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Kann es künftig noch Qualität geben? Mario Berger, Göpel electronic, Jena

Moderne Bauformen als Herausforderung an die Teststrategie (Teil 2)
Kann es künftig noch Qualität geben? Mario Berger, Göpel electronic, Jena

Die Zeiten der klassischen Durchstecktechnik (THT) bei den Bauformen sind vorbei. Längst wurde diese durch die wesentlich kleineren „Sur- face Mounted Devices“ (SMD) abgelöst. Doch auch hier machte die Entwicklung nicht Halt. Der Markt verlangte nach immer kleinereren, kompakteren Bauformen. Auch der zweite Teil des Artikels sieht sich konfrontiert mit Ball-Grid-Arrays (BGAs), Flip-Chip und Chip-On-Board (COB) Packages und stellt mögliche Teststrategien vor.

Eine mögliche Teststrategie von morgen ist in den Bildern 5 und 6 dargestellt. Sie basiert auf dem Umstand, dass die zu prüfende Baugruppe nur bedingt elektrisch getestet werden kann. Ein Ursache dafür kann ein nur unzureichender mechanischer Zugriff auf die Leiterbahnen (sprich fehlende Testpunkte) bei gleichzeitig schlechter Boundary-Scan-Struktur sein. Um dennoch die Qualität der Baugruppe sicherstellen zu können, muss seitens des optischen Testens ein erheblicher Aufwand betrieben werden.

