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Herausforderung Bleifrei

Automobil-Elektronik:
Herausforderung Bleifrei

Bis 2011 sollen die Automobilhersteller und ihre Zulieferer nach dem Willen der EU die Bleifrei-Stufe 3 umgesetzt haben. Die betroffene Branche hält das nicht für realistisch. Gerade weil die Umsetzung der Stufen 1 und 2 vorbildlich klappt, sind die Bedenken sehr ernst zu nehmen.

Sicherlich kann aktuell jedes EMS-Unternehmen froh sein, wenn sein Anteil Automobilelektronik am gesamten Auftragsvolumen nur eines von mehreren Standbeinen ist. Doch Automobilelektronik ist und bleibt eine Kernkompetenz der Elektronikfertigung in Europa. Mit steigendem Elektronikanteil im Auto wird ihre Bedeutung noch zunehmen – sprunghaft, wenn Hybrid- und reine Elektrofahrzeuge nennenswerten Anteil am Fahrzeugmarkt übernehmen. Also sollte man diese Sparte der Elektronik der aktuellen Krise wegen keinesfalls schon verloren geben.

Für die Bleifrei-Umstellung in der Automobilelektronik ist ein 3-Stufen-Plan vorgesehen:
  • Stufe 1 – Bauteile mit verbleit gelöteten Anschlüssen werden bleifrei auf der Baugruppe aufgebracht;
  • Stufe 2 – auch die Bauteilanschlüsse sind bleifrei;
  • Stufe 3 – ausnahmslos alle Lötstellen auch im Inneren der Bauteile müssen bleifrei sein.
Die Stufen 1 und 2 sind weitgehend umgesetzt. Die endgültige und umfassende Umstellung auf Bleifrei gemäß Stufe 3 stellt die Automobilindustrie und ihre Zulieferer aktuell allerdings vor große Herausforderungen. „Das hat durchaus Vorteile,“ so Dr. Petric Lange vor den Teilnehmern der diesjährigen Aufbau- und Verbindungstechnik-Fachtagung Wir gehen in die Tiefe (17./18. Juni, Dresden): „Weil durch bleifrei die Prozessfenster kleiner werden, wird die Löttechnik neu durchdacht und erforscht. Das bringt viele neue Erkenntnisse und Ansätze. Auch werden alternative Verbindungstechniken forciert – wobei sich klar abzeichnet, dass wir angesichts fortschreitender Miniaturisierung kaum Alternativen für SMD/SMT haben und hier wiederum kaum Alternativen zum Lötprozess als Verbindungstechnik bestehen.“ Der leitende Elektronikentwickler bei Hella nennt allerdings auch ganz klar die aktuellen Risiken der Bleifrei-Umstellung:
  • Gewaltige Ressourcenbindung mit geringem umwelttechnischem Effekt;
  • technisches Restrisiko auf Grund des hohen Umstelltempos und unzureichenden Langzeiterfahrungen;
  • aktuell verbleibende technische Ausschlusskriterien (No go) für die Umsetzung der Bleifrei-Stufe 3.
Automobilelektronik hat 14 Jahre Bleifrei-Erfahrung
Dabei kann die Branche mit der bisherigen Umsetzung der Stufen 1 und 2 durchaus ein erfolgreiches Umstellungsmanagement vorweisen: Die Stufe 1 ist erfolgreich umgesetzt. 1994 hat Hella diese Stufe 1-Umstellung mit Motormanagement-Baugruppen begonnen. Lange: „Damals haben wir Benchmarks mit 20 Loten gefahren. Die Zinn-Silber-Kupfer-Lote, die sich heute als anerkannter Standard durchgesetzt haben, zeigten sich in diesen Benchmarks bereits als am besten geeignet. Neben über 30 Jahren Erfahrung mit bleihaltigen Lötprozessen hat die Automobilelektronik damit bereits 14 Jahre Erfahrung mit Stufe 1 sammeln können.
Lange: „Dabei fanden wir keine Bestätigung, dass die Bleifrei-Stufe 1 ein Zuverlässigkeitsthema ist. Das gilt auch für Stufe 2, weshalb die entsprechende Umstellung der Baugruppen noch in diesem Jahr zum größten Teil abgeschlossen sein wird.“
Doch die Umstellung auf Stufe 3 birgt eine eigentlich unlösbare Zereissprobe: Einerseits will entsprechend dem von Brüssel vorgegebenen Fahrplan beispielsweise das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) in Flensburg ab 2011 Typprüfungen für neue Fahrzeuge nur noch erteilen, wenn Stufe 3 realisiert ist. Andererseits wollen oder können die Bauteilehersteller ihren Abnehmern aus der Automobilelektronik frühestens 2015 verbindlich sagen, wie und wann sie die internen Lötungen in den Bauteilen konform zu den Bleifreiforderungen der Politik gelöst haben werden. Lange: „Wenn wir nach diesem Fahrplan verlässliche Aussagen und dazugehörige Muster haben, können wir getreu unserer Hella-Technologieformel Zutaten-Zuverlässigkeit-Prozesstechnik überhaupt erst in einen Evaluierungsprozess gehen.“ Kern der ZZP-Formel ist selbstverständlich, dass die Ergebnisse gesichert sind, bevor mit der Umsetzung in der Serie begonnen wird.
Zwischen Politik und Bauteilherstellern
Die Automobilelektronik kämpft daher aktuell darum, dass diese Zwickmühle aufgehoben wird: „Die strikte Umsetzung von Stufe 3 sollte bis 2015 verschoben werden“, so Dr. Lange. „Außerdem muss es Ausnahmen für absehbar in bleifrei nicht oder nur unter hohem Risiko machbaren Lötverbindungen geben – beispielsweise Power-Chip-Lötungen, Elkos, Flipchip oder Löten auf Glas.“ Zu diesem Zweck gibt es aktuell mehrere Gremien im Automotive-Netzwerk – etwa den Bleifrei-Arbeitskreis der Auomotive OEMs und der Tier1 Supplier, sowie die Automotive Arbeitsgruppe im ZVEI. Den Schwarzen Peter der bewussten Verzögerung wollen sich jedenfalls weder die Automobilbranche selbst noch ihre Elektronik-Kernzulieferer zuschieben lassen: „Der Anteil an Bleifrei-Baugruppen nach Stufe 2 liegt heute bei 30 Prozent und wird nach Abschluss der Stufe 2-Umstellung zum Ende diesen Jahres stark ansteigen“, beschreibt Dr. Lange die Situation bei Hella. Die genannte Wartezeit, bis über die Lötungen im inneren aller Bauteile Klarheit herrscht, verbringen die Automobilelektronikhersteller also nicht tatenlos.
Fachtagung für die Elektronikfertigung
Automotive war nicht das Kernthema von Wir gehen in die Tiefe, bildete aber einen Schwerpunkt: Neben Dr. Langes Vortrag waren als weitere Automotive-Themen unter den gut ein Dutzend Vorträgen in Dresden auch Elektroniktrends bei VW und Repair-Strategien bei HarmanBecker auf der Tagesordnung. Außerdem besuchten die rund 100 Tagungsteilnehmer auch die Gläserne Manufaktur, in der VWs Topmodell Phaeton gefertigt wird. Veranstalter der Tagung waren Christian Koenen, Ekra, Heraeus, Rehm, SEAS, Vliesstoff Kasper und Zevac.
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