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Auf die Konsistenz kommt es an

Verarbeitung und Lagerung dispensfähiger Lotpaste
Auf die Konsistenz kommt es an

Die Konsistenz dispensfähiger Lotpaste hat einen großen Einfluss auf die Qualität von Lötstellen und damit auf die Fertigungs-Ausbeute. Sie hängt unter anderem von der Temperatur ab, die bei der Verarbeitung und Lagerung der Paste eine große Rolle spielt.

Helmut Pawelka, Speedline Technologies, Dreieich

Dispensfähige Lotpasten sind in den meisten Fällen geringfügig in der Rezeptur abgewandelte druckbare Lotpasten. Während diese Flussmittel hoher Viskosität enthalten und meist einen Metallgehalt zwischen 89,5 und 91% aufweisen, enthalten dosierbare Pasten üblicherweise ein Flussmittel mit einer etwas geringeren Viskosität und besitzen einen Metallgehalt zwischen 85 und 89%.
Wie alle Flussmittelsysteme bestehen auch die der dispensfähigen Lotpasten aus einem in Lösemittel gelösten Kolophoniumharz, diversen Aktivatoren und Säuren, die die Lötstelle vorbehandeln (Entfernen von Oxydschichten, organischen Passivatoren etc.) und die Lotkugeln vor Oxidation schützen. Da die Bestandteile selbst jedoch meist organisch sind, hat Lotpaste, wie auch alle anderen organischen Verbindungen, nur eine sehr begrenzte Lebensdauer. Außerdem tendieren einige Inhaltsstoffe dazu, innerhalb der Paste Verbindungen mit anderen Bestandteilen einzugehen, die beispielsweise zur Änderung des pH-Wertes führen können. Der leicht saure Charakter eines Flussmittels ist jedoch ausschlaggebend für eine gute Verbindung oder Vermittlung der unterschiedlichen Metalle einer Lötstelle. Werden nämlich Oxyd-, Passivierungs- oder Schmutzschichten einer Lötstelle nicht zuverlässig entfernt, kommt es unweigerlich zu mangelhaften intermetallischen Verbindungen oder Legierungen. Die Lötstellen sind dann in der Regel sehr unzuverlässig. Zwar konnte früher durch Zusatz von Halogenen wie Chlor, Fluor oder Brom eine sehr gute Verbindung auch ‘artfremder’ Metalle und Metalllegierungen geschaffen werden, als man jedoch erkannte, dass nicht umgesetzte Halogene die Lötverbindung zusätzlich belasten können, ging der Trend zu halogenfreien Flussmitteln und Pasten. Heute werden zwar größtenteils immer noch Halogene in Pasten verarbeitet, diese haben jedoch eine andere Struktur und sind meist so instabil, dass sie sich schon vor dem Aufschmelzen der Metalle verflüchtigen. Desweiteren ist ihr Anteil üblicherweise sehr gering. Ganz verzichten kann man auf Halogene jedoch wegen der internen Pastenstabilität meist nicht.
Flussmittel in Lotpasten sind aus physikalischer Sicht Trägersubstanzen der Legierungspartikel (Lotkugeln). Neben dem chemischen Zweck erfüllen sie außerdem eine nicht minder wichtige physikalische Aufgabe: sie müssen die Homogenität garantieren, d.h. sie müssen die gleichmäßige Konsistenz der Lotpaste sicherstellen. Das ist allerdings kein leichtes Unterfangen, weil das Flussmittel eine Dichte zwischen 0,88 und 0,98 g/cm³ hat, die der Lotkugeln beträgt jedoch bis zu 8,6 g/cm³. Somit muss das Flussmittel fast das zehnfache seines eigenen spezifischen Gewichts binden. Ferner muss es rakelbar sein, Strukturen füllen können und auch nach dem Verarbeiten konturstabil bleiben. Dispensfähige Lotpasten müssen sich außerdem zuverlässig durch Kanülen pressen lassen. Somit kommen dem Flussmittel neben zahlreichen chemischen und physikalischen auch noch technische und oft ästhetische Aufgaben zu.
