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Kein Trennungsstress

Qualitätssteigerung durch schonende Nutzen-Trennverfahren
Kein Trennungsstress

Baugruppen im Mehrfachnutzen zu fertigen, ist ein Mittel, um die Kosten zu senken. Augenmerk sollte dabei auf den Trennprozess gelegt werden: Stressfreies Vereinzeln mit Fräser oder Säge verhindert Vorschädigungen an Bauelementen und Leiterbahnen und verringert so das Risiko von Langzeit-Ausfällen.

Gerd Wilhelm, IPTE Deutschland, Fürth

Stärker denn je ist in der Elektronikproduktion der Trend, möglichst große Leiterplatten-Nutzen zu bearbeiten. Der Trend wird unterstützt durch Hochleistungs-Bestückmaschinen, deren Leistungsfähigkeit am besten genutzt werden kann, wenn großflächige Leiterplatten zu bestücken sind und Produktwechselzeiten auf ein Minimum reduziert werden. Auch der Preisdruck auf das Basismaterial fördert die optimale Nutzung des Rohmaterials, die Reduzierung von Abfall und unbestückten LP-Flächen.
Diese Entwicklungen stehen jedoch im Widerspruch zu einer anderen erkennbaren Tendenz, die immer kleinere Geräte und damit dichter bestückte Baugruppen fordert. Als zwangsläufige Folge ergibt sich die Notwendigkeit, die Mehrfachnutzen zu separieren.
Was bedeutet stressfreies Trennen?
Leiterplatten-Trennverfahren sind nicht neu. Stanzen, brechen, fräsen und trennen mit rotierenden Messern sind seit langem bekannte Verfahren, die in den letzten Jahren um ein Trennen mit hochtourigen Sägen erweitert wurden. Steigende Anforderungen an die Qualität und die Langzeitstabilität der immer dichter bestückten Baugruppen haben dazu geführt, dass die Stressbelastungen durch Stanzen, Brechen und Separieren mit rotierenden Messern immer kritischer betrachtet werden. Mit dem nachfolgend beschriebenen Messverfahren, das von einem unabhängigen Ingenieurbüro im Auftrag eines internationalen Konzerns und IPTE durchgeführt wurde, lässt sich die dabei auftretende Stressbelastung (Stauchung, Dehnung) ermitteln.
Der Messaufbau:
Aus einem x-fach Nutzen wird eine zentral liegende Einzelbaugruppe der Größe X x Y mm ausgesucht, die im Sinne der Vergleichbarkeit bei allen Trennverfahren vermessen wird. Vier Dehnungsmessstreifen, in unmittelbarer Nähe der zu trennenden Stege, sollen Dehnung und Stauchung in µm/m in horizontaler und vertikaler Richtung aufnehmen. Der angeschlossene Messwertaufnehmer erlaubt die Ausgabe in Abhängigkeit der Zeit.
Die Ergebnisse:
Bild 2 zeigt die auftretende Belastung beim Stanzen, Bild 3 beim Fräsen. Beim Vergleich der beiden Maßstäbe wird deutlich, dass die Belastung beim Fräsen um mehr als den Faktor 10 geringer ist als beim Stanzen.
Außer der Anforderung nach stressfreiem Trennen bestimmen die anwendungsspezifischen Einsatzformen den Aufbau und die Ausführungsformen der zum Einsatz kommenden Systeme: In- oder Off-Line, automatische oder manuelle Be- und Entladung, Massenfertigung oder Kleinserien. Generell besteht natürlich die Forderung, dass der Nutzentrenner nicht der Flaschenhals“ in der Fertigung sein darf und speziell bei der In-Line-Integration sich dem vorgegebenen Zyklus anpassen muss, d.h. das Trennen der Einzelleiterplatte mit anschließendem Handling darf nicht mehr Zeit in Anspruch nehmen, als das Bestücken und ggf. Prüfen. Der parallele Einsatz mehrerer Bestücker oder Prüfsysteme, um den geforderten Takt zu erreichen, wird notgedrungen meistakzeptiert, vom Nutzentrenner wird aber erwartet, dass er sich den Taktzeiten anpasst.
