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Der ideale Auftragsfertiger

Empirischen Studie zu den zukünftigen Anforderungen des Markts
Der ideale Auftragsfertiger

Welche Anforderungen stellt der deutsche Markt an Auftragsfertiger (CEMs) hinsichtlich Technologie, Logistik, Organisation und Management? Welche Branchen werden in den nächsten Jahren in welchem Maße outsourcen? Welche Rolle im Entwicklungs- und Beschaffungsprozess sollen CEMs spielen? Die Antwort auf diese Fragen behandelt die empirische Studie der Düsseldorfer Unternehmensberatung Syska Auftragsfertiger 2002.

Dr. Andreas Syska, Unternehmensberatung Syska, Düsseldorf

Diese Studie zeigt die Erwartungen der Kunden an Auftragsfertiger auf. Zur Frage: „Wie sieht der ideale Auftragsfertiger des Jahres 2002 aus?“ nahmen Verantwortliche aus verschiedenen Funktionsbereichen (Einkauf, Produktion, etc.) und Branchen (IT, Consumer, Maschinenbau, etc.) Stellung. Das Spektrum der Fragen umfasst dabei die für Auftragsfertiger wichtigen Schlüsselfelder Technologie, Logistik, Einkauf, Produktion, Marketing und Management. Die Studie beantwortet Fragen wie:
•Welche Bauteil- und Fertigungstechniken werden in Zukunft verstärkt eingesetzt?
•Welchen Stellenwert hat dabei die Bleifrei-Thematik?
•Welche Branchen erwarten vom Auftragsfertiger die Komplettbestückung, wo sollen lediglich die Kapazitätsspitzen abgefangen werden?
•In welchem Maße soll sich der Auftragsfertiger in der Materialbeschaffung engagieren, bzw. welche zusätzlichen logistischen Leistungen, wie Verpackung, Versand werden erwartet?
•Welche Zulassungen oder Zertifizierungen soll ein Auftragsfertiger besitzen, welche Managementinstrumente soll er beherrschen?
Die wirtschaftliche Entwicklung aus Sicht der Kunden
Unternehmerische Chancen werden in besonderem Maße durch das Potential eines Markts bestimmt. Deswegen ist für Auftragsfertiger von entscheidender Bedeutung, die qualitative und quantitative Entwicklung der Elektronikindustrie zu kennen. Vor diesem Hintergrund wurden die Kunden nach einer Einschätzung der Entwicklung ihres eigenen Geschäfts befragt. 83 % der Befragten erwarten beim Umsatz eine Steigerung bis 2002 (Bild 1). Fast ein Viertel der Kunden (24 %) erwartet sogar eine starke Steigerung. Wer also ein Gefühl da-für entwickeln möchte, wie sich der Elektronikmarkt bis 2002 entwickeln wird, braucht nur die letzten beiden Jahre Revue passieren zu lassen. Auf die Frage, ob sie eine weitere Reduzierung der eigenen Leistungstiefe vornehmen werden, signalisieren insgesamt 74 % der befragten Kunden einen steigenden bzw. stark steigenden Bedarf an Outsourcing-Leistungen im Bereich der Elektronikproduktion (Bild 2).
Die Sorgen der Kunden
Eine wirkliche Überraschung ist es ja nicht: Unter Beschaffungsengpässen leiden nicht nur die Auftragsfertiger, sondern auch deren Kunden (Bild 3). Sie bewerten dies mit 4,51 als den bedeutendsten externen Faktor. Mit gehörigem Abstand folgen Lieferzeiten (4,19) und Qualität (4,07) – zwei der drei wichtigsten externen Faktoren aus einer Studie von vor zwei Jahren. Der damals bedeutsame Preiswettbewerb – immerhin zweitwichtigste Rahmenbedingung zu jener Zeit – verliert an Bedeutung, wenn man alle Kunden der Auftragsfertiger betrachtet (3,80). Gemeinsam mit den Lohnkosten hat er nun für die Kunden eine allenfalls durchschnittliche Bedeutung. Die Materialkosten haben über alle Unternehmen gesehen zwar eine hohe Bedeutung (4,16), jedoch keinesfalls die der Verfügbarkeit. Diese Aussagen waren aufgrund der niedrigen Wertschöpfungstiefe bei der Herstellung elektronischer Erzeugnisse zu erwarten.
