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Bildverarbeitung ermöglicht innovative Lösung

Automatische Bauteilplatzierung beim SMT-Rework
Bildverarbeitung ermöglicht innovative Lösung

In einigen Bereichen der Elektronikfertigung führte das Rework – die Reparatur elektronischer Baugruppen – über lange Jahre ein Schattendasein. Es war lange Zeit schwer einzusehen, dass die Nullfehlerproduktion eine nicht vollständig erreichbare Vision ist. Diejenigen, die sich bei der Herstellung von Baugruppen mit den Problemen des Alltags auskennen, wissen, dass Herstellungsfehler nie ganz vermeidbar sein werden. Bei der Reparatur geht es darum, fehlerhafte Baugruppen für die Wertschöpfung zu sichern. So wurde an vielen Stellen Reparatur betrieben, ohne dass immer transparent war, wie diese im Detail ausgeführt wurde und wie hoch die Qualität der Reparatur einzuschätzen ist.

Jörg Nolte, Produktmanager Lötwerkzeuge, Rework- und Inspektionssysteme, Ersa GmbH, Wertheim

Seitdem der SMT Prozess in der Fertigung hoch standardisiert ist, haben einige Fertigungsfachleute begonnen, auch die nebengelagerten Prozesse, wie Nacharbeit und Reparatur näher zu untersuchen. Weil zugleich vermehrt Bauteile mit verdeckten Lötanschlüssen (BGA, MLF) verwendet werden, haben die Rework Aktivitäten der produzierenden Industrie einen ebenso unerwarteten Schub erfahren, wie diejenigen Unternehmen, die fehlerhafte Baugruppen aus dem Feld reparieren. Ein weiterer Treiber für diese Entwicklung war die Einführung bleifreier Lote in Europa in 2006. Ehemals einfach zu bewältigende Reparaturaufgaben wurden wegen geringerer Prozessfenster und neuer Materialien für einige zu einem unlösbaren Problem. Schließlich haben alle Verantwortlichen in diesen Bereichen die Herausforderungen erkannt und sich mit dem Wunsch nach stabileren und wiederholbaren Prozessen an die Gerätehersteller gewendet. Ein genauer Blick auf die Produktionskosten in der gesamten Herstellungskette hat gleichzeitig die Nachfrage nach höher automatisierten Systemen und einer vollständigen Prozesskontrolle im Rework steigen lassen. Nachfolgend wird beschrieben, wie diese Anforderungen im Ersa Hybrid Rework System HR 600 und der HRSoft Bediensoftware technisch umgesetzt wurden.
Betrachtung bestehender Rework-Techniken
Die Zeiten, in denen BGA Komponenten mit einem einfachen Heißluftgebläse repariert wurden sind angeblich schon lange vorbei – in Wirklichkeit liegen solche althergebrachten Geräte noch immer auf vielen Reparaturarbeitsplätzen! Seit mehr als 20 Jahren konzentrieren sich die Anbieter von Rework Systemen darauf, die Reparatur von SMT und BGA Bauteilen immer einfacher, effizienter und sichererer zu machen. Während im Bereich der Energieübertragung beim Einlöten und Entlöten die Rework-Welt in “Heißluft” und “Infrarotstrahlung” aufgeteilt war, gab es bei den Techniken für die Bauteilplatzierung wenige grundsätzliche Unterschiede.
Nach echten Innovationen bei der Frage, wie das Bauteil über den Landeflächen auf der Platine exakt auszurichten und zu platzieren ist, suchte man vergeblich.
Die bekannten Platziertechniken können vereinfacht in drei Gruppen aufgeteilt werden:
  • Platzierung mit Hilfe eines optischen Strahlteilers
  • Platzierung mit einem speziellen Ausrichtwerkzeug
  • Vision Platzierung mit Kamera und Markierungen
Anders als bei einem Pick & Place Automaten muss im Rework-Prozess zumeist nur ein einzelnes Bauteil an einer bestimmten Position auf der Platine bearbeitet werden. In vielen Fällen stehen für die Platzierung keine CAD – oder Gerberdaten zur Verfügung.
Die meisten Rework-Systeme sind für eine solche Datenverarbeitung auch nicht ausgelegt. Alle der drei oben genannten Methoden erfordern in der Regel das aktive Eingreifen und die Fähigkeiten des Bedieners, um das Bauteil mit der geforderten Präzision auf der Platine zu platzieren. Dabei ist die Wiederholbarkeit der Platzierergebnisse schwer reproduzierbar und der Bediener muss ständig am Gerät arbeiten, um Bauteile auszurichten und zu platzieren.
