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Geringere Beanspruchung der Baugruppe Uwe Pape, Fraunhofer IZM, Berlin Rolf L. Diehm, Seho Systems GmbH, Kreuzwertheim Prof. Dr. Ing. Mathias Nowottnick, Universität Rostock

Reflowlöten mit zusätzlicher selektiver Mikrowelle
Geringere Beanspruchung der Baugruppe Uwe Pape, Fraunhofer IZM, Berlin Rolf L. Diehm, Seho Systems GmbH, Kreuzwertheim Prof. Dr. Ing. Mathias Nowottnick, Universität Rostock

Neue Technologien der Aufbau- und Verbindungstechnik stellen höhere Anforderungen an die Baugruppe und auch an die Verfahrenstechnik. So sind zum einen bereits 150°C eine obere zulässige Grenztemperatur für Polymerelektronik und die Integration optischer Strukturen auf Polymerbasis in der Leiterplatte. Zum anderen steigen durch den Einsatz bleifreier Lote die Löttemperaturen beim Reflowlöten auf 230 bis 260°C. In den letzten Jahren wurde die Entwicklung von Ofenprozessen für das Reflowlöten mit dem Ziel einer möglichst homogenen Temperaturverteilung auf der Baugruppe getrieben. Jedoch zeigen viele Verfahren mit hoher Homogenisierung der Erwärmung für die simultane Verarbeitung empfindlicher Materialien Defizite. Für solche Anwendungen wird ein simultanes Erwärmungsverfahren mit einer selektiven Wirkung benötigt, wie es auf der Basis von Mikrowellen möglich wäre. Entsprechende Entwicklungsarbeiten werden im BMBF-Verbundprojekt „Microflow“ mit den Projektpartnern Seho Systems, Fricke & Mallah, DaimlerChrysler, Heraeus, Peters Research, Inboard/Sanmina-SCI und dem Fraunhofer IZM durchgeführt, wovon einige hier kurz vorgestellt werden.

Die Entwicklung der Lötverfahren für die Baugruppentechnologie hatte in der Vergangenheit in der Regel das Ziel, eine möglichst homogene Temperaturverteilung auf der Lötbaugruppe zu erreichen. Da die Infrarotstrahlung bei Bauteilen mit einer großen thermischen Masse nur sehr langsam zur Erwärmung führt, werden kleine Bauteile weit über die erforderliche Löttemperatur überhitzt. Deshalb wurde bereits in den 80er-Jahren die „Zwangskonvektion“ als dominierendes Reflowlötverfahren eingeführt.

Für besonders anspruchsvolle Bauteile, wie zum Beispiel große BGAs, bei denen sich die Lötanschlüsse unter dem Bauelement befinden, stößt aber auch dieses Verfahren gelegentlich an seine Grenzen. Die Leiterplatten- und Bauelementeoberflächen erreichen Temperaturen, die nicht selten 15 bis 30 K über der Temperatur der zu lötenden Lot-Balls liegen. Multilayer-Leiterplatten mit 20 und mehr Lagen benötigen sehr lange Lötzeiten, bis die gesamte Baugruppe durchgewärmt ist und schließlich auch die Lotdepots die Löttemperatur erreichen. Eine weitere Verringerung der Temperaturdifferenzen ist heute mit dem Dampfphasenlötprozess möglich. Durch die hohen Wärmeübergangskoeffizienten des kondensierenden Dampfes können auch für anspruchsvolle Baugruppen Temperaturdifferenzen nahe null erreicht werden.
Die Anforderungen der Polymerelektronik, der elektrisch-optischen Baugruppen sowie der Hochtemperaturelektronik machen eine Weiterentwicklung der Löttechnik notwendig, so dass im Prozess nach Möglichkeit nur die eigentlichen Lötverbindungen bis auf Löttemperatur erwärmt werden. Das ist heute nur mit selektiven Lötverfahren, wie dem Bügellöten oder dem Laserlöten, erreichbar. Dabei handelt es sich aber immer um sequenziell arbeitende selektive Lötverfahren, die den Durchsatz und die Anzahl der zu verarbeitenden Bauteile auf einer Baugruppe erheblich begrenzen. Für einen kostengünstigen industriellen Prozess mit den oben beschriebenen Zielstellungen ist aber ein simultanes und gleichzeitig selektiv wirkendes Lötverfahren erforderlich, das für elektronische Baugruppen heute allerdings noch nicht verfügbar ist. In einer Studie im Auftrag von Seho [1] wurde das im Folgenden beschriebene Lösungskonzept aus der allgemeinen Entwicklung der Baugruppenfertigung abgeleitet.
Zielsetzung
Die gesuchte selektive Erwärmung in einem produktiven simultanen Prozess ist grundsätzlich durch elektromagnetische Felder möglich, bei denen die Energie das zu erwärmende Werkstück durchdringt und in Abhängigkeit von dessen Materialeigenschaften in bestimmten Bereichen einkoppelt. Die bekannte Induktionserwärmung im Niedrig-, Mittel- und Hochfrequenzbereich ist dazu prinzipiell in der Lage, erfordert aber eine möglichst gute geometrische Anpassung des Induktors an die Form der jeweiligen Lötbaugruppe.