Das äußert sich im Einsatz eines Automatischen Röntgensystems nach dem Lötofen. Denn nur dies ist in der Lage sämtliche – also auch die „unsichtbaren“ – Lötstellen qualitativ zu bewerten. Für die Überprüfung möglicher Bauteilfehler (Anwesenheit, Lage etc.) ist das Testsystem jedoch ungeeignet, weswegen zusätzlich ein Automatisches Optisches Inspektionssystem zum Einsatz kommt. Idealerweise wird diese Kontrolle vor dem Lötprozess durchgeführt. Das hat den Vorteil, dass fehlerhaft bestückte Baugruppen gar nicht erst gelötet werden und daher mit einem wesentlich geringeren Aufwand repariert werden können.
Die Kombination aus AOI und AXI ermöglicht eine Testabdeckung von nahezu 100 % bei den optisch detektierbaren Fehlern. Diese ist auch notwendig und rechtfertigt den Einsatz, der doch recht kostenintensiven Röntgentechnik in diesem speziellen Fall.
Als mögliches elektrisches Testsystem kommt ein Flying Prober mit integriertem Boundary Scan zum Einsatz. Diese Kombination verspricht eine maximale Testabdeckung für den mit Boundary Scan zu testenden Anteil (da die Nadeln des FPT als „virtuelle“ Boundary-Scan-Zellen in die Tests einbezogen werden können). Der verbleibende Teil wird so gut wie möglich mit dem Flying Prober getestet. Dieser ist wesentlich flexibler als ein Incircuit-Testsystem, weswegen man letzteres nur eher selten in einer Teststrategie von morgen finden wird. Die Kombination FPT + BST wird trotz schlechter Voraussetzungen immer noch auf eine respektable Gesamttestabdeckung kommen. Ein anschließender Funktionstest bringt noch einmal ungefähr 20 % Zugewinn, so dass letztlich in dem Beispiel etwa 70 % der möglichen elektrischen Fehler detektiert werden können. Vor dem Hintergrund der hohen Testabdeckung der möglichen optischen Fehler kann dies als ausreichend gewertet werden.
Komplett anders verhält es sich in der folgenden Teststrategie 2 (Bild 7). Als Vorbedingung ist diesmal eine sehr ausgeprägte Boundary-Scan-Struktur auf der zu prüfenden Baugruppe vorhanden. Es wird davon ausgegangen, dass sämtliche „unsichtbaren“ Lötstellen mit Boundary-Scan-Ressourcen untersetzt sind. Hierdurch wird eine Abdeckung der für ein AOI untestbaren Bereiche möglich. Boundary Scan als Alternative zum Röntgen? Das ist durchaus denkbar, allerdings sollte man dabei immer berücksichtigen, dass es sich um einen elektrischen Test handelt. Eine Aussage, ob eine Verbindung besteht oder nicht, sagt beispielsweise nichts über den Meniskus einer Lötverbindung aus. Um diese Qualitätslücke ein wenig schmaler zu machen, wird nach dem Lötpastendruck ein 3D-Lotpasten-Inspektionssystem platziert. Mit Hilfe dessen wird sichergestellt, ob sich exakt die richtige Menge an Lötmittel an genau der richtigen Stelle der unbestückten Leiterplatte befindet. Mit der Kenntnis über den Lötprozess im Lötofen kann somit eine Abschätzung der Qualität der Lötverbindung getroffen werden. Nach dem Bestücken wird mittels einer stichprobenartigen Sichtkontrolle seine Arbeit überwacht, genau wie es in der beispielhaften Teststrategie von heute der Fall ist. Revolutionär neu dagegen ist der Einsatz des Testsystems nach dem Lötofen – die Kombination eines optischen mit einem elektrischen Test. Das AOI-System testet die Bauteile auf Anwesenheit und Lage sowie die sichtbaren Lötstellen. Gleichzeitig überprüft das darin integrierte Boundary Scan die „unsichtbaren“ Lötstellen und führt die elektrischen Tests der Leiterbahnen sowie der Bauteile durch. Eine Besonderheit besteht darin, mit dieser Kombination optische Ausgabeeinheiten wie Leuchtdioden automatisiert (!) auf dessen Funktion zu überprüfen.
In der Produktion ergibt sich somit eine Testabdeckung der optisch detektierbaren Fehler von nahezu 100 %. Dies gilt unter der Annahme, dass die 3D-Lotpasten-Inspektion die „späteren“ Lötstellen komplett überprüft. Die elektrischen Fehler werden allein von Boundary Scan zu 80 % abgedeckt. Somit bleibt für das Prüffeld nicht mehr viel zu tun, weswegen hier wie bei der „Teststrategie 1 von morgen“ ein minimaler Funktionstest völlig ausreicht.
Zusammenfassend bleibt festzustellen: Es gibt kein einzelnes Testverfahren mehr, welches sämtliche mögliche Fehler bei modernen Bauformen aufdecken kann – weder bei den optischen noch bei den elektrischen Testverfahren. Dies führt zwangsläufig dazu, dass die Auswahl der richtigen Teststrategie zunehmend aufwändiger wird.
Weiterhin wird die Teststrategie von morgen nicht mehr nur allein von der Firmenphilosophie, sondern in verstärktem Maße auch direkt vom Prüfling abhängig sein. Dieser entscheidet letztlich über die Anwendbarkeit eines Testverfahrens. Eine prüfgerechte Gestaltung einer Baugruppe (auch als Design-for-Testability bekannt) bestimmt somit in erheblichem Maße die anfallenden Kosten für das Testen.
Zusammenfassung
Moderne Bauformen beinhalten zum Teil große Restriktionen. Wesentliche Punkte an dieser Stelle sind der nicht mehr zu gewährleistende „freie Blick“ auf die Bauteilanschlüsse sowie der erheblich eingeschränkte Zugriff auf die einzelnen Leiterbahnen mittels einer mechanischen Adaption. Dies führt dazu, dass Testverfahren als feste Bestandteile heutiger Teststrategien nur noch begrenzt bis gar nicht mehr anwendbar sind.
Die hohen Ansprüche, welche von modernen Bauformen an die Testverfahren gestellt werden, sind durch ein einzelnes Testsystem – und sei es noch so aufwändig – nicht mehr zu realisieren. In modernen Teststrategien werden somit vermehrt, wenn nicht sogar ausschließlich, Kombinationen verschiedener Testsysteme zum Einsatz kommen. Es ist offensichtlich, dass die Testsysteme von morgen über offene Schnittstellen zur Kommunikation mit anderen Testsystemen verfügen müssen.
Die zukünftige Teststrategie ist flexibel und passt sich dem aktuellen Prüfling an. Für jedes Produkt muss daher die richtige Teststrategie gefunden und definiert werden. Dies sollte jedoch in einem recht frühen Stadium der Produktentwicklung geschehen und durch alle (Management, Entwicklung, Produktion und Prüffeld) gemeinsam (!) erarbeitet werden. Nur dieser Umstand gewährleistet ein effektives und somit wirtschaftliches Testen der Baugruppen von morgen.
Die Herausforderungen der modernen Bauformen an die Teststrategien sind hoch. Wer sie rechtzeitig erkennt und entsprechend handelt, findet hierin jedoch die Chance, sich am Markt stärker zu positionieren und dem Wettbewerb immer einen Schritt voraus zu sein.
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