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Die wahren Ursachen

Null-Fehler-Schablonendruck verlagert die Fehlerverantwortung
Die wahren Ursachen

Wenn in einem Bestückungsprozess Probleme auftreten, wird in aller Regel zunächst der Schablonendrucker dafür verantwortlich gemacht. Bei genauerer Betrachtung jedoch stellen die meisten Hersteller fest, dass der Drucker selbst selten die Ursache der gemeinhin als „Druckfehler“ bezeichneten Defekte ist. Tatsächlich wird der Null-Fehler-Druck für viele Hersteller mehr und mehr zur Norm.

Alan Hobby, DEK, Weymouth,Großbritannien

„Wir haben große Probleme mit unserem Schablonendruck. Es bilden sich sehr viele Brücken zwischen Bauteilanschlüssen und gleichzeitig haben wir, nur wenige Zentimeter davon entfernt, zahlreiche Stellen mit zu wenig Lot und fehlenden Kontakten. Offensichtlich läuft da etwas total falsch bei unserem Schablonendrucker, der Hersteller muss sich sofort darum kümmern.“
Dieses fiktive Beispiel beschreibt eine durchaus übliche Szene in der Elektronikfertigung: Tauchen in einem Bestückungsprozess Probleme auf, wird oft dem Schablonendrucker zuerst die Schuld gegeben (Eine verläßliche Studie schätzt, dass das zu 60 % der Fall ist.). In Wirklichkeit jedoch stellt sich nach einer gründlichen Untersuchung oft heraus, dass die meisten der sogenannten Druckerprobleme nichts mit dem Funktionieren des Schablonendruckers zu tun haben. Statt dessen entstehen die Fehler an anderer Stelle irgendwo im Fertigungsprozess.
Lötfehler werden oft dem Drucker zugeschrieben
Der Grund für diese Verwirrung ist die Tatsache, dass viele der üblichen Störungen in der Fertigung zu typischen Lötfehlern führen, die bei erster Betrachtungdem Drucker zugeordnet werden. Dazu gehören: Brückenbildung zwischen Anschlussbeinen, zu wenig Lot an den Komponentenanschlüssen, Lotkugeln verteilt auf der Board-Oberfläche sowie Lotspritzer und Lotbällchen, die an der Seite der Chips austreten. Die Ursachen für all diese Probleme können grob auf zwei Erscheinungen zurückgeführt werden: zu viel Lot (Überschuss) auf den Lotflächen oder Komponentenanschlüssen, oder zu wenig Lot (Mangel).
Obwohl auch ein schlecht arbeitender Drucker solche Fehler hervorrufen kann, werden sie in der Mehrzahl der Fälle doch durch eine der vielen möglichen Fehlerquellen im übrigen Prozessverlauf verursacht. Dazu gehören schlechte Lötbarkeit (erscheint als Mangel), Fehler im Löt- oder Bestückungsprozess, schlechte Ausrichtung der Anschlüsse (Überschuss), ungenügende Planheit der Anschlüsse (Mangel), Verschmieren der Paste nach dem Druck, schlechtes Schablonen-Design und natürlich gelegentlich auch schlechter Druck. Trotz all dem werden Schablonendrucker weiterhin an erster Stelle für viele Fertigungsfehler verantwortlich gemacht. Mehr noch, in der Elektronikindustrie halten sich hartnäckig viele Legenden darüber, welche Fertigungspraktiken eine hohe Qualität im Schablonendruck fördern und welche sie beeinträchtigen.
In Wirklichkeit jedoch haben sich die modernen Schablonendrucker zu extrem zuverlässigen Produktionsmaschinen entwickelt, die mit der richtigen Anwendungserfahrung leicht zu optimieren sind und in fast jeder Produktionsumgebung einen Druckprozess nahe null Fehler ermöglichen. Daher wollen wir hier versuchen, ein paar der folgenschweren Missverständnisse über den Schablonendruck auszumerzen, indem wir die Wesentlichen der wahren Ursachen für „offensichtliche“ Druckfehler im Detail betrachten. Gleichzeitig geben wir praktische Hinweise und Tips dazu, wie man einem fast fehlerfreien Druckprozess näher kommt.