Dennoch ist die Botschaft klar: Den Kunden wächst ihr eigenes Umfeld mehr und mehr über den Kopf. Sie erhoffen sich externe Hilfe. Dies gilt insbesondere für die alles dominierenden Beschaffungsprobleme. Die Kunden wenden sich auch (oder ausgerechnet) an die Auftragsfertiger, wohl wissend, dass deren Beschaffungsmacht oftmals geringer ist, als die eigene.
Die Erwartungen der Kunden
Was erwarten die Kunden eigentlich von ihrem Auftragsfertiger: Bedarfsspitzen abzudecken oder Serienprodukten zu bestücken? In allen Branchen lautet die Antwort: Natürlich beides! Das zeigt Bild 4. So haben die Kunden bestätigt, dass sie weniger unter Kapazitätsengpässen leiden, sondern vielmehr ihre Kapazitäten optimal auslasten wollen. Zu diesem Ziel werden sie auch weiterhin kurzfristige Bedarfsspitzen abgeben (4,33). Parallel gibt es aber auch den Trend, Produkte im eigenen Haus zur Serienreife zu bringen und den Auftragsfertiger dauerhaft mit der Produktion zu beauftragen (4,49). Dass damit in erster Linie (noch) Leiterkarten und weniger komplette Produkte gemeint sind, zeigt der Wert von 3,73 für das Kriterium Übernahme kompletter Produkte. Daher erwarten die Kunden, dass ihre Auftragsfertiger eine hohe Losgrößen-Flexibilität besitzen (3,95).
Vielleicht sind Auftragsfertiger in der Lage, diese unterschiedlichen logistischen Anforderungen ihrer Kunden unter einem Dach zu erfüllen, jedoch auf keinen Fall mit nur einer produktionslogistischen Strategie. Tatsächlich ist zu erwarten, dass sich der Markt der Auftragsfertiger weiter in zwei Kategorien splittet: in Spezialisten für kurzfristige Produktionsaufträge und in Wertschöpfungspartner, die im Auftrag des Kunden den gesamten Herstellungsprozess übernehmen. Auftragsfertiger, die dennoch beide Felder abdecken wollen, sollten zumindest ihre internen Strukturen darauf ausrichten. Eine Möglichkeit sind Produktionsinseln, die auf unterschiedliche Auftragstypen ausgerichtet sind, eine andere ist die bereits in Ansätzen festzustellende Spezialisierung von Fertigungsstätten.
Die technologische Kompetenz des Auftragsfertigers
Die Bedeutung von Advanced-Technologies, wie Flip-Chip, Chip-on-Board oder BGA, wird weiter steigen. Für die Kunden ist es dabei von großer Wichtigkeit, dass auch der Auftragsfertiger diese Techniken beherrscht. Dabei ist auffällig, dass den Kunden die Beherrschung in der Entwicklung wichtiger ist, als in der Fertigung (Bild 5).
Das sollte aufhorchen lassen: Die traditionelle Kernkompetenz in der Fertigung ist den Kunden nicht so wichtig, wie die Entwicklungskompetenz des Auftragsfertigers. Darüber hinaus legen Kunden mehr Wert auf die kommende Bleifrei-Technik als auf serienreife Techniken wie Chip-on-Board oder Flip-Chip.
