Chaos auf dem Schreibtisch

Man will sich ja wohlfühlen im Büro: Ein Foto von der Familie auf den Schreibtisch, daneben das Lieblingskuscheltier, vielleicht noch ein Urlaubsmitbringsel und eine große Pflanze – schon ist es fast wie zu Hause. Aber Vorsicht ist geboten, denn Kuschelatmosphäre am Arbeitsplatz kann die Kollegen nerven und den Chef an den Kompetenzen eines Mitarbeiters zweifeln lassen. Vor allem in Großraumbüros sorgen allzu individuell gestaltete Schreibtische schnell für Zoff, warnen Experten. So ist gegen ein Familienfoto nichts einzuwenden, ein Strandfoto in der Badehose wohl eher deplatziert. Blumen sind schön, dennoch sollten die verwelkten entfernt werden. Schließlich weiß man nie, wer gerade neben dem Schreibtisch steht. So wäre auf dem Schreibtisch eines Kreditberaters, der regelmäßig mit Menschen in finanziellen Notlagen zu tun hat, eine allzu fröhlich wirkende Dekoration fehl am Platz. Genauso würde man sich aber wundern, wenn die Leiterin eines Kindergartens in einem völlig sterilen Hochglanzbüro arbeitet, die Erwartungen der Kunden müssen erfüllt werden. In Kreativbranchen, wo die Mitarbeiter ihre Individualität bewusst einsetzen sollen, könnte ein Schreibtisch deshalb auch etwas anders aussehen, versprüht dies doch eine gewisse lockere Genialität. Wer an seinem Arbeitsplatz nicht mit Kunden zu tun hat, ist ohnehin nicht ganz so strengen Regeln unterworfen. Trotz alle dem sagt der Arbeitsplatz einiges über seinen Nutzer aus. Gerade auf den Chef könnte der Schreibtisch eine ganz eigene Wirkung haben. So wird ein voller Schreibtisch schnell mit Undiszipliniertheit, leere Tische dagegen mit Faulheit und mangelnde Kreativität gleichgesetzt. Es kommt deshalb auf die richtige Mischung an. Generell gilt, weg mit allen privaten Gegenständen, die ein seltsames Licht auf den Besitzer werfen könnten. Denn wer überall viel Nippes stehen und kleben hat, wirkt alles andere als professionell. Ein gewisses Maß an Individualität ist trotzdem wichtig, denn die einen brauchen das kreative Chaos, die anderen brauchen eher das Gefühl der Ordnung und Überblick bewahren. Wenn der Chef für die Gestaltung des Arbeitsplatzes allzu präzise Vorgaben macht, könnte er seinen Beschäftigten auch wichtige Freiräume wegnehmen. Vorgaben von Firmen, die möglichst alle Arbeitsplätze in einem Großraumbüro einheitlich gestaltet haben wollen, werden daher eher als kritisch angesehen. Aber insgesamt muss das Erscheinungsbild der Arbeitsplätze zum Unternehmen passen. Ob nun alles gleich, oder jeder Schreibtisch anders dekoriert ist. Schwieriger wird es in Büros, in denen Mitarbeiter keine festen Arbeitsplätze haben. Da kann man abends nach Feierabend natürlich keine persönlichen Dinge liegen lassen. Wer trotzdem nicht auf ein bisschen Individualität verzichten möchte, könne ein paar private Gegenstände in seinem Spind lagern und jeden Morgen mit an seinen Schreibtisch nehmen.

Überbewerten sollte man die Bedeutung von individuell gestalteten Arbeitsplätzen aber nicht. Unter den weichen Faktoren für das Wohlbefinden am Arbeitsplatz ist das Thema Dekoration gar nicht so relevant. In einer Studie mit 900 Teilnehmern hat das Fraunhofer-Institut ganz andere Kernfaktoren herausgearbeitet: Entscheidend sei, ob den Beschäftigten das Büro insgesamt gefällt, wie die Arbeitsatmosphäre ist, und dass man Ruhe zum Nachdenken findet. Eine gut gestaltete Büroumgebung ist viel wichtiger für die Wohlbefindlichkeit als die Frage, ob man ein Foto oder eine Figur auf seinen Schreibtisch stellen darf.