Startseite » Allgemein »

Ein verborgenes Potenzial? Reto Liechti, Schleuniger AG

Koaxialkabel und Automatisierung in der Automobilindustrie
Ein verborgenes Potenzial? Reto Liechti, Schleuniger AG

Der Trend zu mehr Ausstattung und Komfort bei kürzeren Innovationszyklen und gleichzeitig immer komplexeren Systemen hält in der Automobilindustrie weiter an. Die Wertschöpfung bei Elektrik- und Elektronikkomponenten macht einen immer größeren Anteil aus. Um dem hohen Grad an Funktionalität zu genügen, werden neue Technologien eingesetzt. Kostengünstige Produktionsverfahren sind unabdingbar.

Standard für Koaxialverbindungen: Elektrik- und Elektronikkomponenten für Fahrzeugsicherheit und Kommunikation haben im heutigen Automobil Schlüsselfunktionen. Verbindungen mit Koaxialkabeln haben daran einen bedeutenden Anteil. Die vom “Fachkreis Automobil” (FAKRA) abstammende Norm bietet ein standardisiertes mechanisch und farblich kodiertes System für Steckverbindungen, das übergreifend von verschiedensten Automobilherstellern in zahlreichen Fahrzeugplattformen genutzt wird. Der jährliche Bedarf an solchen Leitungssätzen bewegt sich im mehrstelligen Millionenbereich. Die breite Verwendung dieses Standards bietet ein entsprechendes Potenzial für Kosteneinsparungen in den Produktions- und Beschaffungsprozessen.

