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Investieren oder auslagern?

Bleifreie Elektronikproduktion fordert Entscheidungen
Investieren oder auslagern?

Bleifreie Elektronik ist heute in aller Munde, der 1. Juli 2006 von vielen Herstellern elektrischer und elektronischer Geräte gefürchtet. Dann treten die WEEE- (Waste from Electrical and Electronic Equipment) und RoHS- (Restriction of Hazardous Substances) Richtlinien der EU in Kraft, die die Verwendung von Schwermetallen und bromhaltigen Flammschutzmitteln in der Produktion von Elektro- und Elektronikgeräten verbieten.

Bernd Lauterwasser, bebro electronic, Frickenhausen & Nora Homburg, Redaktionsbüro Stutensee

Für die Elektronikfertigung bedeutet der Verzicht von Blei in Loten eine echte Herausforderung. Die Schmelztemperaturen der bleifreien Lote liegen weit höher. Leiterplatten und Bauteile müssen her, die dieser Belastung gewachsen sind. Da viele Produktionen erst nach und nach umgestellt werden, laufen bleifreie und bleihaltige Produktionsprozesse parallel – eine enorme organisatorische und logistische Herausforderung. Zudem ist der Umstieg auf bleifreie Produktion für viele komplettes Neuland mit offenen Fragen und Risiken.
Landläufig wird von „bleifreier Elektronik“ gesprochen, gemeint sind damit aber alle von den Richtlinien betroffenen Gefahrstoffe: Cadmium (Cd), Quecksilber (Hg), sechswertiges Chrom (Cr (VI)), polybromierte Biphenyle (PBBs) und polybromierte Diphenyläther (PBDEs) sowie natürlich Blei (Pb). Zum Schutz von Mensch und Umwelt dürfen Hersteller von Elektro- und Elektronikgeräten diese Stoffe gemäß WEEE ab dem 1. Juli 2006 nicht mehr verwenden. Die Richtlinie sieht vorerst Ausnahmen in den Bereichen Sicherheitstechnik, Automobilindustrie, Medizin- und Militärtechnik vor. Doch auch diese Branchen werden schon bald betroffen sein: spätestens, wenn ihre Lieferanten die bleihaltigen Bauteile abkündigen, oder wegen zu geringer Nachfrage die Preise kräftig erhöhen.
Bleifrei, nichts als Ärger?
Der Umstieg auf bleifreie Fertigungsprozesse ist unumgänglich, bringt aber gleichzeitig einige Schwierigkeiten mit sich. Bleifreie Lote beispielsweise benötigen circa 30 K höhere Löttemperaturen. Bauteile müssen diesen Belastungen gewachsen sein. Ungeeignete Leiterplatten können sich verziehen; im schlimmsten Fall sind offene Lötstellen festzustellen. Auch den Teilestamm müssen Hersteller auf RoHS-konforme Bauteile umstellen, die bisher fehlende einheitliche Kennzeichnung erschwert dies jedoch erheblich. Sind Bauteile RoHS-konform, bedeutet das aber noch lange nicht, dass sie auch den höheren Löttemperaturen Stand halten. Kunststoffe von Bauteilen können schmelzen und sich verziehen, oder eingeschlossene Feuchtigkeit lässt Bauteile wie Popcorn platzen (Bild 3). Besonders schwerwiegend sind Hitzeschäden innerhalb der Bauteile, die von außen nicht sichtbar sind. Unter Umständen machen sie sich erst nach einer gewissen Betriebszeit bemerkbar. Und waren bisher matte Lötstellen ein Beweis für schlechtes Löten, muss dies bei bleifreien Loten keinesfalls einen Mangel bedeuten. Also müssen neue Kriterien für die Sichtkontrolle von Lötstellen definiert werden. Natürlich haben die erhöhten Löttemperaturen auch höhere Prozesskosten zur Folge. Bei Leiterplatten, elektromechanischen Bauteilen und aktiven Bauelementen ist mit Kostenerhöhungen zu rechnen.
Augen zu oder durch?
Für den Umgang mit der Bleifrei-Thematik gibt es die verschiedensten Herangehensweisen, vom Abwarten über Abwälzen auf Zulieferer bis hin zum Leugnen des Betroffenseins. Doch die Umsetzung der Richtlinien lässt sich nicht umgehen. Deshalb wählen manche Unternehmen noch einen anderen Weg: Sie bilden interne Arbeitsgruppen, die sich gezielt mit der Thematik auseinander setzen, das Betroffensein prüfen, und entsprechende Lösungen suchen. Diese Alternative ist durchaus löblich, bedeutet aber neben dem normalen Betrieb eine zusätzliche, beträchtliche Belastung. Oft bleibt dabei nicht genügend Zeit, alle Eventualitäten vollständig zu durchdenken, und darin lauern Gefahren, die sich nicht zuletzt rufschädigend oder finanziell auswirken können. Ganz zu schweigen von den Kosten, die mit der Anschaffung von neuen Lötanlagen auf die Hersteller zukommen. Mancher sollte sich spätestens in diesem Zusammenhang die Frage stellen, wie sinnvoll es ist, im eigenen Hause zu fertigen.
