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Ein neues Verfahren zur In-Circuit-Kontaktierung von Hochgeschwindigkeitsbaugruppen (Teil 2)

Kenneth P. Parker und Andreas Schwedhlem, Agilent Technologies, Böblingen
Ein neues Verfahren zur In-Circuit-Kontaktierung von Hochgeschwindigkeitsbaugruppen (Teil 2)

Der In-Circuit-Test (ICT) zählt schon jahrzehntelang zu den bewährten Prüfmethoden. Höhere Integrationsdichten und mangelnder Prüfnadelzugriff konnten zum Teil durch Verfahren wie Boundary Scan kompensiert werden. In vielen Fällen kann aber nicht auf einen elektrischen ICT verzichtet werden. Der folgende zweite Teil des Artikels beschreibt die Methode mit Test-Lotperlen, damit auch künftig eine hohe Prüfabdeckung im ICT erreicht werden kann.

Welchen Einfluss hat eine Test-Lotperle bei hohen Frequenzen auf die Wellenleitereigenschaften der Leiterbahnen? Wir wollen diese Frage am Beispiel eines unsymmetrischen Wellenleiters untersuchen.

Theorie
Betrachten wir ein Design mit einem Wellenwiderstand von 80 Ohm. Die Leiterbahnbreite beträgt 8 mil, die Höhe über der Masseebene 12 mil und die Leiterbahndicke 1,4 mil. Ein solcher Wellenleiter hat eine Kapazität von 1,75 pF/in und eine Signallaufzeit von 141 ps/in. Betrachten wir nun eine 15 mil lange Test-Lotperle, die sich in der Mitte einer 1 Zoll langen Leiterbahn befindet. Die Lotperle verändert durch ihre Höhe die effektive Leiterbahndicke. Um die Analyse zu vereinfachen, nehmen wir einmal an, die Höhe der Lotperle sei über deren gesamte Länge konstant. (In Wirklichkeit fällt sie an beiden Enden ein wenig ab). Die Tabelle zeigt den Wellenwiderstand, die Kapazität, die Induktivität und die Signallaufzeit des Differenzialpaares in Abhängigkeit von der Höhe der Lotperle. Die Einflüsse der Lotperle auf diese Parameter lassen sich auf verschiedene Weise modellieren. So kann man beispielsweise den Wellenleiter in Segmente mit einer Länge von jeweils 15 mil unterteilen, und auf jedes dieser Segmente das LC-Modell anwenden; hierfür verwendet man die Zahlen aus der ersten Tabellenspalte, normiert auf 15-mil-Segmente. Dann ersetzt man die LC-Werte des mittleren Segments durch die jeweiligen Werte für die gegebene Lotperlenhöhe. Anschließend simuliert man mit einem Wellenleitersimulator die Auswirkungen der „veränderten anormalen“ L- und C-Werte. Alternativ könnte man den Wellenleiter auf beiden Seiten der Lotperle als „normal” betrachten, und die Lotperle einfach als eine aus konzentrierten Elementen bestehende kapazitive Last in der Mitte des Wellenleiters (siehe [JoGr93]). Als Kapazitätswert des modellierten Kondensators müsste die Differenz aus der in der Tabelle angegebenen Kapazität und der „normalen” Kapazität (bei Lotperlenhöhe 0) eingesetzt werden, und dieser Wert müsste auf die Länge von 15 mil normiert (d.h. mit dem Faktor 0,015 multipliziert) werden, da die Tabellenwerte in der Maßeinheit pF/in angegeben sind. Die für die Simulation zu verwendenden konzentrierten Kapazitätswerte wären demnach 6,1 fF, 7,7 fF bzw. 9,1 fF für eine Lotperlenhöhe von 4, 5 und 6 mil.
Überprüfung der Theorie anhand von Messungen
Nichts eignet sich besser zur Überprüfung einer Theorie als reale Messungen an realen Strukturen. Bei Leiterplatten gibt es außer Lotperlen noch eine Vielzahl von Effekten, die das HF-Verhalten beeinflussen. Einige davon sind so ausgeprägt, dass sie die Auswirkungen von Lotperlen maskieren. Deshalb haben wir mit Hilfe von Messungen untersucht, welches der möglichen theoretischen Modelle für Lotperlen unter diesen Umständen das beste ist.
