Kunststoff oder Aluminium, CFK oder Stahl, Guss- oder Schmiedeteil, spanende oder additive Fertigung? Der Wettbewerb der Werkstoffe und Formgebungsverfahren ist nicht nur in der Automobilindustrie, sondern auch im Maschinenbau in vollem Gange. Dabei rückt in vielen Anwendungen die Technische Keramik immer stärker in den Fokus. Sie bietet neben der extremen Verschleißfestigkeit u. a. die Vorteile der elektrischen Isolierung und der Korrosionsbeständigkeit.
Ein „Klassiker“ unter den Anwendungen: Schweißtechnik
Neben der konventionellen Technischen Keramik, zu deren Eigenschaften die Sprödigkeit gehört, gibt es auch neuere keramische Hochleistungswerkstoffe, die sich durch ein hohes Maß an Schlagzähigkeit auszeichnen. Dazu gehört die blaue Cerazur-Hochleistungskeramik von Doceram. Dieser Werkstoff hat sich in der automatisierten Schweißtechnik durchgesetzt, insbesondere im Karosseriebau der Automobilindustrie. Hier werden die zu schweißenden Komponenten von Robotern in Werkzeuge eingelegt und über Positions- und Zentrierstifte in der richtigen Position gehalten.
Diese Stifte werden traditionell aus gehärtetem Stahl gefertigt. Trotz dieses sehr widerstandsfähigen Werkstoffs sind ihre Standzeiten sehr kurz, weil die Stifte erstens durch das häufige Anschlagen der Bleche verschleißen und sich zweitens Schweißspritzer auf ihnen aufbauen. Cerazur-Komponenten überzeugen hier durch etwa 40fache Lebensdauer, weil sie aufgrund ihrer Schlagzähigkeit unempfindlich gegenüber Stoßbelastungen sind und keine Schweißspritzer an ihnen anhaften.
Neueres Einsatzfeld: Die Prüftechnik
Vergleichsweise neu ist ein zweites Einsatzfeld in der Prüftechnik und der Elektronikindustrie: die Prüfung – vor allem die End-of-Line-Prüfung – von elektronischen Komponenten, Baugruppen und Steuerungen. Hier müssen Arbeitsmittel verwendet werden, die die elektronischen Eigenschaften der einzelnen Bauteile nicht beeinträchtigen. Zudem ist eine extreme Verschleißfestigkeit der Komponenten gefordert, die aufgrund der kurzen Taktzeiten hohen mechanischen Beanspruchungen ausgesetzt sind.
Darüber hinaus wird eine sehr gute Abriebfestigkeit verlangt, weil die Produktionsumgebung sauber bleiben muss.
Diese Anforderungen gelten z. B. für Aufnahme- und Positionierstifte, Leiterplattenaufnahmen, Prüfstecker und Greifer in der automatisierten Elektronikproduktion. Wenn diese Bauteile aus Hochleistungs-Keramik gefertigt werden, erfüllen sie das Anforderungsprofil deutlich besser als metallische Werkstoffe oder Kunststoff. Denn Keramikwerkstoffe wirken elektrisch isolierend. Sie sind nicht magnetisierbar, chemisch inert und zeichnen sich aufgrund ihrer Verschleißfestigkeit durch hohe Standzeiten auch bei starker mechanischer und thermischer Beanspruchung aus. Infolgedessen entsteht auch kein bzw. nur minimaler Abrieb, und die Forderung nach technischer Sauberkeit wird erfüllt.
Prüfstecker und Leiterplattenaufnahmen
Zu den Komponenten, die Doceram für diese Anwendung fertigt, gehören Prüfstecker für die 100-%-Prüfung von Kfz-Elektronik sowie Leiterplattenaufnahmen für die Prüfung von Großserienkomponenten wie etwa Pkw-Funkschlüsseln. Diese Stecker eignen sich auch für kombinierte Funktions-/ Taumelkreisprüfungen. Optional sind sie – für Prüfungen im Taumelkreis – mit einer Einlaufschräge ausgestattet.
Darüber hinaus fertigt das Unternehmen auch Aufnahme- und Positionierstifte für Leiterplatten in Testeinrichtungen, die ein sehr exaktes Positionieren der Baugruppen ermöglichen. Damit schaffen die Keramikkomponenten eine wichtige Voraussetzung für eine gleichbleibend hohe Bauteilqualität und für minimale Stillstandszeiten an den Produktions- und Prüfeinrichtungen. Eine weitere Anwendung sind keramische Greiferbacken für die Handhabung von Elektronikkomponenten. Und selbstverständlich gelten die hier genannten Vorteile nicht nur für die Prüfung der Komponenten, sondern auch für die Handhabung und die einzelnen Produktionsschritte, etwa die Leiterplattenbestückung.
Wahl der (Keramik-)Werkstoffe
Neben der schlagzähen blauen Cerazur-Keramik kommen auch andere Keramikwerkstoffe in Frage, wenn Komponenten für die automatisierte Prüftechnik zu konstruieren sind. Dabei entscheidet der Einsatzfall bzw. das gewünschte Eigenschaftsprofil. Die Positionier- und Aufnahmestifte sowie Leiterplattenaufnahmen und Greifer werden in der Tat meistens aus der blauen Hochleistungskeramik auf Zirkonoxid-Basis gefertigt. Als Alternativen steht unter anderem das Aluminiumoxid Doceram A-132 zur Verfügung, das sich aufgrund seiner hohen Temperaturbeständigkeit auch für die Herstellung von Leiterplattenaufnahmen in Lötöfen eignet. Eine weitere Alternative ist Doceram Z1000 auf Zirkonoxid-Basis, das weniger biegefest ist als Cerazur, aber nochmals härter.
Kosten: Die Lebenszyklusbetrachtung zählt
Das Unternehmen bietet dem Anwender Unterstützung beim Engineering an. Zum Beispiel ist die Konstruktion des Steckers anhand des Gegenstücks (Dose) möglich. Auch kleinste Geometrien sind realisierbar, da die Wandstärke bis auf 0,3 mm reduziert werden kann. In der Regel kommen Verbundkonstruktionen aus Keramik, Metall und Kunststoff zum Einsatz. Prinzipiell werden die Prüfstecker kundenspezifisch konstruiert, aber aufgrund der umfassenden Erfahrungen mit unterschiedlichsten Designs erfolgt diese Konstruktion innerhalb kurzer Zeit und mit hoher Sicherheit, dass die Stecker im Betrieb alle gewünschten Funktionen erfüllen.
Abschließend ein Wort zu den Kosten und zur Wirtschaftlichkeit: Da die Bearbeitung von Keramik produktionstechnisch größeren Aufwand erfordert als die Kunststoff- und Metallverarbeitung, sind die Kosten der Stecker höher. Die Lebenszykluskosten sind jedoch deutlich niedriger, da die Stecker über die gesamte Produktionszeit eines Bauelementes halten – auch bei Stückzahlen von mehreren Millionen. Aus diesem Grund setzen namhafte Autohersteller sowie „Tier 1“-Zulieferer von elektronischen Steuerungen die hier beschriebenen Prüfstecker und Prüfstecker-Baugruppen ein.