Das Verhältnis zwischen Flussmittel und Metall liegt in der Regel zwischen 11:89 und 15:85. Bemerkenswert hierbei ist, dass der volumetrische Anteil des Flussmittels an der Paste bei etwa 50% liegt. Dies bedeutet, dass nach dem Aufschmelzen der Lotkugeln nur noch etwa die Hälfte des ursprünglich dispensten Volumens übrig bleibt. Daher wird oft ein zu kleines Lotdepot aufgetragen, da der Anschein entsteht, dass die dosierte Menge ausreichend ist. Auch wird argumentiert, dass bei höherer Dosierung beim Aufschmelzen zuviel Flussmittel ausläuft. Deshalb sollte ein ausgewogenes Mischungsverhältnis zwischen Flussmittel und Metall in der Praxis ermittelt werden.
Die gängigsten, dispensfähigen Lotpasten enthalten Partikel- oder Korngrößen zwischen 25 und 75 µm. Diese gewährleisten ein gutes Löten, gutes Auslaufverhalten und eine gute Verarbeitbarkeit. Außerdem ist bei ihnen die Gefahr der Lotperlenbildung sehr gering. Weitere gängige Größen sind: 25 bis 45 µm und 36 bis 45 µm. Allerdings ist es manchmal unumgänglich, Lotpaste für Bauelemente mit Rastermaßen von 0,65 oder 0,5 mm zu dispensen. Eine Standardpaste mit Korngrößen von 25 bis 75 mm ist bei solchen Anwendungen jedoch häufig überfordert (siehe Verarbeitung). Daher werden sogenannte Fine-Pitch-Pasten angeboten, die meist aus 13 bis 15% Flussmittel und 85 bis 87% Metall bestehen. Ihre Korngröße liegt zwischen 12 und 36 mm. Diese Pasten bergen jedoch gravierende Nachteile, wie folgendes Beispiel zeigt.
Angenommen, eine Fine-Pitch-Paste mit 85% Metall und 15% Flussmittel (= 55% Volumen) sowie einer Korngröße von 12 bis 32 mm soll auf den Anschlusspads eines QFP-Gehäuses mit 256 Anschlüssen und einem Rastermaß von 0,4 mm dispenst werden. Dafür wird eine Dosiernadel mit 0,2 mm Durchmesser gewählt und die Dosierzeit so eingestellt, dass sich ein Lotdurchmesser von 0,20 bis 0,25 mm ergibt. Wird jedes Anschlusspad mit zwei Dispenspunkten versehen, dauert der Dosiervorgang pro Bauteil unter diesen Bedingungen etwa zwei Minuten. Schaut man sich nach dem Bestücken und Löten die Lötstellen dieser Bauelemente unter dem Mikroskop an, erkennt man zwischen den Anschlüssen kleine Lotkugeln, die Lötstelle selbst besteht aus sehr wenig Lötzinn und der Flussmittelauslauf ist sehr groß. Das liegt daran, dass der Bestückungsautomat das Bauteil mit ca. 100 bis 200 g platziert hat. Die dispensten Pastenpunkte mit ihren ursprünglichen Durchmessern von durchschnittlich 0,23 mm haben hierbei etwa 50% an Fläche gewonnen und entsprechend an Höhe verloren. Ihr Durchmesser beträgt nun etwa 0,35 mm. Wurden die Pastenpunkte versetzt programmiert, scheint zunächst noch alles in Ordnung zu sein, obwohl ein Teil der Paste nun über das eigentliche Lötpad hinausragt. Wurden die Punkte jedoch in einer Reihe gesetzt, berühren sie sich bereits. Bei den gewählten Korngrößen muss dies jedoch nicht unbedingt zu Kurzschlüssen führen. Fährt die Baugruppe nun nach dem Dosieren in den Ofen ein, hat die Lötstelle nach einem Meter schon eine Temperatur von etwa 60 °C erreicht und die ersten, leicht flüchtigen Lösemittel verdunsten bereits. Bei etwa 75 °C ist schon ein Großteil des Lösemittels verdampft und das Kolophoniumharz beginnt zu schmelzen. Während der darauf folgenden 30 bis 50 cm nimmt das Kolophonium rasch Energie auf und schmilzt nun mit Hilfe der langkettigen, organischen Lösemittel fast schlagartig. Dabei wird es von den Metallkügelchen unterstützt, die weitaus schneller und besser Wärme aufnehmen und abgeben können. In diesem Temperaturbereich sind die Lotkugeln noch weit vom Sintervorgang entfernt, das Kolophonium ist jedoch schon flüssig. Es läuft nach allen Seiten aus und zieht den metallischen Feinkornanteil unkontrolliert mit sich. Dieser kann Depots zwischen den Anschlussbeinen eines ICs und später auch eine einzelne, große Lotperle bilden. Da dieser Feinkornanteil eine größere Oberfläche als die anderen Lotkugeln hat, oxidiert er entsprechend schneller. Das führt dazu, dass die Lotkugeln sich nicht mehr miteinander verbinden können und häufig als schwarzes Pulver zwischen den Lötpads liegen bleiben. Auch wenn diese Kugeln oft keine Brücke bilden, bleiben sie doch ein Risikofaktor für Kriechströme, Frequenzen etc., da sie sich nicht so gut entfernen lassen wie eine einzelne, große Lotperle. Dies kann beispielsweise die Reparatur von µBGAs erschweren oder gar unmöglich machen. Deshalb ist eine Fine-Pitch-Dispenslotpaste generell mit Vorsicht zu genießen.