Bleifreie Fertigung vom Dienstleister
Dass bei der Umstellung auf bleifreie Fertigung nicht jeder das Rad selbst neu erfinden muss, davon ist bebro electronic überzeugt. Der Komplettanbieter, der kundenspezifische, elektronische Baugruppen, Geräte und Systeme entwickelt und produziert, hat sich bereits frühzeitig mit den bleifreien Fertigungstechnologien befasst. In einem Pilotprojekt und anhand von Testleiter- platten wurde das Lot Zinn-Silber-Kupfer (SnAg3,8/Cu0,7) für die SMT- und Wellenlötung qualifiziert. Seit dem 01. Januar dieses Jahres kann man in Frickenhausen bleifreie Serien fertigen (Bild 1 und 2). Dazu wurde in verschiedenste Lötanlagen zum Konvektions-, Dampfphasen-, Selektiv- und Wellenlöten und in ein Reworksystem investiert. Auch der Teilestamm, der die wesentliche Grundlage für Produktion und Stücklisten ist, wurde systematisch nach RoHS überarbeitet. Aus Recherchen ist inzwischen bekannt, welche Bauteile den hohen Löttemperaturen nicht gewachsen sind. Die Mitarbeiter sind für die bleifreie Technologie geschult, und mit den neuen Richtlinien für die Sichtkontrolle vertraut. Damit hat sich das Unternehmen einen Erfahrungsvorsprung in diesem Bereich erarbeitet, der den Herstellern von Elektro- und Elektronikgeräten als Dienstleistung zur Verfügung gestellt wird, und unterstützt bei der Überarbeitung von Stücklisten, der Auswahl bleifreier Alternativteile, bei Redesign sowie Neuentwicklung bleifreier Baugruppen. Greift man auf das Know-how des Dienstleistungsspezialisten zurück, indem man die Fertigung zukünftig zu ihm auslagert, kann man sich die nicht unerheblichen Kosten für den gesamten Umstellungsaufwand sparen. Gerätehersteller bleiben somit auch nach in Kraft treten der Richtlinien markt- und lieferfähig, und können sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren.
Bleifreie Elektronik – warum nicht?
Greifen Hersteller von Elektro- und Elektronikgeräten auf diese Fertigungsdienstleistung zurück, müssen sie sich nicht länger vor dem Tag X fürchten, an dem die Richtlinien in Kraft treten. Im Gegenteil, sie können sogar von den Vorteilen Gebrauch machen, die eine Umstellung auf bleifreies Löten mit sich bringt: So können bleifreie Baugruppen unter erschwerten Prozessbedingungen ihre Qualitäten ausspielen, da sie teilweise zum Einsatz unter hohen Umgebungstemperaturen besser geeignet sind, als herkömmliche Baugruppen. Zudem verpflichtet das ElektroG, das bereits jetzt als nationales Recht in Kraft ist, Hersteller von Elektro- und Elektronikgeräten, sich ab November dieses Jahres an den Entsorgungskosten von Altgeräten zu beteiligen. Die Entsorgung der Geräte, die die in den WEEE- und RoHS-Richtlinien verbotenen Schadstoffe nicht enthalten, ist weit kostengünstiger. Somit kann schon jetzt bares Geld gespart werden. Und nicht zuletzt kann ein Hersteller umweltschonende Produkte vermarkten – ein Verkaufsargument, das in der heutigen Zeit alles andere als irrelevant ist. Um die Erfüllung der Richtlinien kommen viele Unternehmen ab dem 01. Juli 2006 nicht herum. Wer aber frühzeitig umstellt, kann sich schon jetzt einen Marktvorteil gegenüber der Konkurrenz sichern.
EPP 425

Durchblick im Richtlinien-Dschungel
RoHS – Restriction of Hazardous Substances (deutsch: Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe): EU-Richtlinie, die die Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe und den Einsatz von Blei (Pb), Cadmium (Cd), Quecksilber (Hg), sechswertiges Chrom (Cr (VI)), polybromierte Biphenyle (PBBs) und polybromierte Diphenyläther (PBDEs) in elektrischen und elektronischen Geräten verbietet. Gilt für Geräte, die ab dem 01. Juli 2006 auf den Markt gebracht werden.
WEEE – Waste from Electrical and Electronic Equipment (deutsch: Elektro- und Elektronik-Altgeräte). Diese EU-Richtlinie bezieht die Hersteller von Elektro- und Elektronikgeräten in die Deckung der Kosten für Sammlung, Behandlung und Verwertung von Altgeräten mit ein, und will so die Recycling-Quote dieser Geräte erhöhen.
ElektroG – Elektro- und Elektronikgerätegesetz. Setzt die WEEE- und RoHS-Richtlinien in nationales Recht um. In Kraft seit 24. März 2005.
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