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Collaborative Design

Optimierung durch Synergien zwischen Produktentwicklung und Fertigungsdienstleister
Collaborative Design

Unternehmen stehen unter zunehmendem Wettbewerbsdruck, Produkte müssen schneller, zum richtigen Zeitpunkt und passend zur Nachfrage auf den Markt kommen – dabei günstiger und in besserer Qualität gefertigt. In der Konsequenz heißt das vor allem, dass die Entwicklungszyklen erheblich verkürzt werden müssen. Die Markttauglichkeit und Ertragsfähigkeit eines Produktes werden somit schon in der ersten Phase des Lebenszyklus entscheidend beeinflusst.

Dr. Gunther Weyreter, Solectron, Herrenberg

Durch eine Optimierung des Produktdesigns, die Selektion geeigneter Komponenten, verbesserte Produktqualität und Vereinfachung der Fertigung können mehr Kosteneffizienz und schnellere Produktverfügbarkeit und somit entscheidende Wettbewerbsvorteile erzielt werden. Im Folgenden soll beschrieben werden, wie sich eine enge Zusammenarbeit von Produktentwickler (Original Equipment Manufacturer – OEM) und Fertigungsdienstleister (EMS – Electronics Manufacturing Services oder CM, Contract Manufacturer) entscheidend auf die Optimierung des Designprozesses – und somit auch der weiteren Lieferkette – auswirken kann.
ODM oder CDM
Für die Auswahl des „richtigen“ Partners für den Auftraggeber muss der Unterschied zwischen Original Design Manufacturer (ODM) und einem Collaborative Design Manufacturer (CDM) Partner berücksichtigt werden. Der ODM wird eine Lösung entwickeln, die sein geistiges Eigentum bleibt: Er offeriert in vielen Fällen dem Auftraggeber (OEM) eine Black-Box-Lösung. Nachteil: Der OEM wird mangels Detailkenntnis nur eine begrenzte Preiskontrolle über diese Lösung ausüben können. Darüber hinaus versuchen ODMs unter Umständen, ihre eigene Marke mit eigener Produktroadmap zu etablieren – und werden so über kurz oder lang zum Konkurrenten des Auftraggebers. Diese Art der Kooperation findet sich besonders häufig bei Standardprodukten, vor allem der Konsumerelektronik. Beim partnerschaftlichen Design (CDM, auch mit JDM für Joint Design Manufacturer bezeichnet), das hier im Mittelpunkt steht, gehen die Rechte an der Entwicklung hingegen in das Eigentum des Auftraggebers über. Die Angebotspalette eines CDM umfasst im Wesentlichen dieselben Dienstleistungen wie die eines ODM. Für innovative Produkte mit neuen, differenzierenden Eigenschaften wird aber meist diese Art der Zusammenarbeit gewählt, da so der Entwicklungsvorsprung und die damit verbundenen Produktrechte gesichert werden können. Der Auftraggeber liefert typischerweise die Spezifikationen für die Designdienstleistungen und ist für die Endabnahme verantwortlich.
So kann die Zusammenarbeit aussehen
Die Kooperation zwischen OEM und Design-Dienstleister kann sich dabei in vielen Fällen über die eigentliche Design-Phase hinaus erstrecken – von der Definition der Benutzeranforderungen über die Produktspezifikation bis zur Überprüfung der Spezifikation, ehe der Designprozess überhaupt beginnt (Bild 1). Oft sind bereits in der Spezifikationsphase enge Kooperationen zwischen den Entwicklern und Produktmanagern erforderlich, die über einen reinen, auf dem Konzept des Auftraggebers beruhenden Prototypenbau hinausgehen, zum Beispiel durch Design-for-X-Dienstleistungen (DfX). Phase zwei umfasst den Designprozess an sich, Designreview und -verifikation, gegebenenfalls Systemvalidierung und -review, bevor die Fertigungsphase einsetzt und in die End-of-Life-Phase übergeht. Dienstleister mit eigener Fertigung können das Produkt auch weiterhin „begleiten“ und die Produktion und den Service der Produkte übernehmen.
Im Fall der „DfX-Unterstützung“ liefert der Partner „nur“ Dienstleistungen wie Fertigbarkeit (Design for Manufacturing – DfM) und Testbarkeitsanalyse (Design for Testability – DfT – siehe auch DfSC, DfSS, DfE …), während bei „Collaborative Design“ oder „Contracted Design“ der Design-Anteil des beauftragten Partners immer mehr zunimmt.