Der schöne Schein kann trügen
Einer der größten Trugschlüsse hinsichtlich des Schablonendrucks ist der, dass ein Lotpasten-Depot, das ordentlich und gut geformt aussieht – also perfekt mit dem Pad übereinstimmt, rechtwinklig und eben ist – auch eine perfekt geformte, glatte und glänzende Lötverbindung ergibt. Aber gut geformte Pastendepots können zu einem trügerischen Vertrauen in den Schablonendruck führen und von seinem wahren Zweck ablenken, nämlich einwandfreie Lötverbindungen – und nicht schöne Pastendepots – zu erzielen. Mag das Pastendepot auch in einem perfekten Druckbild erscheinen, wenn zu viel oder zu wenig Lotpaste gedruckt wurde, führt dies unweigerlich zu einer schlechten Verteilung des Lots zwischen Bauteil und Leiterplatte – mit der Gefahr von Kurzschlüssen oder Unterbrechungen. Umgekehrt kann ein schlecht geformtes Depot, aber mit dem richtigen Pastenvolumen, manchmal durchaus einwandfreie Lötverbindungen ergeben, da die Oberflächen-Spannung das beim Löten flüssig werdende Lot auf die Pads zurückzieht. Daher gilt: Ein schönes Druckbild ist – obwohl wünschenswert – ein nicht so entscheidendes Druckkriterium, wie oft geglaubt wird.
Falsches Reflow-Profil
Eine andere klassische Quelle für Fehler, die fälschlicherweise dem Drucker zugesprochen werden, ist der Reflow-Prozess. Ein falsches Temperaturprofil kann zu der paradoxen Situation führen, dass an ein und dem selben Bauteil sowohl Brückenbildungen, wie auch fehlende Lötverbindungen festzustellen sind. Für beide Fehler wird in der Regel der Schablonendrucker verantwortlich gemacht, indem er zu viel oder zu wenig Lotpaste gedruckt haben soll. Es ist ziemlich einleuchtend, dass in diesem Fall ein neues Setup des Druckers nichts bringt, da man kaum erreichen kann, dass gleichzeitig mehr und weniger Paste gedruckt wird.
Typischerweise treten die genannten Fehler auf, wenn die Temperatur eines Reflow-Ofens zu hoch ist. Die Anschlussbeine der Komponenten werden dannsehr heiß, und das Lot wandert an ihnen hoch. Das geschmolzene Lot setzt sich direkt am Gehäuse des Bauteils auf dem Anschluss fest und bildet beim Abkühlen eine Brücke zum benachbarten Beinchen. Gleichzeitig ist das untere Ende des Anschlussbeins durch das fehlende Lot der Atmosphäre ausgesetzt und oxidiert. Das verringert entscheidend die Lötbarkeit, so dass nur ein sehr kleiner oder gar kein Lötkontakt entsteht.
Ein anderer verbreiteter Irrtum ist es, zu glauben, dass ein Problem infolge Überschuss oder Mangel an Lot durch eine Anpassung der Setup-Parameter des Druckers behoben werden könnte. Wenn das Setup eines Schablonendruckers fachkundig vorgenommen wurde, hängt die Menge der gedruckten Lotpaste alleine vom Design der Schablone ab. Ist die Abweichung der gedruckten Pastenmenge groß, werden Änderungen an den Parametern, wie Rakeldruck, Druckgeschwindigkeit, Schablonenabsprung und Trenngeschwindigkeit, kaum eine merkbare Verbesserung bringen. Diese Parameter sollten nur verändert werden, um einen sorgfältig eingerichteten Druckprozess noch zu optimieren.
Auf die Schablone kommt es an
Die Schablone allerdings ist eines der wesentlichsten Elemente in jedem Druckprozess. Ist sie richtig ausgelegt, wird auch eine einfache Maschine halbwegs gute Ergebnisse liefern. Ist die Schablone jedoch schlecht gestaltet oder gefertigt, wird sie, selbst auf einem erstklassigen Schablonendrucker, Fehler verursachen.