Messaufbau: Es wurde eine Leiterplatte mit definiertem Wellenwiderstand angefertigt, die spezielle Strukturen enthielt, anhand derer das Hochfrequenzverhalten von Test-Lotperlen analysiert werden sollte. Diese Strukturen waren für zwei Gruppen von insgesamt vier Messungen ausgelegt. Die erste Gruppe bestand aus 5-mil-Leiterbahnen. Die zweite Gruppe bestand aus 18-mil-Leiterbahnen. Beide waren für einen Wellenwiderstand von 50 Ohm mit einer Toleranz von 10% dimensioniert. Innerhalb jeder der beiden Gruppen gab es zwei Untergruppen von Strukturen, die für jeweils unterschiedliche Arten des Testzugriffs ausgelegt waren. Auf die erste Untergruppe (der „Steckverbinder-Untergruppe”) wurde über Mikrowellensteckverbinder des Typs Rosenberger 32K243–40ME3 zugegriffen. Auf die zweite Untergruppe („Prüfnadel”) wurde über speziell geformte Leiterplattentestpunkte zugegriffen. In allen Fällen wurden Referenzmessungen an „idealen” Leiterbahnen durchgeführt. Dadurch war es möglich, die Auswirkungen der Zugriffstechnologien auf die Signalqualität zu bestimmen.
Die Untergruppen „Steckverbinder” (innerhalb der 5-mil-Gruppe und der 18-mil-Gruppe) enthielten jeweils eine „ideale” unsymmetrische Leiterbahn mit einer Länge von 3 Zoll als Referenz. Weiterhin enthielt die Leiterplatte eine 3 Zoll lange Leiterbahn mit einem herkömmlichen 35-mil-Testpunkt in der Mitte. Dadurch war es möglich, die Auswirkungen eines Standardtestpunkts auf den Wellenwiderstand zu messen. Weiterhin enthielt die Leiterplatte eine 3 Zoll lange Leiterbahn mit drei Test-Lotperlen in der Mitte; die Lotperlen hatten einen Abstand von jeweils 3,5 mil. Die Abmessungen der Lotperlen waren: L = 20, W = 7,5 und D = 13 bei der 5-mil-Leiterbahn bzw. L = 22,5, W = 5 und D = 13 bei der 18-mil-Leiterbahn. Um die 5-mil-Leiterbahn herum ergab sich dadurch eine schmale „Rinne”. Bei der 18-mil-Leiterbahn war die Leiterbahnbreite wesentlich größer als die Breite der (mittig auf der Leiterbahn platzierten) Lotperle. Die 5-mil-Untergruppe (und nur diese) enthielt zusätzlich zwei Differenzialpaare, ein ideales ohne Testpunkt oder Lotperle, und eines mit drei Lotperlen auf jeder der beiden Leiterbahnen, in der Mitte der 3 Zoll langen Strecke angeordnet und mit einem gegenseitigen Abstand von jeweils 100 mil. Die Differenzialpaare mussten wegen der Steckverbinder an den Enden um jeweils 1 Zoll aufgespreizt werden. Es war von vornherein klar, dass dies einen unvermeidlichen Impedanzsprung verursachen würde.
Wir haben deshalb drei Lotperlen „in Serie” vorgesehen, weil erste Simulationen ergeben hatten, dass die Auswirkungen einer einzelnen Lotperle nur schwer zu messen sein würden. Die Simulationsergebnisse deuteten darauf hin, dass mindestens drei nahe benachbarte Lotperlen erforderlich sein würden, um einen messbaren Effekt hervorzurufen. Alle Leiterbahnen innerhalb der Untergruppe „Steckverbinder” hatten eine Länge von jeweils 3 Zoll.