Das Collaborative-Design-Modell ist dabei nicht notwendigerweise ganzheitlich zu sehen – das heißt, es können auch nur „Teilaufgaben“ übernommen werden oder das Produkt kann auch nur zu bestimmten Zeiten seines Lebenszyklus betreut werden. Die optimale „Konfiguration“ der Zusammenarbeit hängt ganz entscheidend davon ab, an welchem Punkt des Lebenszyklus sich ein Produkt befindet. Ein Produkt kann vom Subsystem bis hin zum innovativen neuen Produkt entwickelt werden, es können aber auch „nur“ Kostenreduktionen für existierende Designs durchgeführt werden. Während in einem frühen Produktstadium gleichzeitig ablaufende Entwicklungstätigkeiten („concurrent design“) zur schnellen Erreichung der Marktreife dominieren, sind später profitmaximierende und lebensverlängernde Tätigkeiten gefordert. Parallel dazu beginnt die Arbeit an der Folgegeneration (Bild 2).
Vorteile des Collaborative-Design-Modells
Der Designpartner kann bereits frühzeitig bei der Spezifikationsentwicklung Bauteilekenntnisse einbringen und das Produkt im Hinblick auf Fertigungstechnologien „ausrichten“, d. h. Bauteile-, Baugruppen-, Modul- und Systemteststrategien werden bereits unter Fertigungsgesichtspunkten entwickelt. Durch Nutzung globaler Fertigungs- und Einkaufsstrategien, durch Lieferantenselektion und lokale Lieferantenentwicklung wird die „Total cost of ownership“ drastisch reduziert. Die Optimierung der Lieferkette wird dabei z. B. nicht nur durch die Berücksichtigung von Bauteileflüssen, sondern auch von Fertigproduktflüssen erreicht (DfSC – Design for Supply Chain).
So zum Beispiel bei einem Hersteller von Settop-Boxen, für den Solectron das komplette Design einer Box übernahm (Bild 3), weil er sich vollständig auf die Entwicklung der Software und die Highend-Produkte der nächsten Generation konzentrieren wollte. Bei der Neukonstruktion für die Massenfertigung mussten zahl reiche neue Faktoren berücksichtigt werden wie etwa die Integration neuer Produktfeatures und neuer Software, die Abstimmung des mechanischen Designs auf die Bedürfnisse der Endkunden oder die Einhaltung unterschiedlicher gesetzlicher Herstellungs- und Sicherheitsbestimmungen. Die Produktionskosten konnten erheblich reduziert werden, während der Kunde sich bereits vollständig auf die Entwicklung neuer Produkte verlegen konnte, da der gesamte Design-Prozess nur die Mitarbeit einer einzigen Person von seiner Seite erforderte.
Bereits bei der Schaltplanentwicklung können eine verbesserte Ressourcenplanung und fertigungsgerechtes Design einfließen. Auch beim Prototypenbau kann der Designdienstleister Fertigungs-Know-how und Geschwindigkeit einbringen. Der Auftraggeber erhält Zugang zu den neuesten Fertigungstechnologien in der Elektronik und der Mechanik – etwa durch Anwendung neuer Metall- und Kunststofftechnologien. Oder auch durch den Einsatz von thermischen Analysen. Mit einer solchen Analyse mit Werkzeugen wie Flotherm/Icepack, bei der die Luftzirkulation im Gerät simuliert und anschließend mit Hilfe von Rauch verifiziert/visualisiert wird, konnte Solec- tron zum Beispiel bei der Konstruktion eines Servers vier Ventilatoren einsparen. Trotzdem war die Lautstärke geringer und die Zuverlässigkeit erheblich höher als beim Vorgängermodell, es konnte eine Kostenersparnis von fast 20 Euro pro Gerät erzielt werden. Bild 4 aus dem Bereich des mechanischen Designs zeigt, wie bei der Herstellung eines PC-Gehäuses durch Neukonstruktion, Feature-Update und Änderungen der Supply Chain eine Kostenreduktion von 62 % erreicht werden konnte. Dabei galt es eine Erhöhung der Stückzahlen von 5000 Exemplaren pro Jahr auf 60 000 Exemplare pro Jahr in den Griff zu bekommen, ohne Qualität und Funktionalität zu beeinträchtigen. Dies gelang unter anderem durch eine Umstellung der Produktionstechnologie, was eine Verkürzung der Bearbeitungszeit und eine Reduzierung der Anzahl der Bauteile ermöglichte. Ein Beispiel, was Design for Six Sigma (DfSS) und der Zugang zu Fertigungstechnologien bewirken. So wird die Zertifizierung in der Designvalidations-Phase vereinfacht und Verfügbarkeit, Qualität und Liefertreue des Endproduktes werden transparenter.