Verarbeitung von Lotpasten
Sauberkeit ist beim Dispensen von Lotpaste oberstes Gebot, im Dispensventil und in den Zuführungen dürfen sich keine Partikel oder Reste alter beziehungsweise anderer Pasten befinden. Grundsätzlich sollten vor der Installation der ersten Kartusche nach einem Produktionsstillstand alle materialführenden Teile wie Kartuschenhalterungen, Zuführschläuche/-kanäle, Verdrängersysteme und Nadeln gründlich gereinigt werden. Reste alter oder anderer Pasten, insbesondere Kleber, müssen unbedingt entfernt werden. Dies gilt na-türlich nicht für den unverzüglichen Wechsel von Kartuschen mit gleichem Inhalt während des Produktionszyklusses.
Ist das System sauber und partikelfrei, muss als Nächstes eine passende Dosiernadel ausgewählt werden. Dafür hat sich inTests und Produktionsstudien eine allgemein gültige Formel ergeben. Als Beispiel soll dazu die verwendete Lotpaste unter dem Aspekt der Korngröße betrachtet werden. Befindet sich in der verwendeten Paste beispielsweise Lotpulver mit einer Fraktion von 25 bis 45 µm, nimmt man den größten Kugeldurchmesser (in diesem Fall 45 µm) und multipliziert ihn mit dem Faktor „7“. So erhält man den kleinsten verwendbaren Nadelinnendurchmesser. In diesem Beispiel ergibt sich rechnerisch ein Durchmesser von 315 mm, in der Praxis wären 0,3 mm zu wählen. Ist die eingesetzte Paste homogen und wurde die Kühlkette nicht unterbrochen, können somit zuverlässige und reproduzierbare Ergebnisse erzielt werden.
Inhomogenitäten der Paste äußern sich meist in sogenannten Kaltverschweißungen über der Dosiernadel. In diesem Fall hat sich das Flussmittel separiert und der Metallgehalt der Paste ist stellenweise angestiegen. Das kann das ordnungsgemäße Dosieren gefährden, denn selbst stecknadelkopfgroße Bereiche mit Metallgehalten von über 90 % können zu einer Blockade über oder schlimmstenfalls in der Nadel führen. Die sehr weichen Lotkügelchen werden dann mechanisch zusammengepresst und sintern beziehungsweise verschmelzen miteinander ohne Wärmeeinfluss. Dies kann auch geschehen, wenn der gewählte Nadelinnendurchmesser zu klein gewählt wurde. In diesem Fall lässt sich während des Dispensens ein für den Pastenauftrag dramatischer Effekt beobachten: Die dosierten Pastenpunkte werden zunehmend heller und enthalten immer weniger Lotkugeln, bis schließlich kurz vor der Kaltverschweißung nur noch Flussmittel aufgebracht wird. An diesem Punkt ist die Nadel schon verstopft und die Lotkugeln über der Nadel wirken wie ein Filter, der nur noch Flussmittel durchlässt. Hierbei fördert die Mechanik oder Pneumatik mehr Paste als durch die Nadel entweichen kann. Für solche Fälle werden spezielle mechanische Fördermechanismen, sogenannte positive Displacements, angeboten. Sie sind überaus stabil und bieten reproduzierbare Ergebnisse, andererseits sind sie aber auch extrem kraftvolle Dosiermechaniken, die unabhängig von der Viskosität agieren können. Diese Systeme „verzeihen“ geringe Schwankungen in der Viskosität, der Homogenität oder im Metallgehalt. Ist jedoch ein gewisser Schwellenwert, der von Paste zu Paste unterschiedlich ist, überschritten, gibt es unweigerlich Kaltverschweißungen.