Wirtschaftlichkeit durch Leistungsdruck
Steigender Kostendruck forciert schlanke und effiziente Produktionsstrukturen. Steigende Anforderungen an die Qualität der Verarbeitung verlangen nach einer intensiveren Prozessüberwachung. Diesen Entwicklungen kann und wird mit verschiedenen Ansätzen begegnet. Kennzeichnend ist, dass die Lösungsansätze stark davon abhängig sind, welcher Zeithorizont für die Erfolgsbewertung zugrunde gelegt wird. So kann z. B. eine Verlagerung der Produktion in Niedriglohnländer und eine Ausdehnung der manuellen Fertigung kurzfristig Sinn machen. Doch macht sie das auch langfristig? Die Antwort fällt je nach Unternehmen, Branche, Produkt und Zeithorizont ganz offensichtlich verschieden aus. Ein Ansatz setzt auf die vertikale Integration der Produktionsprozesse und die konsequente Automatisierung von anspruchsvollen Prozessen. Vorausgesetzt sind dabei natürlich Produktionsvolumen, die einen solchen Ansatz rechtfertigen. Viele Automobilzulieferer von Kabelbäumen, Kabelbaugruppen oder konfektionierten Einzelkabeln setzen auf diesen Lösungsansatz.
Tatsache ist, dass in der Kabelverarbeitung der Automobilindustrie die Nachfrage nach automatisierten Prozessen steigt. Zunehmend wird die Wertschöpfung von halbautomatischen manuellen Arbeitsplätzen auf integrierte vollautomatische Fertigungslinien verlagert. Die Verarbeitung von Koaxialleitern liegt in dieser Entwicklung deutlich zurück: Hier ist der Automatisierungsgrad gemessen am „automobilen Durchschnitt“ deutlich tiefer als in anderen Segmenten.
Produktionsstandort Osteuropa
Die Lohnkosten im aufstrebenden Osteuropa entwickeln sich anhaltend nach oben. Die Kosten steigen jährlich in zweistelligen Prozentraten, d. h. eine Angleichung an das westliche Europa findet mit hoher Geschwindigkeit statt. Davon bleiben auch die Automobilindustrie und deren Zulieferer nicht verschont. Hinzu kommt die zunehmende Verteuerung der Transportpreise, deren Ende nicht abzusehen ist. Das Thema Versorgungssicherheit ist mit dem stark gewachsenen Verkehrs- und Transportaufkommen ebenfalls ein kardinales Problem. Als Folge all dieser Faktoren wird im Vergleich zu einer lokalen Produktion die weiträumig abgestützte Beschaffung und Herstellung tendenziell unattraktiv. Neue Lösungsansätze mit einer verstärkten vertikalen Integration und zunehmender Automatisierung der Herstellprozesse gewinnen an Bedeutung.
Kostenbewusste Verarbeitung
Bei der Konfektionierung von Koaxialkabeln nach FAKRA Standard sind je nach Crimpkontakt- und Steckertyp mehrere prozesstechnisch aufwändige, d. h. zeitintensive und qualitätskritische Schritte nötig (abisolieren, Innenleiterkontakt crimpen, Hülsen aufschieben, Geflecht aufweiten, Stecker assemblieren und Hülse vercrimpen). Diese sind als Verkettung der Einzelprozesse natürlich automatisierbar, wenn auch mit einem beträchtlichen Aufwand, d. h. vielen einzelnen Stationen. Hersteller moderner Steckersysteme richten ihr Augenmerk deshalb vermehrt auf die möglichst einfach zu realisierende Automatisierung. Kennzeichen solcher Stecksysteme sind vorassemblierte Crimpkontakte (bestehend aus Innenleiterkontakt, Stecker und Crimphülse). Sie basieren bereits bei ihrer Herstellung auf hoch automatisierten Fertigungsprinzipien und einer 100 % Vorprüfung. Ihr Design stellt sicher, dass diese Steckersysteme in der weiteren Verarbeitung weniger aufwändig sind. Automatisierungstechnisch heißt das, dass die weitere Verarbeitung mit weniger Stationen bestückt ist.
Für Konfektionär und Maschinenbauer stellt die Automatisierung in beiden Fällen neue Anforderungen. Zentral und für den Erfolg entscheidend ist die klare Abstimmung von Automatisierungsgrad und Fertigungsbedarf. Dabei ist klar, dass eine geringe bis mittlere Produktvielfalt und mittlere bis große Lose die Automatisierungslösung attraktiv machen. Ein kleiner Produktmix mit relativ hohen Stückzahlen erlaubt einen hohen Automatisierungsgrad. Die Systemkomplexität bleibt in Grenzen, Umrüst- und Stillstandzeiten sind gering.
Mit einem durch die Automatisierung getriebenen vergrößerten Ausstoß, einem höheren Nutzungsgrad, sowie einem hohen, stabilen Qualitätsstandard durch das Wegfallen der manuellen Verarbeitungsfehler amortisiert sich eine auf den ersten Blick relativ hohe Investition sehr schnell. Trotz der anfänglich mit jeder Automatisierung zu durchlaufenden Lernkurve werden erfahrungsgemäß die kostenseitigen Zielvorgaben schnell und mit hoher Wahrscheinlichkeit erreicht.
Investieren, wo es sich rechnet
