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Elementanalyse im Fokus

Dieter Böhme von Analyticon Instruments zum Thema RoHS
Elementanalyse im Fokus

Als Anbieter für tragbare Hand-Analysatoren, welche auf Röntgenfluoreszenz basieren, umfasst die Produktpalette tragbare und online-Prozess-Analysatoren, Dienstleistungen sowie kundenspezifische Software- und Hardwarelösungen. Die Redaktion hat sich mit Dieter Böhme, der seit 2005 im Verkauf und in der Applikation tragbarer RFA-Geräte für das RoHS-Screening und seit 2007 als Prokurist für Vertrieb und technisches Marketing zuständig ist, über die Sicherstellung der RoHS-Konformität unterhalten.

Herr Böhme, Sie als Spezialist tragbarer RFA-Geräte für das RoHS-Screening können uns bestimmt erklären, warum solch ein Screening notwendig ist?

Die EU-Richtlinien 2002/95/EG (RoHS) muss man nicht mehr erklären. Doch wie erreicht ein Hersteller elektronischer Geräte die geforderte RoHS-Konformität? Viele Firmen sammeln Erklärungen ihrer Lieferanten, diese beruhen wiederum auf Erklärungen von deren Lieferanten, usw. Wer in dieser Kette hat aber eine relevante Bestätigung für das Endgerät, für das die RoHS schließlich gilt? Da kann ein Prüflabor helfen, und die RoHS-Komformität bestätigen, dort sitzen die Spezialisten. Aber auch ein Prüflabor kann mittels chemischer Analytik am homogenen Material die RoHS-Konformität nur an den ausgewählten Messpunkten des Gerätes bestimmen. Je mehr Messpunkte der Auftraggeber bereit ist zu zahlen, umso höher ist seine Gewissheit, jedoch ist sie niemals 100 %. Und nun ist das hoffentlich erfolgreich RoHS-konform geprüfte Gerät gar nicht mehr vorhanden, denn es wurde (zumindest in Teilen) im Prüflabor zerlegt, in Säure aufgelöst und analysiert. Was aber ist mit den vielleicht 100.000 Geräten einer Serienfertigung? Enthalten diese alle exakt die gleichen Bauteile, Kabel, Stecker, Lot usw. aus den gleichen Chargen wie das getestete Prüfmuster? Im Kapitel 6 einer von der IEC ausgearbeiteten Empfehlung wird das RFA-Screening vorgeschlagen. Damit lässt sich entlang der Lieferkette und in der Marktüberwachung ein Netz von Stichproben-Kontrollen aufbauen. Auch Spezialisten im Prüflabor nutzen RFA-Screening zur Auswahl der Proben für die chemische Analyse. So kann in jeder Firma anhand einer Risikomatrix der Schwerpunkt der Prüfungen auf Risiko-Materialien und unsichere Lieferanten gelegt werden, unnötige Prüfungen werden vermieden. RFA-Screening kann mit tragbaren Geräten praktisch an jedem Ort durchgeführt werden.
Worauf beziehen sich die Grenzwerte der RoHS-Verbotsstoffe?
Sie beziehen sich auf das homogene Material, dieses ist (gem. RoHS) so definiert, dass es sich mechanisch (Schneiden, Schleifen,…) nicht mehr in verschiedene Materialen teilen lässt. Das ist manchmal schwer verständlich. Eine Schraube besteht aus drei homogenen Materialien, dem Eisenkern, der Zink-Schicht und der Chromatierung. Hartnäckig hält sich die (falsche) Idee, man könne eine Baugruppe zerkleinern, in Säure auflösen und analysieren. Damit erhält man jedoch nicht nur keine Aussage am homogenen Material, die Schlussfolgerung kann auch noch völlig falsch sein. Denn es sind derzeit 29 Ausnahmeregelungen zu beachten. Zum Beispiel: Blei könnte von Bauelementen mit Ausnahmeregelung stammen (z.B. Glas von Dioden), oder Cadmium aus Kunststoffen könnte beim Aufschluss verdünnt worden sein. Die RoHS-Verbotsstoffe hatten historisch eine technische Funktion zu erfüllen und waren in hoher Konzentration im Material, Blei im Lot wegen Schmelzpunkt und Verhinderung von Whiskermigration, Bleisalze als Stabilisator im PVC, Cadmium als Farbstoff und Stabilisator in Kunststoffen. Wird die technische Funktion dieser Verbotsstoffe auch ohne diese erreicht (wie im bleifreien Lot), so sind die Verbotsstoffe nur noch als Verunreinigung enthalten. Verbotsstoffe können deshalb vielfach leicht aufgespürt werden, weil sich die Konzentrationen um Größenordnungen unterscheiden, natürlich gibt es Ausnahmen. RFA-Screening ist auch am nicht-homogenen Material zulässig. Hilfreich ist es, Werkstoffe und Technologie zu kennen, aber das gilt nicht nur für RoHS.
Was bewirkt das RFA-Gerät?
