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Freizeit oder Überstunden?

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Freizeit oder Überstunden?

Überstunden, Endlosmeetings, Dauerbereitschaft an iPhone und Blackberry – für viele Arbeitnehmer ist das schon fast Normalität. Belohnt wird das Engagement nur selten, obwohl die Gesetzeslage eindeutig ist.

Brummt die Wirtschaft, schuften Deutschlands Beschäftigte wie fleißige Bienchen. So hat jeder Angestellte im Jahr 2010 insgesamt 43,6 bezahlte Überstunden geschoben. Die tatsächliche Mehrarbeit soll laut Schätzungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) allerdings mindestens doppelt so lange gedauert haben. Insgesamt 15 Prozent mehr Extra-Dienststunden als im Krisenjahr 2009 haben Mitarbeiter geschoben.
Arbeitgeber sehen in diesem Trend ein Zeichen des Wirtschaftswachstums, Gewerkschafter bewerten die Entwicklung eher kritisch. Wenn es mehr Arbeit gebe, müssten eben auch mehr Arbeitsplätze geschaffen werden, in vielen Fällen ein Wunschdenken, und so werden viele Angestellte auch weiterhin bis spät in den Abend hinein an ihren Aufgaben sitzen. Dennoch muss auch in boomenden Zeiten niemand über seine Grenzen gehen. Arbeitnehmer sollten wissen, in welchem Rahmen die Überstunden überhaupt erlaubt sind, wann sie durch Freizeit ausgeglichen und wann sie bezahlt werden sollten.
Grundsätzlich gilt: Der Arbeitstag darf nicht mehr als acht Stunden umfassen – Pausen nicht einberechnet. So will es das Arbeitszeitgesetz. Auf zehn Stunden könne er verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Monaten oder 24 Wochen der Durchschnitt von acht Stunden pro Werktag bestehen bleibt, so die Meinung eines Experten. Generell gilt, Überstunden entstehen, wenn ein Beschäftigter über seine individuell vereinbarte Arbeitszeit hinaus arbeitet. Wer zusätzlich zur regulären Arbeitszeit Rufbereitschaft hat, macht ebenfalls Überstunden, allerdings werden diese nicht als volle Arbeitszeit gewertet.
Doch es gibt auch Ausnahmen: In einem Betrieb mit Gleitzeit-Regelung gibt es keine Überstunden im eigentlichen Sinne. Hier muss der Angestellte selbst dafür sorgen, im Laufe des Jahres zu viel oder zu wenig geleistete Arbeit auszugleichen. In vielen Betrieben ist es üblich, dass die Mitarbeiter einfach länger machen, auch wenn der Chef sie dazu nicht auffordert – ob aus Motivation oder aus ängstlichem Pflichtgefühl. Man will ja schließlich gut dastehen, wenn die nächste Krise kommt. Doch was Angestellte wissen sollten, grundsätzlich ist niemand zur Leistung von Überstunden verpflichtet. Wenn im Arbeits- oder Tarifvertrag keine entsprechende Regelung steht, haben Vorgesetzte in der Regel kein Recht, Extraarbeit anzuordnen. Wenn jedoch im Vertrag Mehrarbeit vorgesehen ist, kann ein Chef verlangen, dass der Beschäftigte erst nach zehn Stunden Schluss macht. Gibt es einen Betriebsrat, muss dieser zustimmen, bevor der Arbeitgeber Mehrarbeit verlangt. Mehr als zehn Stunden täglich sind jedoch in keinem Fall erlaubt, und jede Sonderstunde muss durch Freizeit ausgeglichen werden: Binnen sechs Monaten muss sich für einen Vollzeit-Beschäftigten ein Tages-Durchschnitt von acht Stunden ergeben.
Im Notfall jedoch können Chefs die Beschäftigten auch ohne Vertragsvereinbarung zur Zusatzarbeit verpflichten – dann nämlich, wenn dem Betrieb Schaden droht. In diesen Fällen können Angestellte die Extra-Schicht nur ablehnen, wenn sie jugendlich, schwerbehindert, schwanger oder stillende Mutter sind – oder ansonsten einen überragenden Grund dafür haben, etwa den eigenen Hochzeitstermin. Ansonsten gilt: Bei Verweigerung droht eine Abmahnung und im schlimmsten Fall die Kündigung. Allerdings dürfen Chefs nicht jede schwierige Situation einfach zum Notfall deklarieren: Auftragshäufungen, Störungen im Internet, eine Krankheitswelle oder ein Streik der Kollegen sind sein unternehmerisches Risiko und nichts, was die Beschäftigten auffangen müssten. Sonderschichten im Notfall können sich naturgemäß kurzfristig ergeben. In allen anderen Fällen muss der Arbeitgeber Überstunden rechtzeitig ankündigen. Ist der Arbeitsvertrag auf Basis einer Fünftageswoche geschlossen, sind Überstunden am Samstag und Sonntag tabu. Ist jedoch keine entsprechende Regelung vorhanden, kann es die Angestellten grundsätzlich auch am Samstag treffen, da dieser gesetzlich als Werktag zählt. Die Beschäftigten an Sonn- und Feiertagen zu Extraschichten zu verdonnern, ist hingegen nur erlaubt, wenn an diesen Tagen kein generelles Arbeitsverbot in der betroffenen Branche gilt. Für Angestellte in Führungspositionen gelten die strengen Arbeitszeitgesetze übrigens nicht – was bedeutet, dass sie zu Mehrarbeit in üblichem Umfang bereit sein müssen, möglicherweise auch zu mehr als zehn Stunden pro Tag. Dies gilt jedoch nur für leitende Angestellte im Sinne des Kündigungsschutzgesetztes, also für Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche Mitarbeiter, die berechtigt sind, selbständig Arbeitnehmer einzustellen oder zu entlassen. Leitende Angestellte hingegen, die die Firma nicht juristisch vertreten, können sich auf die Arbeitszeitgesetze berufen. Bei diesen Angestellten handle es sich etwa um Abteilungsleiter oder Stellvertreter von Führungspersonen, sofern sie selbst keine Prokura haben. Wer Überstunden schiebt, hat einen Anspruch auf Ausgleich der Extraarbeit auch wenn sich im Arbeitsvertrag die beliebte Formulierung findet, Überstunden seien mit dem Entgelt abgegolten. Ein Arbeitsvertrag sollte kein Freibrief für einen Arbeitgeber sein, beliebig auch über die Freizeit seines Angestellten zu bestimmen. Wenn der Mitarbeiter die Überstunden zwar aufgezeichnet hat, aber nicht belegen kann, dass sie angeordnet, gebilligt oder geduldet waren, geht er leer aus. Überstunden müssen nach dem Willen des Vorgesetzten geleistet werden. Wer einfach länger bleibt und vergebens darauf hofft, der Chef würde das schon mitbekommen, hat keinen Anspruch auf einen Ausgleich. Im Zweifel sollte daher der Angestellte eine Auflistung der Zusatzstunden abzeichnen lassen. Übrigens sichern sich Arbeitgeber häufig mit einer sogenannten Ausschlussfrist gegen späte Forderungen durch ihre Angestellten ab, indem sie etwa Folgendes in den Vertrag aufnehmen: Sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Nach Ablauf der Frist sind die Ansprüche verfallen. Das bedeutet, dass die Angestellten die Ansprüche wie die Bezahlung von Überstunden zeitnah geltend machen müssen und nicht im Nachhinein für die letzten Jahre kassieren können.
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