Offensichtlich ist es den Kunden wichtig, im Auftragsfertiger nicht nur einen Produktionsdienstleister, sondern auch einen Entwicklungspartner zu haben (Bild 6). Dabei fördert ein detaillierter Blick auf die einzelnen Entwicklungsleistungen Überraschendes zu Tage: Die wichtigste Entwicklungsleistung des Auftragsfertigers besteht darin, dem Kunden Impulse für die eigene Entwicklung zu geben. Ob bloßer Schaltplanentwurf (3,03) oder Neuentwicklung (3,20), ob sich die Entwicklung auf die reine Aufbau- und Verbindungstechnik beschränkt (3,33) oder auf komplette Produkte bezieht (3,26): Stets ist das Interesse an Entwicklungs-Dienstleistungen eher mäßig. Einzig die Umsetzung einer EMV-gerechten Entwicklung macht hier eine Ausnahme (4,22). Jedoch hat die Frage, ob man sich den Auftragsfertiger als Impulsgeber für eigene Innovationen vorstellen könne, weitgehende Zustimmung ausgelöst. Offensichtlich gibt es trotz der intensiven Diskussion von Technologietrends einen weiterhin ungestillten Hunger nach Informationen über technische Entwicklungen. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum die Bleifrei-Thematik so wichtig ist (s.o.): Das Thema stellt alle Elektronikproduzenten – also auch die Kunden der Auftragsfertiger – vor die Herausforderung, die richtige Investitionsentscheidung zum richtigen Zeitpunkt zu fällen – und dies bei unsicheren Informationen. Da ist jeder weiterer Input willkommen und es bietet sich die Chance zur Profilierung: Das Know-how des Kunden weiterzuentwickeln ist ein Zusatznutzen, der hilft, sich vom Wettbewerb abzusetzen.
Managementsysteme
Der ideale Auftragsfertiger des Jahres 2002 betreibt systematisches Management der Kundenzufriedenheit (3,96), verbessert seine Leistungen nach den Regeln von KVP oder TQM (3,94) und engagiert sich in Beschaffungskooperationen (3,96) (Bild 7).
Ohne, daß es ihnen bewusst war, haben die Kunden haben damit die drei größten Defizite der Auftragsfertiger angesprochen: mangelnde Kundennähe, mangelnde Produktivität und Flexibilität sowie mangelnde Beschaffungskompetenz.
Hier sind Auftragsfertiger angehalten, ihre Managementkompetenz weiter zu verbessern. So ist bereits in der EPP-Ausgabe 9/2000 das Konzept des Lean-Contract-Manufacturing vorgestellt worden. Dabei handelt es sich um eine systematische, ganzheitliche und auf die Bedürfnisse von Auftragsfertigern abgestimmte Vorgehensweise zur Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit.
Fazit
Der ideale Auftragsfertiger des Jahres 2002:
•arbeitet auf Basis einer professionellen Organisation und dokumentiert dies durch den Einsatz entsprechender Managementsysteme
•ist versiert im systematischen Management der Zufriedenheit seines Kunden und verbessert kontinuierlich seine Produktivität und Termintreue
•hat eine über jeden Zweifel erhabene fertigungstechnische Kompetenz; beherrscht außerdem die Advanced-Technologies, hat Entwicklungskompetenz und gibt seinem Kunden Impulse für die eigene Entwicklung. Dies schließt das Thema Bleifrei ausdrücklich ein
•wird als Komplettdienstleister gesehen, auf den die Kunden ihre Probleme mit der wachsenden Komplexität abladen dürfen. Er ist aber bei ihrer Lösung in der Wahl seiner Produktionsmittel und -strategien frei
•trägt den sprunghaft gestiegenen Anforderungen an Beschaffungs- und Distributionsleistungen Rechnung und hat eine hohe logistische Kompetenz
•löst darüber hinaus die Beschaffungsprobleme seiner Kunden
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Doris Jetter, Redaktion EPP und Sophie Siegmund Redaktion EPP Europe sprechen einmal monatlich mit namhaften Persönlichkeiten der Elektronikfertigung über aktuelle und spannende Themen, die die Branche umtreiben.

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