Die aus dem Haushalt bekannte Nutzung elektromagnetischer Felder im Mikrowellenbereich bietet dagegen eine wesentlich flexiblere Möglichkeit, unterschiedliche Werkstückgrößen in einem großen Volumen und mit hohem Durchsatz zu erwärmen. Um diese effektive Erwärmungsmethode auf die Fertigung elektronischer Baugruppen übertragen zu können, müssen allerdings bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:
  • die Anlagensicherheit muss auch an einer offenen Durchlaufanlage gewährleistet sein
  • es darf keine Schädigung der Baugruppen und Bauelemente durch thermische oder elektrische Beanspruchung entstehen
  • die zweckgemäß zu erwärmenden Volumina (Lot/Lötverbindungen) müssen deutlich schneller und intensiver erwärmt werden können als alle übrigen Komponenten
Die Sicherheit kann für moderne Mikrowellenanlagen auch im offenen Durchlaufbetrieb unter Fertigungsbedingungen gewährleistet werden. Durch geeignete Abschirmungsmaßnahmen im Ein- und Auslaufbereich werden entsprechende Systeme heute bereits in Serienreife hergestellt und zum Beispiel zur Trocknung von Holz oder anderen Materialien, auch für große Mengen mit hohem Durchsatz, genutzt. Schwieriger ist die Frage nach der Beeinträchtigung elektronischer Bauelemente und Baugruppen zu beantworten. Beispiele aus der Klebetechnik haben bereits gezeigt, dass auch in der Mikroelektronik eine sichere Mikrowellenanwendung möglich ist [3]. Dabei ist, wie bei jeder anderen Energieform auch, darauf zu achten, dass bestimmte Grenzwerte nicht überschritten werden. Eine konventionelle Haushalts-Mikrowelle besitzt durch das einfache Takten der Quelle sowohl zeitlich als auch lokal eine sehr inhomogene Feldverteilung, die lediglich durch das Rotieren des Erwärmgutes ausgeglichen wird. Für empfindliche elektronische Komponenten ist ein solcher Ausgleich aber viel zu träge und würde unweigerlich zu deren Zerstörung führen. Darum ist eine möglichst großflächige und homogene Feldverteilung ohne das Auftreten lokaler und zeitlicher Maxima zu gewährleisten. Auch dieses Problem ist mit dem Stand der Technik bei der Konstruktion moderner Mikrowellenanlagen lösbar.
Bleibt die Frage nach der Selektivität der erreichbaren Erwärmung bezüglich der verwendeten Lotwerkstoffe. Erste Voruntersuchungen haben gezeigt, dass sich die üblichen Lotpasten nur sehr langsam und mit hoher Leistungsdichte erwärmen lassen. Beispiele aus der Literatur der jüngeren Vergangenheit belegen [4, 5], dass das Schmelzen von Loten in der Mikrowelle nur nach sehr langen Prozesszeiten und in der Regel indirekt über die Erwärmung der umgebenden Baugruppe erfolgt.
Darum wurde für das aus der Studie [1] abgeleitete Forschungsprojekt [2] ein anderer Ansatz zur Nutzung der Mikrowelle verfolgt. Indem der Lotpaste eine definierte Menge eines extrem gut ankoppelnden Materials, der sogenannte Suszeptor, zugegeben wird, lässt sich die eingebrachte Energiedichte wesentlich erhöhen. Solche Suszeptoren müssen entsprechende polare oder dielektrische Eigenschaften besitzen und können der Lotpaste, wie in Bild 1 dargestellt, in fester oder flüssiger Form zugesetzt werden. Auf diese Weise ist es möglich, die Erwärmung des Lotes gegenüber der übrigen Baugruppe erheblich zu beschleunigen, wodurch auch die benötigte Energiedichte weiter reduziert wird.
Grundsatzversuche mit der Mikrowelle
Zur Überprüfung der Machbarkeit des vorgestellten Konzeptes wurden zunächst mit niedrigschmelzenden BiSn-Lotpasten mit einer Schmelztemperatur von 139°C erste Grundsatzversuche mit möglichen Suszeptoren durchgeführt. Bereits die in Bild 2 dargestellten Versuchsergebnisse belegen deutlich, dass mit geeigneten Suszeptoren die erforderlichen Temperaturen auf das Lot übertragen werden können, wenn auch das Erscheinungsbild der umgeschmolzenen Lotpaste noch nicht den Anforderungen der Löttechnik entspricht.
Die weitere Untersuchung und Selektion von Suszeptoren ergab dabei einige Varianten, mit denen deutlich höhere Temperaturen, bei denen auch konventionelle Weichlote umschmelzen, realisiert werden konnten. Die effektivste Möglichkeit der Wärmeübertragung in der Mikrowelle ergibt sich durch den Einsatz flüssiger Suszeptoren (Bild 3). Aus dem besseren Kontakt der Flüssigkeit zu einer festen Oberfläche resultiert ein noch schnellerer Temperaturanstieg, auch hier wird mit 245°C die erforderliche Löttemperatur für bleifreie Lote sicher erreicht. Ein weiterer Vorteil bei der Verwendung flüssiger Suszeptoren besteht in der geringeren Menge an Rückständen, die nach dem Lötprozess um die Lötstellen verbleiben. Bei einer optimalen Auswahl der Siedepunkte und Löttemperaturen können so die Hilfsstoffe vollständig verdampft werden.