Ein sehr typischer Fehler, der auf die Schablone zurückzuführen ist, sind Mid-Chip-Lotkugeln oder Lotspritzer an der Seite von Chipkomponenten. Diese beeinträchtigen vor allem einen Prozess ohne Reinigungszyklen. Ein „planmäßiger“ Lotpastendruck führt hier zu Problemen, einfach weil die Schablonenöffnungen zu groß ausgelegt wurden. Als Resultat wird eine zu große Pastenmenge auf die Lötflächen für ein Bauteil gedruckt und spritzt beim Reflow-Löten unter dem Bauteil hervor. Solche Probleme werden in der Regel von Designern verursacht, die sich zu streng an die Regeln und Empfehlungen für die Größen von Pads und Schablonenöffnungen halten und diesen vertrauen. Diese Regeln sollten aber eher als Richtlinien verstanden werden, um in erster Näherung zu ermitteln, welche Größe die Schablonenöffnungen und Pads für ein bestimmtes Bauteil haben sollten. Im Verlauf der Prototypen-Fertigung müssen die Größen aber sorgfältig angepasst werden, um einwandfreie Lötergebnisse zu garantieren.
Eine weitere Ursache für sogenannte „Druckfehler“ ist die Verwendung alter Bauteile. Ein Applikationsteam von DEK eliminierte zum Beispiel einen erheblichen, aber unerklärlichen Ausschuss in der Fertigung eines Kunden, indem es empfahl, einfach die alten Bauteile wegzuwerfen, da deren Anschlussfahnen nur noch schlecht benetzbar waren.
Auf die Qualität der Leiterplatten achten
In ähnlicher Weise können Leiterplatten geringer Qualität eine Vielzahl weiterer Druckprobleme verursachen. Sie haben oft eine unebene Oberfläche mit „hervorragenden“ Merkmalen, die eine gute Anpassung zwischen Leiterplatte und Schablone verhindern und damit die Abdichtung verschlechtern. Die üblichen Prüfungen der rohen Leiterplatten sollten also auch sicherstellen, dass alle Pads und Leiterbahnen glatt und flach sind sowie höher als das umgebende Abdeckmaterial. Ferner sollte sicher gestellt sein, dass sich in der Nähe von Fine-Pitch-Komponenten keine Barcode-Etiketten oder Beschriftungen befinden, und dass das Board grundsätzlich frei von Staub, Fingerabdrücken und Fasern ist.
Da Schmutz sehr leicht die Schablonenöffnungen blockieren und die Lötbarkeit herabsetzen kann, empfiehlt sich – falls die Sauberkeit der Boards nicht sichergestellt werden kann – der Einsatz eines In-Line-Board-Reinigers vor dem Schablonendruck. Dies kann die Prozessergebnisse ganz erheblich verbessern.
Sind QFP-Bauteile mit 0,65 mm Pitch oder weniger zu verarbeiten, sollte man auf den manuellen Einsatz der Stiftregistrierung für die Leiterplatten verzichten und dafür ein sorgfältig kalibriertes Vision-Alignment-System im Drucker einsetzen. Damit sind optimale Abdichtung und reproduzierbare Druckergebnisse sichergestellt.
Ein Fertigungsabschnitt, der dazu neigt, noch mehr scheinbare Druckfehler zu erzeugen, ist die eigentliche Bestückung. Fehlerhaft gesetzte Komponenten werden im weiteren Verlauf der Produktion mit ziemlicher Sicherheit Lötprobleme mit den Symptomen „zu viel“ oder „zu wenig Lot“ verursachen. Typisches Beispiel ist ein Bestücker, der den SM-Anschluss ei-nes Bauteils mit Beinchen (z.B. ein QFP) beim Absetzen regelmäßig zu Seite biegt. Dies wird mit hoher Sicherheit beim Reflow zur Bildung einer Kurzschlussbrücke führen.