Platzierung mit Hilfe eines optischen Strahlteilers: Optische Strahlteiler erlauben es, mit einer einzigen Kamera die Platinen Oberfläche und die Unterseite des Bauteils in einem Bild zu zeigen. Diese Technik ist weit verbreitet und wird bei Rework häufig eingesetzt. Sie erreicht allerdings ihre Grenzen in Bezug auf Auflösung und Beleuchtung, wenn die Bauteilraster kleiner und feiner werden. Außerdem ist die Überlagerung von Bauteil und Zielfläche ein ermüdender Vorgang für den Bediener, besonders wenn sich die Beleuchtung von Bauteil- und Platinenseite farblich nicht unterscheiden lassen.
Platzierung mit einem speziellen Ausrichtwerkzeug: Ein anderes Arbeitsprinzip besteht in der Verwendung eines speziellen Werkzeugs. Dieses wird zunächst an den Landeflächen ausgerichtet und nimmt anschließend das Bauteil auf, um es an der zuvor festgelegten Position abzusetzen. Wegen der begrenzten Vergrößerung und Sichtbarkeit ist diese Technik auf ein gewisses Bauteilspektrum begrenzt. Auch hier hängt das Ausrichtergebnis sehr von den Fähigkeiten des Anwenders ab.
Vision Platzierung mit Kamera und Markierungen: Eine vielversprechende Methode zur Bauteilplatzierung nutzt Kamerabilder und Eckpositionen von Bauteil und Landeflächen. Die computergestützte Platzierung berechnet die Abstände der Eckpunkte und erzeugt eine Überlagerung aus virtuellen Rechtecken, die anschließend zur Deckung gebracht werden. Wenn der Anwender die Eckpunkte mit ausreichender Genauigkeit erfasst, wird die Bauteilplatzierung im Ergebnis gute Werte liefern. Einige Systeme, die mit dieser Technik ausgestattet sind, haben den Nachteil, dass die Anschaffungskosten die Budgetvorstellungen vieler Anwender übersteigen.
Mit Bildverarbeitung zur Bauteilplatzierung
Die Einführung einer neuen Platziertechnik für Rework-Systeme zu einem marktgerechten Preis ist eine anspruchsvolle Aufgabe: Die Grundlage für den neuen Ansatz im Ersa HR 600 bilden zwei digitale Kameras zur Bilderzeugung, eine Bildverarbeitungssoftware sowie ein hochgenaues Achssystem.
Die USB Kameras stellen die Bilddaten zur Verfügung, die Software Algorithmen werten die Daten aus und führen die notwendigen Berechnungen zur Bauteilausrichtung durch. Das Achssystem mit Schrittmotoren bewegt das Bauteil und setzt es zielgenau an der zuvor berechneten Position ab. Dabei werden Bewegungen im Genauigkeitsbereich einiger Mikrometer ausgeführt.
Digitale Kameras und Bildverarbeitung
Entscheidend für eine erfolgreiche Platziertechnik ist die abgestimmte Kombination der oben genannten Elemente: Die Kameras müssen Bilder in hinreichender Auflösung liefern. Verschiedene Algorithmen müssen die Bilddaten korrekt aufbereiten und Pixelinformationen in exakte Motorbewegungen umrechnen, um das Bauteil korrekt zu platzieren. Für Kameras und Objektive werden beispielsweise Korrekturrechnungen durchgeführt, um Verzerrungen zu beheben und ein gemeinsames Koordinatensystem für beide Kameras zu erhalten.
Ein Schritt, der vor der Inbetriebnahme eines Gerätes erfolgen muss, ist die Kalibrierung der individuellen Lichtverhältnisse. Es ist leicht nachvollziehbar, dass bei einem offenen System das Umgebungslicht berücksichtigt werden muss, um anhand optimal ausgeleuchteter Bilder Bauteilanschlüsse zu identifizieren und auszurichten. Wird das Umgebungslicht entsprechend berücksichtigt, liefert das System an jedem Aufstellort optimale Ergebnisse. Um an einem Bauteil charakteristische Strukturen – wie beispielsweise die Anschlüsse eines Quad flat pack (QFP) – zu finden, werden typische Bildverarbeitungs-Funktionen, wie die Kantenerkennung genutzt. Die Kantenerkennung ist eine Methode, die von dem australischen Forscher John Canny bereits in 1986 entwickelt wurde. Bei seinem “Canny edge detector” Algorithmus erkennt der Computer Helligkeitsunterschiede in einem Bild und definiert diese als Kanten. In Verbindung mit der Information darüber, welche Bauteilform gerade verwendet wird, identifiziert die Mathematik diejenigen Regionen eines Bildes, die z.B. die rechteckigen Bauteilanschlüsse eine QFP darstellen.
