Qualitätsanforderungen beim Rework
Diese Produktklassen und Abnahmekriterien zeigen: Gibt es Mängel, Unzulänglichkeiten oder Lücken im Fertigungsprozess, müssen die auftretenden Defekte optimal beseitigt werden. Durch Nacharbeit und Reparatur wird erreicht, dass die defekten Baugruppen in den angestrebten oder zulässigen Zustand nach IPC versetzt werden. In der Praxis heißt das zwingend, dass die im Rework-Bereich eingesetzten Geräte und Systeme den für den Fertigungsprozess definierten Qualitätsanforderungen entsprechen müssen. Zudem gilt es, ein optimales Kosten/Nutzen-Verhältnis zu erzielen. Dies gilt natürlich sowohl in der Relation zu der nötigen Produktqualität für jede der drei Akzeptanzklassen, als auch in der Auswahl des dazu nötigen Fertigungsequipments. Wozu natürlich auch die Ausrüstung für die Nacharbeit gehört.
Um die höchsten Anforderungen, definiert durch Klasse 3 (eventuell noch Klasse 2) der IPC-A610C, zu erfüllen, ist es erforderlich, auch im Rework – wie erwähnt – die originalen Fertigungsparameter zu verwenden. In dieser Kategorie muss, nachdem Bauteil und überflüssiges Lot entfernt sind, immer frische Lotpaste aufgetragen werden. Für Reparaturen an den weniger hoch qualifizierten Baugruppen geht man jedoch pragmatischer vor. Um beispielsweise hier einen QFP auszuwechseln, braucht es nur einen guten Lötkolben in der ruhigen Hand eines erfahrenen Mitarbeiters. Zum Entlöten der Bauteile ist dabei stets größte Sorgfalt nötig, damit weder Leiterbahnen noch Lotpads beschädigt werden. Dazu ist neben dem heißen Luftstrom von oben auf das Bauelement auch eine Leiterplatten-Unterheizung erforderlich.
Im Falle des QFPs, bei dem alle Anschlüsse sichtbar sind, kann die Qualität der Lötstellen, und damit schließlich auch das Temperaturprofil, relativ einfach visuell überprüft werden. Geht es jedoch um BGAs, CSPs, SMDs und andere Field-Array-Packages, funktioniert diese einfache Technik nicht, denn die Anschlüsse sind unter dem Bauteil verborgen. Hier sind programmgesteuerte Reparaturabläufe notwendig.
Erst wenn alle Lötstellen aufgeschmolzen sind, darf ein Bauteil angehoben werden. Dies stellt kein Problem dar, vorausgesetzt es wurde ein passendes Lötprofil verwendet. Doch wie erzeugt man solch ein Temperaturprofil im Reparaturbereich? Wie werden die Daten komplikationslos und zuverlässig gewonnen, und wie wird sichergestellt, dass keine Beschädigungen oder Irrtümer vorkommen können?
Wenige Schritte zum korrekten Profil
Die Idee, die Daten für Temperaturprofile automatisch zu generieren, wurde bei Martin vor etwa fünf Jahren erstmals aufgegriffen. Davon wurden etwa vier Jahre darauf verwendet, um jene fünf Lötregeln zu spezifizieren, die das Gerüst des Expertensystems in der Auto-Profiler-Software bilden. Dabei wurden folgende Basisbedingungen zu Grunde gelegt:
  • Definition der zulässigen thermischen Grenzwerte für diverse SMDs,
  • Definition der zulässigen thermischen Grenzwerte für das Leiterplatten-Material,
  • Definition der thermischen Voraussetzungen für eine zuverlässige Benetzung von Pads und Komponenten sowie
  • möglichst rasche und praxisnahe Applikation des Temperaturprofils.
Im Anschluss daran folgte noch ein weiteres Jahr der praktischen Erprobung und Weiterentwicklung des Auto-Profiler-Systems. Hier kamen die Erfahrungen zahlreicher Anwender aus dem Westen mit der sehr pragmatisch ausgerichteten Vorgehensweise aus Asien zusammen. Kombiniert mit unserer Expertise der Löttechnik entstand daraus eine Rework-Lösung, die alle erdenklichen Risiken ausschließt.
Das Ergebnis dieser Arbeit ist, dass die Erzeugung von Temperaturprofilen im Reparaturbereich sehr einfach wurde, so dass auch unerfahrene Anwender keinerlei Probleme damit haben. Die Daten des Temperaturprofils werden automatisch beim Auslöten des Bauteils gewonnen, denn beide Prozesse müssen ja praktisch identisch sein.
Die Schritte dazu sind relativ einfach. Für den automatischen Ablauf des Vorgangs platziert man erst den Positionierarm, der auf der Expert-Serie von Martin aufgebaut wird, genau über dem Bauteil auf dem Board. Mit seiner automatischen Entlötfunktion hebt er das Bauteil erst dann vorsichtig ab, wenn das Lot völlig aufgeschmolzen ist, manuelle Interaktionen sind also nicht nötig. Gleicherweise folgt in einem umgekehrten Vorgang später das sorgfältige Einlöten.
Um den Prozess zu starten, wird aus der Rework-Software Easy-Solder heraus der Auto-Profiler aufgerufen. Das Lötwerkzeug wurde vorher ja bereits über dem SMD platziert, zudem ist zur Kontrolle der Unterheizung auch ein Temperatursensor unter der Baugruppe angebracht worden. Am Bauteil selbst wird ein Schmelzpunkt-Sensor positioniert. Man kann aber auch als praxisnahe Methode einen Temperatursensor an einer Lötstelle des Bauteils zur Kontrolle der Oberheizung (heiße Luft) anbringen.
Identische Bedingungen für jeden Schritt
Im Programm wird dann nur noch das Lötwerkzeug sowie die Paste mit ihren Spezifikationen ausgewählt – danach läuft die Prozedur automatisch ab. In einer Zeitspanne von 10 bis circa 30 min (bei sehr komplexen Fällen) ist auf diese Weise das Bauteil ausgelötet und automatisch das optimale Profil zum Einlöten erzeugt worden. Die Auto-Profiler-Software testet dabei vorsichtig selbsttätig diverse Parameter ab. Zwischendurch erfolgt dabei immer wieder eine Abkühlung der Baugruppe, damit für den nächsten Testschritt die gleichen Bedingungen herrschen. Die Daten stehen damit für diesen Bauteiltyp jederzeit zum Aus- und Einlöten zur Verfügung.
Diese Lösung ist ideal für Arbeiten an Baugruppen nach der IPC-Abnahmeklasse 3 geeignet. Werden jedoch Baugruppen nach den einfacheren Akzeptanzkategorien 1 und 2 repariert, kann man auch eine schnellere Lösung anwenden. Der Quick-Profiler ermöglicht das Aus- oder Einlöten eines Bauteils innerhalb von drei Minuten. Dabei kann natürlich das Temperaturprofil ebenfalls gespeichert und später wieder verwendet werden. Hier wird auf eine praxisübliche Methode aus Asien zurückgegriffen: Der Mitarbeiter erfasst den Schmelzpunkt des Lots manuell mit einem SMD-Haken direkt am Bauteil. Dabei drückt oder zieht (sehr leicht) er am Bauteil, um den Schmelzpunkt zu erfühlen. Ist dieser Punkt erreicht, drückt er einen Knopf, der diese Temperatur an die Quick-Profiler-Software meldet. Man erspart sich damit das Platzieren der Temperatursensoren.
Productronica, Stand A3.181
EPP 428
www-martin-smt.de
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