Es reicht jedoch nicht aus, die Lotpaste durch die Mikrowellen zum Aufschmelzen zu bringen, sondern auch die Wirkung der Mikrowelle auf die Komponenten sowie die Wechselwirkung der einzelnen Komponenten der Baugruppe untereinander sind von entscheidender Bedeutung. Entsprechende Versuche zur Wirkung von nicht vollständig verdampften Flussmittelrückständen auf der Leiterplatte führten zu der Erkenntnis, dass keine Schädigung von Basismaterial oder Metallisierung durch die Suszeptoren zu erwarten ist. Außerdem wurden durch die Anpassung der Frequenz und eine möglichst homogene Feldverteilung die Grenzwerte ermittelt, bei deren Einhaltung eine Herstellung der Lötverbindungen ohne Schädigung der Komponenten möglich ist. Dadurch konnte für die weitere Versuchsdurchführung ein sicheres Prozessfenster ohne schädliche Wirkung auf die behandelten Leiterplatten definiert werden (Bild 4).
Kombination von Mikrowelle und Reflow
Ein weiterer wichtiger Aspekt des im Forschungsprojekt verfolgten Konzeptes ist die Nutzung der hybriden Erwärmung. Da es ohnehin für die Minimierung des thermischen Stresses der Baugruppen erforderlich ist, die Temperaturunterschiede auf der Baugruppe so gering wie möglich zu halten, kann die Grundwärme in einem Vorwärmprozess auf konventionellem Weg mittels Konvektion erzeugt werden. Bei einer Vorwärmtemperatur im bleifreien Lötprozess, zum Beispiel von 200°C, müssen die Lötverbindungen durch die Mikrowelle nur noch um weitere 30 K erhitzt werden, um ein sicheres Umschmelzen zu ermöglichen. Die Kombination aus selektiver Einkopplung über Suszeptoren und einer hybriden Erwärmung gewährleistet einen schonenden und effektiven Reflowlötprozess. Das Schema für die Integration eines Mikrowellenmoduls in eine Konvektionslötanlage zur Gewährleistung des hybriden Erwärmungsprinzips zeigt Bild 5.
Ein weiterer Vorteil eines solchen hybriden Anlagenkonzeptes besteht darin, dass weiterhin auch konventionelle Lotpasten ohne Suszeptoren verarbeitet werden können und die Mikrowellenenergie je nach Bedarf und zu verarbeitender Baugruppe „zudosiert“ wird. Die erfolgreiche Umsetzung dieser Projektidee wurde an Labormustern hinreichend nachgewiesen. Bild 6 zeigt eine Leiterplatte mit vollständig umgeschmolzenen Lotdepots und einigen gelöteten Bauelementen auf der Leiterplatte ohne weitere erkennbare Fehlstellen. Die nachfolgenden Fotos in Bild 7 dokumentieren das aus der bleifreien Lötwelt bekannte Aussehen sowohl im makroskopischen Zustand als auch durch die metallografische Analyse.
Eine ausführliche Darstellung der Ergebnisse wird in dem voraussichtlich im Februar 2008 erscheinenden Abschlussbericht zum Projekt erfolgen. Außerdem wird im Rahmen der ebenfalls vom FED mitgetragenen Konferenz „Elektronische Baugruppen und Leiterplatten – EBL 2008“ eine Session von den Ergebnissen des Projektes getragen.
Zusammenfassung und Ausblick
Alle beschriebenen Erkenntnisse dieses Beitrages basieren auf den gemeinsamen Arbeiten des Projektkonsortiums, bestehend aus den Firmen Seho Systems, Fricke und Mallah, Heraeus, Daimler-Chrysler, Peters Research und Inboard sowie dem Fraunhofer IZM. Das Verbundprojekt „Microflow“ wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Allen beteiligten Partnern sowie dem Projektträger, dem Forschungszentrum Karlsruhe, das dieses Projekt betreut, sei an dieser Stelle für die gute Zusammenarbeit und die Unterstützung gedankt.
Die in dem laufenden Verbundforschungsprojekt „Microflow“ erarbeiteten Ergebnisse bestätigen die Hypothese, dass durch die Verknüpfung von hybrider Erwärmung und Wärmeeintrag in die Lotpaste mittels Suszeptoren eine selektive Erwärmung im simultanen Prozess möglich ist. Die Materialanpassung hat inzwischen zu Lotpasten auf der Basis bleifreier SnAgCu-Lote mit einem Schmelzpunkt von 217°C geführt. Die Optimierung der hybriden Anlagentechnik sowie die Definition des Prozessfensters mit ausreichender Sicherheit sind Gegenstand der letzten Arbeiten bis zum Projektabschluss.
Productronica: A3.263
epp 477
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