RFA heißt Röntgen-Fluoreszenz-Analyse. Eine Probe wird durch Röntgenstrahlung angeregt. Dabei werden Elektronen von inneren Schalen der Atome auf ein energetisch höheres Niveau gehoben. Beim Füller der dadurch entstandenen „Lücken“ durch Zurückfallen von Elektronen wird eine charakteristische Röntgenstrahlung emittiert. Diese Fluoreszenz-Strahlung wird detektiert und das Spektrum in Bezug auf das jeweilige Element und dessen Konzentration ausgewertet. Die RFA ist eine etablierte Methode zur qualitativen und quantitativen Element-Bestimmung. Wichtigstes Merkmal – die Probe steht nach der Messung noch zur Verfügung.
Ist es nicht umständlich, das Gerät mit sich zu führen?
Das tragbare RFA-Gerät ist sehr flexibel und mobil überall einsetzbar. Es findet Platz in einem Gerätekoffer, man kann uneingeschränkt damit reisen. Am Einsatzort den Koffer öffnen, Gerät einschalten, keine Kalibration, nach einer Minute einsatzbereit, Proben messen, eine Messung dauert Sekunden bis Minuten je nach Aufgabe, der Akku hält den ganzen Tag, es ist nur knapp 1500 Gramm leicht, sämtliche Umgebungsbedingungen werden verkraftet. Will man es bequemer haben, kann das Gerät sekundenschnell an eine stationäre oder mobile Probenkammer angedockt werden.
Wo sehen Sie die Schwierigkeiten in der RoHS-Umstellung?
Die Schwierigkeit basiert auf dem Problem im Verständnis. Unter RoHS-konform wird oft nur die bleifrei-Umstellung verstanden. Deshalb findet man bleifrei verzinnte, aber mit Cd-haltigem Schrumpfschlauch versehene „RoHS-konform“ gekennzeichnete Kabelendhülsen. Lieferanten-Erklärungen befriedigen oft das Bedürfnis nach (scheinbarer) Sicherheit zur RoHS-Konformität, denn sie tragen eine Unterschrift. Dabei beruht dies oft selbst auf der Erklärung des Sub-Lieferanten, dem wiederum die Erklärung des Sub-Sub-Lieferanten vorlag, usw. Vom Vermarktungs-Risiko kann sich aber der Inverkehrbringer des Gerätes nicht befreien. Die RoHS setzt durch die Definition der Verbotsstoffe am homogenen Material und die Tatsache, dass drei chemische Elemente (Cd, Pb, Hg), eine Wertigkeit eines chemischen Elementes (Cr-VI) und eine Gruppe von organischen Verbindungen (PBB/PBDE) verboten sind, scheinbar hohe Kenntnisse in Analytik voraus. Die Basis für das RFA-Screening sind zwar Analysenwerte, aber die Entscheidungs-Kriterien sind Kategorien. Diese Screening-Idee ist so „genial“, dass sie manchmal selbst Analytiker verwirrt, die gewöhnlich in anderen Begriffen denken. Analytische Kenntnisse sind in der Elektro-Branche traditionell nicht so stark entwickelt wie zu Funktionstest und Technologie. Manchmal wird daraus eine „alles-“ (nur chemische Prüfung) oder „nichts-Situation“ (nur Lieferanten-Erklärungen) abgeleitet. RoHS-Konformität ist ein Prozess sich ergänzender Maßnahmen entlang der Lieferkette über die gesamte Fertigung und über lange Zeit – sie ist Teil der Qualitätssicherung. Dabei spielt RFA-Screening eine zentrale Rolle, weil es unmittelbar schnell und flexibel in der Logistikkette der eigenen Firma eingesetzt werden kann. Unsichere Chargen und Lieferanten können sofort erkannt, Proben für eine nachfolgende chemische Analyse können gezielt ausgewählt werden.
Haben Sie Tipps für Hersteller in der Elektronikindustrie im Umgang mit RoHS?
Wichtig ist die Wahrung der Sorgfaltspflicht, auch um wirtschaftliche Risiken abzusichern.
Mit RFA-Screening offenbart man ein hohes Maß an Sorgfaltspflicht. Von dem Gedanken „wenn ich nicht alles zu 100 % wissen kann, tue ich gar nichts“ sollte man sich trennen. Eine Sperrung von Lagerbeständen, Rückrufaktionen, Schädigung des guten Rufes können teuer sein und langfristig wirken. Ob Elektronik-Konsolen oder Spielwaren, es trifft immer den ungünstigsten Zeitpunkt, und das einzige praktikable Mittel zur Schadensminderung ist RFA-Screening, das dann konsequent in der QS eingesetzt wird.
Was denken Sie über die Entwicklung der RoHS-Umstellung?
RoHS und ELV sind erst der Anfang der Stoffverbote. Mit REACH (Registration, Evaluation and Authorisation of Chemicals) kommt die Pflicht zur Deklaration auch für die Elektronik-Industrie. Wenn man aber mehr tut, als den Umweltgedanken zu pflegen oder die Sorgfaltspflicht zu wahren, kann man aus Sicht der Analytik von den vergleichsweise geringen Investitionen für das RFA-Screening nur profitieren. RoHS wird in vielen Firmen das Übungsfeld in Analytik für die Qualitätssicherung. Viele Firmen entdecken, das sich Fragen der QS mit dem gleichen tragbaren RFA-Gerät beantworten lassen, mit dem gestern noch die RoHS-Konformität im Wareneingang geprüft wurde. (dj)
Vielen Dank für das Gespräch.
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