Innerhalb der Untergruppe „Testpunkte” variierten wir die Längen der Leiterbahnen und die Anzahl der Lotperlen. Diese Untergruppe enthielt eine ideale Leiterbahn (ohne Testpunkte), eine Leiterbahn mit einem Standard-35-mil-Testpunkt und eine Leiterbahn mit drei Lotperlen; alle diese Leiterbahnen hatten eine Länge von 3 Zoll. Diese konnten mit den Leiterbahnen innerhalb der Gruppe „Steckverbinder” verglichen werden, um so die durch den Testzugriff verursachten Impedanzsprünge erkennbar zu machen. Für ähnliche Vergleiche wurden auch zwei jeweils 3 Zoll lange Differenzialpaare angelegt, ein ideales und eines mit drei Lotperlen pro Leiterbahn. Des Weiteren wurden Leiterbahnen mit in der Mitte angeordneten Lotperlen-Tripeln und Längen von 1, 2, 4 und 5 Zoll angelegt. Wir erwarteten, dass die Lotperlen bei den kürzeren Leiterbahnen die stärksten Auswirkungen zeigen würden, während sie bei den längeren Leiterbahnen durch deren stärkere Dämpfung maskiert werden könnten. Schließlich legten wir noch einige zusätzliche 3-Zoll-Leiterbahnen mit 1, 5, 7 und 9 Lotperlen an (mittig platziert, 3,5 mil Abstand). Für den Fall, dass – wie nach den Simulationsergebnissen zu erwarten war – eine einzelne Lotperle (oder gar deren drei) keinen messbaren Effekt haben sollte, würden diese Leiterbahnen es ermöglichen, die akkumulierten Auswirkungen mehrerer Lotperlen zu messen. (In der Praxis wird man nur selten mehr als eine Lotperle pro Leiterbahn benötigen).
Die Messungen wurden mit einem Vektornetzwerkanalysator (VNA) Agilent E-8362B unter Verwendung eines 40 GHz Tastkopf über den Frequenzbereich von 10 MHz bis 20 GHz durchgeführt. Sie wurden zur Verifikation und Optimierung von Modellen für den Agilent EEsof Advanced Design Simulator (http://eesof.tm.agilent.com/docs/) verwendet. Insgesamt wurden vier solcher Leiterplatten hergestellt, und zwar in einem OSP (Organic Surface Protected)-Prozess ohne Reinigung. Zwei davon wurden mit herkömmlichem Zinn/Blei-Lot gelötet, die beiden anderen mit bleifreiem Lot (Sn95.5%/Ag3.9%/Cu0.6%). Die Integrität der Lotperlen wurde visuell überprüft.
Messergebnisse: Die visuelle Überprüfung der Lotperlen ergab, dass diese bei den 18-mil-Leiterbahnen (auf Seite 1 der Leiterplatte) exakt die gewünschte Form hatten. Auf der Seite 2 der Leiterplatte war jedoch die Lotpastenschablone nicht genau genug positioniert3 gewesen. In Verbindung mit der etwas verminderten Lot-Affinität des OSP-beschichteten Kupfers hatte das zur Folge, dass sämtliche Lotperlen auf den 5-mil-Leiterbahnen in der gleichen Weise verformt waren. Diese Lotperlen, die eigentlich eine Länge von 20 mil haben sollten, waren in Wirklichkeit nur etwa zwei Drittel so lang (Bild 1) und dadurch höher als erwartet. Sie hatten zwar immer noch eine ähnliche Form, bildeten aber eine steilere Halbellipse als erwartet. Wir führten die Hochfrequenzmessungen dennoch auch an diesen Leiterbahnen durch. Wir erwarteten, dass diese Lotperlen sich weniger stark auf das HF-Verhalten der Wellenleiter auswirken würden als “normale” Lotperlen. Die Messungen ergaben erkennbare Unterschiede zwischen dem Verhalten der idealen Leiterbahnen (ohne Testpunkte) und dem der Leiterbahnen mit Standard 35-mil-Messpunkten. Bild 2 zeigt Zeitbereich-Reflektometer- (TDR, Time Domain Reflectometer) Messkurven für eine ideale Leiterbahn mit 5 mil Breite und 3 Zoll Länge, und für eine ansonsten gleiche Leiterbahn mit einem 35-mil-Testpunkt in der Mitte. Die Leiterbahnen haben eine Nennimpedanz von etwa 44 Ohm. Durch die abweichende Nennimpedanz des Vektornetzwerkanalysators ergibt sich am Anfang und am Ende der Leiterbahn je ein „systematischer” Impedanzsprung, der in beiden Messkurven zu sehen ist. Die Messkurve für die ideale Leiterbahn bleibt über die gesamte Länge der Leiterbahn nahezu konstant bei etwa 44 Ohm; dagegen zeigt die Messkurve für die Leiterbahn mit Messpunkt in der Mitte einen Einbruch bis auf etwa 35 Ohm.