Inhomogenitäten innerhalb der Kartusche selbst sind nicht mehr zu beseitigen. Wur-de eine Lotpastenkartusche falsch gelagert, halb leer nach einem Schichtzyklus in der Maschine belassen oder in den Kühlschrank zurückgelegt, sind Separationen innerhalb der Kartusche vorprogrammiert. Wenn dispensfähige Lotpaste länger als zwei bis drei Stunden bei Raumtemperatur gelagert wurde oder sich in der Maschine befand, macht es keinen Sinn mehr, die Kartusche zurück in den Kühlschrank zu legen, um am nächsten Tag mit ihr weiter zu produzieren. Durch das mehrmalige Temperieren ist die Paste nicht mehr homogen und kann zu Ausfällen des Prozesses führen, insbesondere wenn mit dem kleinstmöglichen Nadelinnendurchmesser gearbeitet wird.
Beim Neubefüllen des Dispenssystems sollte, nachdem die Kartusche aus dem Kühlschrank entnommen und maximal eine Stunde temperiert wurde, vor der Installation etwas Paste aus der Kartusche herausgedrückt werden, da sich im Entleerungskanal an der Kartuschenspitze manchmal eine geringe Menge Flussmittel separieren kann. Dies geschieht, weil das gesamte Materialgewicht während der Lagerung auf die Kartuschenspitze drückt. Meist reicht ein kurzer Strang von 1 bis 3 cm aus, um das Flussmittel zu verdrängen. Beim Kartuschenwechsel während der Produktion verhindert dieser Schritt das Einschließen von Luft oder überschüssigem Flussmittel.
Transport & Lagerung
Weil Lotpaste homogen sein muss, wird sie direkt nach der Herstellung gekühlt gelagert. Die niedrige Temperatur lässt die Viskosität des Flussmittels ansteigen und unterstützt somit die Stabilität der Paste erheblich. Deshalb sollte die Kühlkette von der Herstellung bis zur Verarbeitung der Paste nie unterbrochen werden. Als ideale Lagerbedingungen haben sich dabei Temperaturen von 6 bis 12 °C herausgestellt. Vom Einfrieren der Paste sollte man absehen, da beim Auftauen das Kolophonium auskristallisieren könnte. Auch der Transport sollte unter gekühlten Bedingungen erfolgen. Mit Skepsis zu betrachten ist die Aussage, eine Paste bräuchte nicht gekühlt zu werden oder der gekühlte Transport sei nicht von Nöten. Generell sind alle Flussmittelsysteme temperaturempfindlich.
Es genügt, wenn eine Standardkartusche mit 10 oder 30 ml dispensfähiger Lotpaste etwa 30 Minuten bis eine Stunde vor Gebrauch aus dem Kühlschrank genommen wird. Keinesfalls sollte sie schon eine Schicht oder gar einen Tag vorher temperiert werden, denn der Separationseffekt beginnt, sobald die Paste längere Zeit Temperaturen über 15 °C ausgesetzt ist. Zum Temperieren der Paste sollte sie nach Möglichkeit senkrecht frei stehen und niemals auf eine Heizung oder eine Maschine gelegt werden. Separierte Paste lässt sich an den unterschiedlichen Färbungen innerhalb der Kartusche recht gut erkennen. Separiertes Flussmittel ist meist gelblich transparent und lässt sich gut vom Dunkelgrau der Lotkugeln unterscheiden. Oftmals ist auch der Unterschied in der Paste selbst zu sehen.
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