Insbesondere für OEMs ohne Eigenfertigung bietet eine Kooperation bei der Optimierung des Designs auf die Fertigungsanforderungen viele Vorteile bei der Produkteinführung und dem Erreichen der Qualitätsziele. Fertigungsdienstleister setzen hier eine Reihe von Werkzeugen zur Überprüfung der Fertigungsreife eines Designs ein (z. B. Testbarkeitsanalyse- und Designprüfungswerkzeuge wie Testway und Valor Trilogy).
Abgesehen von den technologischen und ökonomischen Vorzügen, die ein optimierter Übergang zwischen Design- und Fertigungsphase mit sich bringt, ergeben sich aus der Kooperation noch weitere Vorteile: Der OEM kann sich auf seine Kernkompetenzen konzentrieren und so zu einer weiteren Beschleunigung der Marktreife der Folgegenerationen des Produktes beitragen. Kapazitäten und Zeitfenster können besser genutzt werden, um sich mit seinem Produkt vom Mitbewerb zu differenzieren. Der Zugang zu neuesten Technologien, die produkt- und applikationsübergreifend sind, erschließt neue Synergien und führt zu einer Erweiterung des vorhandenen Know-hows. Selbst wenn ein Produkt fertig gestellt ist, kann der Designdienstleister den Hersteller mit kontinuierlichem Sourcing, Kostensenkungen und Re-Design bei Bauteil- abkündigungen unterstützen – gerade im Hinblick auf Spezifikationsänderungen oder neue Anforderungen wie RoHS und WEEE nicht unwesentliche Aspekte. Und auch die Sicherstellung der Ersatzteileversorgung sowie Service- und Reparaturtätigkeiten sind Dienstleistungen, die im weiteren Verlauf des Produktzyklus mit einfließen können.
Eine erfolgreiche Partnerschaft erfordert die sorgfältige Prüfung der Fähigkeiten, wie etwa Markt-, Produkt- und Technologiekenntnisse, sowie der verfügbaren Kapazitäten des Designpartners. Ein exzellentes Projektmanagement, regelmäßige Reviews, Transparenz und eine enge Kommunikation sind unverzichtbar. Das gilt selbstverständlich erst recht, wenn unterschiedliche Zeitzonen und Sprachbarrieren überwunden werden müssen.
Für den Auftraggeber lassen sich durch ein „Partnerschaftliches Design-Konzept“ Innovationsrückstaus schneller „abarbeiten“. Er kann so flexibler auf Änderungen von Rahmenbedingungen reagieren und Qualität, Kostenstruktur und Time-to-Market seiner Produkte erheblich verbessern. Durch die Synergien zwischen Auftraggeber und Designpartner ergeben sich also weitreichende Vorteile auf technischer, kommerzieller und strategischer Ebene.
Marktsituation und Trends
Die Situation des Outsourcings von Designdienstleistungen ist stark abhängig vom Marktsegment. In der Telekommunikation, im PC- und Konsumerbereich haben sich Kooperationen weitgehend etabliert. Durch die schnellen Produktzyklen und Technologiewechsel ist hier der Druck, innovative Konzepte einzusetzen, sehr hoch. Und die schnelle Folge von neuen Standards, wie etwa Protokolle in der Telekommunikation oder neue Umweltrichtlinien wie RoHS/WEEE, erfordert eine immer höhere Flexibilität bereits während der Entwicklung.
Zu den Industriebereichen, in denen bereits heute ein signifikanter Teil der Tätigkeiten durch Designpartner erbracht wird, werden sich weitere, z.T. sensitive Marktsegmente wie die Medizintechnik gesellen. Der Kostendruck wird sich auch auf die Entwicklungstätigkeiten auswirken und neue, kreative Konzepte erforderlich machen. Eine deutliche Erhöhung der Outsourcing-Tätigkeiten ist bereits zu verzeichnen: Gemäß einer kürzlich veröffentlichten Marktstudie (iSuppli, Februar 2006) wird das Outsourcing im Elektronikbereich in Europa in den nächsten Jahren um durchschnittlich 11% zunehmen. Aber nicht nur das Marktvolumen wächst, auch die Bandbreite der vom Designpartner erwarteten Aufgaben wird in den nächsten Jahren zunehmend umfangreicher und komplexer. Nur wenige Fertigungsdienstleister wie Solectron können bisher ein solch komplettes und vielfältiges Spektrum von Entwicklungs-, Produktions- und Serviceleistungen anbieten.
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