Das Softwarepaket Agilent EEsof ADS ist in der Lage, VNA-Messdaten in Augendiagramme umzurechnen. Bild 3 zeigt das Augendiagramm einer idealen Leiterbahn, während beim Augendiagramm für eine ähnliche Leiterbahn mit 35-mil-Testpunkt in der Mitte dieser Reflexionen verursacht, durch die sich die Augenöffnung verringert. Das Signal ist zwar noch detektierbar, doch müsste ein Entwickler die testpunktbedingte Signalverschlechterung im „Signalfehlerbudget” berücksichtigen.
Betrachten wir als nächstes die Messkurven mit Lotperlen. Da wir erwarteten, dass die Auswirkungen einer einzigen Lotperle nicht messbar sein würden, analysierten wir die Leiterbahnen mit mehreren Lotperlen. Die TDR-Messkurven einer idealen Leiterbahn, einer Leiterbahn mit einem 35-mil-Testpunkt und einer Leiterbahn mit neun Lotperlen wurden verglichen. Die Messkurve zeigt in gedehnter Darstellung den Bereich, in dem der Testpunkt und die Lotperlen liegen. Aus den Messkurven ist ersichtlich, dass die neun Lotperlen so gut wie keine Auswirkungen auf das HF-Verhalten der Leiterbahn haben – sie verursachen lediglich einen Impedanzabfall von etwa 1 Ohm über eine Zeitspanne von etwa 150 ps. Dieser Effekt liegt in der Größenordnung „ganz normaler” Impedanzschwankungen, und wäre in der Praxis nicht erkennbar.
Bild 4 zeigt das Augendiagramm für 18-mil-Leiterbahnen mit jeweils neun mittig platzierten Lotperlen (Breite = 28% der Leiterbahnbreite). Wie man erkennt, sind die Auswirkungen der Lotperlen im Frequenzbereich bis 20 GHz praktisch nicht messbar. Es ist anzunehmen, dass normale Prozessschwankungen die Einflüsse der Lotperlen völlig überdecken. Aus den bisher extrahierten Daten konnte man ableiten, dass sich eine Lotperle recht genau durch eine konzentrierte Kapazität von etwa 10 fF innerhalb eines ansonsten idealen Wellenleiters modellieren lässt – was auch mit der Theorie übereinstimmt. Eine derart winzige Kapazität werden die meisten Designer wohl als „vernachlässigbar klein” betrachten. Im Vergleich dazu wird eine Durchkontaktierung oft als eine Kapazität von 100 fF modelliert; das ist das Zehnfache einer 5 x 20 mil großen Lotperle. Bei kürzeren 5-mil-Leiterbahnen wirken sich drei Lotperlen stärker aus, als bei längeren. Signifikante Auswirkungen von Lotperlen sind nur bei sehr kurzen Leiterbahnen zu erwarten. Längere Leiterbahnen verursachen eine zu hohen Frequenzen hin ansteigende Signaldämpfung. Das bedeutet, dass bei den Frequenzen, bei denen Lotperlen erste Auswirkungen zeigen, schon die Länge der Leiterbahn das Signal signifikant beeinflusst. Anhand der zur Validierung von ADS-Modellen verwendeten VNA-Messdaten simulierten wir die Auswirkungen einer Lotperle auf eine Leiterbahn mit einer Länge von nur 0,2 Zoll. Das Augendiagramm in Bild 5 enthält sowohl die Messkurve für die ideale Leiterbahn als auch für die mit der Lotperle. Selbst bei höheren Datenraten sind die Messkurven so gut wie identisch.
Fazit
Test-Lotperlen ermöglichen nahezu rückwirkungsfreie In-Circuit-Tests an Gigabit-Signalen. Sie lassen sich leicht unter Verwendung der ohnehin bereits vorhandenen Lötstoppmasken und Lotpastenschablonen herstellen, und erfordern keine zusätzlichen Prozessschritte. Auch in den Design-Prozess lassen sich Test-Lotperlen auf einfache Weise einbinden; hierzu brauchen nur Bibliotheksmodelle für verschiedene Lotperlenbreiten, -längen und -höhen erstellt werden.
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