Zykluszeit eines In-Line-Nutzentrenners
Was bestimmt die Zykluszeit eines In-Line-Nutzentrenners? Zum Einen das Board-Handling. Die Nutzen müssen aus den Vorprozessen zügig angeboten und in eine definierte Position im Nutzentrenner transportiert werden. Die insgesamt kurzen Handlings-Zeiten werden nur erreicht, wenn der Nutzen komplett mit einem leiterplattenspezifischen Greifer (Bild 4) aufgenommen und über einem Werkzeug – Fräser oder Säge – bewegt wird. Weiter maßgebend sind die Anzahl und die Gesamtlänge der zu trennenden Stege, oder – im Falle von Sägen – die Gesamtlänge der auszuführenden Schnitte.
Die im reinen Trennprozess zu erzielen-den Geschwindigkeiten sind meist durch das Werkzeug bestimmt und können kaum verkürzt werden, wohl aber das Handling und die Bewegungen ohne Werkzeugeinsatz. Linearmotoren mit ho-hen Beschleunigungs- und Abbremswerten, präzise zu positionieren und nahezu verschleißfrei, stellen den höchsten erreichbaren Qualitätsstandard dar. Damit trotz der hohen Beschleunigungswerte keine störenden Vibrationen auftreten, bauen die IPTE In-Line-Nutzentrenner (Bild 1) auf einem stabilen Granituntergestell auf. Aluguss-Rahmenelemente und -Platte zur Aufnahme der Linearachsen im Dachelement bilden eine kraft- und formschlüssige Einheit.
Während mit der Säge nur gerade Schnitte ausgeführt werden können – hierauf wird später noch näher eingegangen – bietet der Fräser die Möglichkeit, beliebige Konturen zu schneiden.
Leistungsfähige Steuerungen, als Steckkarten in einem PC integriert, bieten den Bedienungskomfort moderner CNC-Werk-zeugmaschinen und integrieren die Funktionen der SPS und Ansteuerung aller Elemente über CAN-Bus. Die Schnittstellen zu den vor- und nachgeschalteten Geräten entsprechen den SMEMA-Empfehlungen, können aber auch kundenspezifisch angepasst werden.
Was geschieht nach dem Trennen mit den Einzel-Boards?
Während der Infeed-Prozess bei den meis-ten automatisch arbeitenden Systemen gleich ist (Beladen aus den Vorprozessen oder Line-Loader), ist die weitere Bearbeitung nach dem Trennen sehr individuell. Sie reicht in der einfachsten Form von der Ablage auf ein Flachband (Flat belt) zur manuellen Entnahme, auf ein Doppelgurt-Band (Edge belt) zum automatischen Weitertransport bis hin zum individuellen Magazinieren oder Palettieren. Dementsprechend müssen auch die Greifwerkzeuge ausgeführt sein, mit denen alle Einzel-Boards gemeinsam oder einzeln gehalten oder abgelegt werden können. Speziell bei Nutzen mit vielen Einzel-Boards sind hier filigrane Werkzeuge notwendig, deren Qualität und Zuverlässigkeit, Wirkungsgrad und Verfügbarkeit des Nutzentrenners bestimmen. Hier Kompromisse einzugehen, bedeutet am falschen Ende zu sparen.
Zum Greifen der Boards kommen, je nach Baugruppen-Design, verschiedene Elemente vom einfachen Sauger bis zum Parallelgreifer mit Leiterplatten spezifischen Fingern zum Einsatz. Zur exakten Positionierung, die Voraussetzung für die geringe Toleranz von 630 µm ist, werden die Greifelemente durch Zentrierstifte für die Einzelbaugruppen unterstützt.
Alle Elemente auf der schnell wechselbaren Greifereinheit werden über CAN-Bus angesteuert, der je nach Anwendung Druckluft oder Vakuum schaltet. Damit sind in den bewegten Energieketten nur wenige Leitungen für Steuerung und Energieversorgung notwendig. Die Greifercodierung stellt sicher, dass Greifertyp und Trennprogramm stets zueinanderpassen und bei Verwendung zusätzlicher Kennzeichnungen (Bare-Code, 2D-Matrix-Code) ist auch der Vergleich mit dem einlaufenden Baugruppentyp möglich.