HRSoft verwendet weitere Prozeduren, um die Anschlüsse anderer SMD-Bauteile zu identifizieren, z.B. BGA, QFP, QFN und PLCC sowie von SMD-Steckern und anderen. Der Vorteil für den Anwender hierbei ist, dass keine speziellen, bauteilbezogenen Datensätze benutzt werden müssen. Das jeweilige Bauteil muss nur oberhalb der Kamera bereitgestellt werden und die Software identifiziert die Anschlüsse eigenständig.
Sind die Bauteilanschlüsse erkannt, ist die wesentliche Funktion von HRSoft das Auffinden dieses Anschlussmusters in dem Zielbild der Leiterplatte. Hierfür wird eine virtuelle Überlagerung aus zwei Bildern erzeugt und darin die beste Position, das „Best Match“ ermittelt. Dieses beste Ergebnis dient anschließend zur Platzierung des Bauteils, kann aber bei Bedarf vom Anwender korrigiert werden. Die komplette Sequenz der Bauteilplatzierung führt das Reworksystem wahlweise Schritt für Schritt oder vollautomatisch durch.
Vorteile des präzisen Achssystems
Die Ergebnisse der idealen Überlagerung werden zumeist innerhalb weniger Sekunden gefunden. Müssen mehrere gleiche Baugruppen repariert werden, kann das Reworksystem die Platzierung und das Einlöten der Komponenten jeweils vollautomatisch ausführen. Nach der Platzierung des Bauteils wird der Hybrid-Heizkopf zur Lötposition verfahren und das zuvor ausgewählte Lötprofil wird gestartet.
Und das HR 600 bietet weitere Vorteile, die auf der Bewegung des Achssystems beruhen: Bauteile können mittels großflächiger Untenheizung und beweglichem Hybrid-Heizkopf an beliebigen Stellen der Platine automatisch ausgelötet, abgehoben und an der Bauteilablage abgesetzt werden. Die obere Kamera kann nach dem Einlöten zum Bauteil verfahren werden und dort Bilder zur Prozessdokumentation aufnehmen. Darüber hinaus bietet das Reworksystem die Möglichkeit, Bauteile automatisch in Flussmittel oder Lotpaste zu dippen oder bereits mit Lotpaste bedruckte Bauteile zu verarbeiten. Eine Methode, die derzeit an Einfachheit und Genauigkeit kaum zu übertreffen ist.
Beim Dippen wirken eine präzise hergestellte Vertiefung in einer Blechschablone und die genaue Absenkung der motorischen Z-Achse zusammen. Auf diese Weise gelingt es, sehr exakte Mengen Flussmittel- oder Lotpastendepots auf die Bauteilanschlüsse aufzubringen. Das Bauteil wird aufgenommen, gedippt, anschließend platziert und am Ende des Prozesses vollautomatisch eingelötet. Ergebnisse eines solchen Rework-Vorgangs können sich mit denen einer SMT Linie durchaus messen lassen!
Zusammenfassung
Verglichen mit den bisherigen Technologien eröffnet die automatische Bauteilplatzierung des Ersa HR 600 ein neues Feld für die Reparatur komplexer elektronischer Baugruppen. Genauigkeit und Wiederholbarkeit nehmen mit der Automatisierung des Systems zu. Standard SMT Bauteile mit Abmessungen von 1 x 1mm bis 50 x 50mm können ohne weitere Spezialwerkzeuge verarbeitet werden. Es werden keine CAD Daten benötigt und es ist keine aufwändige Prozess-Evaluierung erforderlich, so dass der Anwender direkt mit seiner ersten Platine und seiner ersten Reparatur beginnen kann. Automatisiertes Rework kann 30 – 50% Zeit des Bedieners sparen, er kann sich anderen Aufgaben zuwenden, während das Gerät die Baugruppe eigenständig bearbeitet.
Die Kombination aushochwertigen Standard-Komponenten, wie digitale USB Kameras und Schrittmotoren sowie einer funktionalen Bediensoftware mit Bildverarbeitung ermöglichen es dem Unternehmen, die wegweisende Technologie des Reworksystems zu einem attraktiven Marktpreis anzubieten.
SMT Hybrid Packaging
Stand 9-330

Referenzen
[1] MVTEC: Halcon Functionality; Camera calibration, Presentation, Mvtec Software GmbH, 2002
[2] A computational approach to edge detection. IEEE Transactions on Pattern Analysis and Machine Intelligence, vol. 8, John Canny, 1986, p. 690
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