Entscheidungsfindungen für Investitionsvorhaben sind grundsätzlich langwierige und komplexe Prozesse. Nicht zuletzt dienen diese der Reduktion von Unsicherheiten und Risiken. Neben technischen, rechtlichen und ökonomischen Gesichtspunkten sind vor allem betriebswirtschaftliche Faktoren maßgebend. Die monetäre Bewertung einer Investition unterscheidet sich grundsätzlich zwischen statischen und dynamischen Verfahren der Investitionsrechnung. Beide Verfahren stützen sich auch auf den ROI (Return on Investment oder Kapitalrendite) ab. Dieser setzt den erzielbaren Profit aus dem Vorhaben ins Verhältnis zum investierten Kapital und nimmt eine wichtige Position bei Entscheidungsfindungen ein. Er informiert in kurzer prägnanter Weise über einen komplexen Sachverhalt und kann durch das prozentuale Verhältnis auch bei unterschiedlich hohen Investitionssummen verglichen werden. Da sich in der Literatur eine Vielzahl an Kalkulationsmodellen findet, wird hier bewusst nicht näher auf diese Thematik eingegangen. Einen in Europa gebräuchlichen Ansatz zeigt die untenstehende Formel.
(Gewinn+Kalkulatorischer Zins)*100
ROI =
(Investitionssumme*0,5)
Ein konkretes Automatisierungsprojekt wurde mit folgenden Rahmenbedingungen gerechnet: Produktionsstandort ist Osteuropa, das jährliche Produktionsvolumen 1.2 Mio. Kabelsätze und das Investitionsvolumen mit hohem Automationsgrad 500.000 Euro. Als Referenzsituation wurde eine bestehende Fertigung mit halbautomatischer Bestückung und manuell-sequenzieller Verarbeitung zugrunde gelegt, dies bei einer Amortisationszeit von vier Jahren. Der Standort, d. h. das Lohnniveau ist in beiden Fällen identisch.
Die Grafik zeigt den Vergleich der absoluten Verarbeitungskosten je Kabel, wobei der Einfachheit halber die Materialkosten für Kabel und Crimpkontakte nicht betrachtet wurden. Verglichen wurden die eingangs beschriebenen Verarbeitungen mit tiefem und hohem Automatisierungsgrad. Mit der automatisierten Variante lassen sich trotz der hohen Initialinvestition bei einem Produktionsvolumen von 1.2 Mio. Stück gegenüber einer manuellen Variante Kosteneinsparungen in Höhe von mehr als 200.000 Euro erzielen. Die Produktionskosten pro Kabel liegen über 50 % tiefer (0.14 Euro gegenüber 0.33 Euro). Entsprechend kurz ist die Amortisationszeit für die Automatisierungslösung.
Bei der Herstellung, Verarbeitung und Verwendung sind Koaxial-Stecksysteme unterschiedlichen elektrischen, thermischen und mechanischen Einflüssen ausgesetzt, die es zu beherrschen gilt. So stellt z. B. das Crimpen eines vorassemblierten „einteiligen“ Crimpkontaktes der neuesten Generation andere Anforderungen als es bei konventionellen mehrteiligen Crimpkontakten der Fall ist. Eine besondere Qualitätsanforderung beim Crimpen solcher neuen Crimpkontakte betrifft die Auswertung von Zeit-Kraft-Kurven (Crimpkraftüberwachung) über mehrere Zonen des Crimpkontaktes. Ungeachtet der Crimpkontaktbauart verlangt die moderne Automatisierung neben der Crimpkraftüberwachung die Prüfung aller Kabelenden mit optischen, elektrischen und mechanischen Mitteln. Unter dem Betrachtungswinkel der Qualität lassen sich bei vorassemblierten wie auch bei mehrteiligen Prinzipbauweisen des Crimpkontaktes gleiche Qualitätsniveaus erzielen. Die Verarbeitung von Crimpkontakten der neuesten Generation ist jedoch räumlich kompakter, d. h. in weniger Einzelschritten zu realisieren.
Fazit
Generell ist ein hoher Automatisierungsgrad vor allem dort von Nutzen, wo hohe Qualitätsansprüche und/oder große Stückzahlen erreicht werden müssen. Bei einer durchdachten Projektierungsbasis ist eine Investition innerhalb einer relativ kurzen Zeit von wenigen Monaten möglich. Ein hoher Automatisierungsgrad hat sinkende Personalkosten, einfachere Handling-Prozesse und höhere Effizienz zur Folge. Die leichte Rückverfolgbarkeit von Fehlern und die zeitgleiche Messung des Qualitätsstandards sind deutliche Vorteile einer Automatisierung. Insgesamt heißt das, dass eine gezielte Automatisierung geeigneter Prozesse deutliche Wettbewerbsvorteile zu schaffen vermag. Ein Automatisierungsprojekt bedingt einen kompetenten und verlässlichen Partner mit entsprechendem Know-how. Nicht nur die eigentliche Ingenieursleistung und die technischen Anlagenspezifikationen zählen: Ebenso wichtig sind Dienstleistungen wie Beratung, Schulung und Support vor Ort. Diese sollten nicht nur am aktuellen Standort, sondern auch an potenziellen Konkurrenzstandorten verfügbar sein. Schleuniger erfüllt mit einer langjährigen und umfassenden Kompetenz in der gesamten Kabelverarbeitung, einer weltweit führenden Technologie zur hochpräzisen Verarbeitung von Koaxialkabeln sowie einem globalen Vertriebs- und Servicenetz diese Voraussetzungen. Die Basis für die flexible Verkettung von Einzelprozessen zu einer vollautomatischen Gesamtlösung liefert das TransferModule 6000. Im Bereich der Koaxialkabel-Verarbeitung ermöglicht es vor allem den Einsatz sämtlicher Tischmodelle der CoaxStrip-Familie.
EPP 419
Unsere Webinar-Empfehlung
INLINE – Der Podcast für Elektronikfertigung

Doris Jetter, Redaktion EPP und Sophie Siegmund Redaktion EPP Europe sprechen einmal monatlich mit namhaften Persönlichkeiten der Elektronikfertigung über aktuelle und spannende Themen, die die Branche umtreiben.

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktuelle Ausgabe
Titelbild EPP Elektronik Produktion und Prüftechnik 1
Ausgabe
1.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Videos

Hier finden Sie alle aktuellen Videos


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de