Das Büro ist der Heiratsmarkt Nummer eins – ob am Kopierer oder in der Kantine, es sind schon manche Paare zusammengekommen. Aber wenn wie jetzt im Frühjahr wieder munter im Betrieb geflirtet wird, muss dies nicht immer auf Gegenliebe stoßen. Nämlich dann, wenn Vorgesetzte zudringlich werden und Untergebene sich belästigt fühlen. Schreitet der Chef dann nicht ein, können Opfer die Arbeit mittlerweile sogar ruhen lassen und Schadensersatz fordern.
Schon 1994 sah der Gesetzgeber die Notwendigkeit, Arbeitnehmer im Betrieb vor Übergriffen zu schützen. Es trat das Beschäftigtenschutzgesetz in Kraft, das im August 2006 durch das noch strengere Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) abgelöst wurde. Das Gesetz soll Vorgaben der EU zur Antidiskriminierung umzusetzen. Als verbotene Benachteiligung gilt auch eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.
Was genau darunter fällt, hat der Gesetzgeber im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, Paragraph 3, Absatz 4, ziemlich weit gefasst: Das sind unerwünschte sexuelle Handlungen, unerwünschte Aufforderungen zu sexuellen Handlungen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie das unerwünschte Zeigen und sichtbare Anbringen von pornographischen Darstellungen.
So kann bereits ein Kommentar zum Brustumfang einer Kollegin oder ein aufreizendes Nacktfoto am Kleiderschrank unzulässig sein, „wobei allerdings hinzukommen muss, dass dadurch im Einzelfall die Würde einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers verletzt wurde“, sagt Hildegard Gahlen, Professorin und Fachanwältin für Arbeitsrecht in Essen. Dabei sind die Umstände des Arbeitsplatzes zu berücksichtigen. Fühlt sich ein Arbeitnehmer durch Kollegen sexuell belästigt, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, dagegen einzuschreiten. Das AGG gibt ihm dabei großen Handlungsspielraum, von der Abmahnung über Umsetzung oder Versetzung bis hin zur Kündigung. Schon nach alter Rechtslage wurde zum Beispiel die fristlose Kündigung eines Mitarbeiters gerichtlich bestätigt, der einer Auszubildenden immer wieder anzügliche Handy-Kurzmitteilungen geschickt und sie zum Sex aufgefordert hatte. Ein anderer Mann durfte fristlos entlassen werden, weil er unter anderem einer Kollegin angeboten hatte, von ihr Nacktfotos zu machen, so ein Urteil des Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein.
Schafft es der Arbeitgeber nicht, dass die Belästigungen aufhören, so kann das Opfer nicht nur die Arbeit verweigern, und zwar ohne Verlust des Arbeitsentgelts, so heißt es in Paragraph14 des AGG. Bleibt eine genervte Mitarbeiterin wegen ständiger Grabschereien zu Hause, muss der Arbeitgeber das Gehalt weiterzahlen. Dem Opfer steht darüber hinaus eine angemessene Entschädigung in Geld zu, eine Art Schmerzensgeld (Paragraph15 AGG). Über die Höhe ist noch keine Rechtsprechung bekannt.
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