Pastenverhalten
Eine letzte Überlegung, die sich als sehr sinnvoll erweisen kann, gilt der Anschaffung eines Kühlschrankes mit 20 °C für die Lagerung der Lotpaste. Dort wird die Paste während der zwei bis vier Wochen, die sie evtl. aufbewahrt werden muss, in guter Konsistenz gehalten. Sie ist jedoch warm genug, um direkt im Drucker verarbeitet werden zu können, ohne dass man warten muss, bis sie wieder Raumtemperatur erreicht hat. Während des Druckens empfiehlt es sich, mit einer mittleren Pastenmenge – etwa einer Rolle von 10 bis 15 mm Durchmesser – zu starten und dann öfter aber wenig nachzufüllen.
Kleine Mengen frischer Paste halten den Pastenvorrat besser in gutem Zustand, als es der Fall wäre, wenn plötzlich eine große Menge nicht durchgekneteter Paste zugegeben würde. Da das rheologische Verhalten der Paste von Temperatur- und Feuchtigkeitsänderungen beeinflusst wird, lohnt es sich auch, mehr in die Klimatisierung der Fabrikationsräume, als in die der Büros, zu investieren. Geht das nicht, könnten mobile Klimageräte für jeden Drucker angeschafft werden. Ist auch das nicht machbar, sollten alle Drucker zumindest von wechselnden Wärmequellen, von Durchzug und von Südfenstern entfernt aufgestellt werden.
Die Einführung von geschlossenen Druckköpfen, wie DEKs Proflow-System, hat allerdings den Aspekt der Pastenbevor-ratung beim Schablonendruck verändert. Denn hier wird die Paste in einer abgeschlossenen, luftdichten Kammer gehalten, wodurch Austrocknung und Verun-reinigungen drastisch verringert werden. Der Pastenabfall wird erheblich reduziert und die Reproduzierbarkeit der Druckergebnisse kann deutlich verbessert werden.
Ausreichende Wartung ist wichtig
Abgesehen von technischen Aspekten, sind aber auch viele dem Schablonendruck zugeschriebene Fehler auf schlechtes Management zurückzuführen. Einige Hersteller sind so damit beschäftigt, die engen Produktionspläne einzuhalten und die Produkte schnell auszuliefern, dass sie oft übersehen, wie wichtig es ist, ihren Fertigungsingenieuren Zeit für Schulungen zu geben, die notwendig sind, um sich effektiv um die Verbesserung der Prozesse im Haus kümmern zu können.
Mit Blick auf den Schablonendruck heißt das, dass regelmäßige Maschinenwartungen und Überprüfungen der Kalibrierungen vorgenommen werden müssen, und dass Verschleißteile wie Rakel nicht übermäßig abgenutzt oder beschädigt sein sollten. Niemand kann erwarten, dass sein Schablonendrucker zuverlässig arbeitet und hohe Qualität liefert, wenn er nicht ordentlich gewartet und regelmäßig gepflegt wird (genau wie bei seinem Auto).
Viele Prozessfaktoren haben Einfluss auf die Qualität eines fertigen Boards am Ende der Linie. Aber wenn der Schablonendrucker sorgfältig gewartet und kalibriert ist, mit bekannt gutem Material gefüttert und von gut ausgebildeten Mitarbeitern nach erprobten Verfahren bedient wird, können hervorragende Druckergebnisse erzielt werden. Obwohl viele Lötfehler immer noch fälschlicherweise dem Schablonendrucker zugeschrieben werden, sind sich aufgeklärte Hersteller bewusst, wie sehr die einzelnen Produktionsprozesse voneinander abhängen. Sie sind ständig bemüht, alle auffälligen Prozessprobleme gründlich zu untersuchen und die wahren Ursachen dafür herauszufinden.
Als Folge davon entwickeln sie ein solides Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Genauigkeit ihres Schablonendruck-Prozesses. Sie vergeuden nicht länger ihre Zeit mit dem Versuch, „Druckerprobleme“ zu lösen, die schlichtweg keine solchen sind.
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