Gut/Schlecht-Separierung im Nutzentrenner
Noch ein Prozessschritt bestimmt die Handhabung der Leiterplatten im Nut-zentrenner: Die Unterscheidung nach gut oder schlecht. Voraussetzung hierfür ist, dass diese Information aus dem vorgeschalteten Testsystem gewonnen und an den Nutzentrenner weitergegeben wird.
Bei hochwertigen Baugruppen werden mit Fehlern behaftete Nutzen nicht getrennt, sondern auf einem separaten Auslaufband abgelegt und einem Magazin oder direkt der Reparaturstation zugeführt. Nach der Reparatur können diese Nutzen wiederum die Testsysteme durchlaufen, bevor sie endgültig getrennt werden. Bei billigeren Produkten, für die eine Reparatur wirtschaftlich nicht vertretbar ist, werden defekte Boards wie Abfall oder Randstreifen behandelt und in Behältern gesammelt. Die Schwelle (Anzahl der defekten Einzelplatten im Mehrfachnutzen), ab der fehlerbehaftete Mehrfachnutzen getrennt und sortiert oder ungetrennt in Schlecht-Magazinen verbleiben, ist einstellbar.
Für die sichere Handhabung der Gut/Schlecht-Information empfiehlt es sich, den Nutzen mit Bare-Code oder 2D-Matrix-Code zu versehen und die Feh-lerinformation auf einem Server zu speichern. Dort wird sie vom Nutzentrenner abgerufen, nachdem der Leser im Bandeinlauf den zugeführten Nutzen identi-fiziert hat. Auch bei nicht vorhandener Numerierung ist die Gut/Schlecht-Separierung möglich, erfordert dann aber geschlossene Transportstrecken damit Fehlerinformationen und Baugruppen stets synchron transportiert werden.
Handelsübliche Fräswerkzeuge lassen je nach Leiterplattenmaterial, Fräserdurchmesser sowie Art und Form der zu trennenden Stege eine Vorschubgeschwindigkeit von 2 bis 4 m/min zu. Bei höheren Geschwindigkeiten bricht der Fräser, oder die gewünschte Genauigkeit kann nicht mehr erreicht werden. Die Trenngeschwindigkeit lässt sich mehr als verdoppeln, wenn statt eines Fräsers diamantbeschichtete oder diamantbestückte Sägeblätter eingesetzt werden können. Diese Art des Trennens ist auf gerade Schnit-te reduziert, bietet dabei aber den Vorteil, dass neben der höheren Trenn-geschwindigkeit weniger Material abgetragen wird, was insbesondere für Leiterplatten von Vorteil ist, die nicht für das Trennen mit Fräser oder Säge ausgelegt wurden und deren Maßhaltigkeit durch den Abtrag nicht mehr gegeben wäre. Dia-mantbestückte Sä-gen von 0,3 mm Stärke, die kaum mehr als die vorgeritzte V-Nut ab- tragen, erlauben deshalb auch nach-träglich den Einsatz des schnellen und stressfreien Trennverfahrens.
Kürzere Zykluszeiten
Die Reduzierung der Zykluszeit einer Fertigungslinie ohne zusätzliche Investitionen in Maschinen oder Personal kann deren Wirtschaftlichkeit deutlich steigern. Voraussetzung ist, dass sich alle Komponenten an die geänderten Zeiten anpas-sen lassen. Wenn Handlings-Zeiten und Trenngeschwindigkeiten in einem Nut-zentrenner bereits ausgeschöpft sind, gibt es nur noch die Möglichkeit, die Taktzeit pro Board durch Parallelisierung von Prozessen zu reduzieren. Es bietet sich speziell bei großen Nutzen der Einsatz von zwei Werkzeugen an, die parallel in einem Nutzen arbeiten und damit je nach Geometrie des Nutzens die reine Trennzeit halbieren können. Bezogen auf die Gesamtzykluszeit bedeutet dies eine Verringerung um 30 bis 40 %. Bei kleineren Nutzen ist die gleichzeitige Bearbeitung mehrerer Leiterplatten mit mehreren Werkzeugen ein probates Mittel, um das gleiche Ergebnis zu erreichen.
Geht es auch ohne Staub?
Auch der Einsatz von Säge und Fräserin einer Maschine ist eine wirtschaftliche Alternative, wenn das Baugruppen-De-sign den Einsatz der Säge für gerade Schnitte zulässt und der Fräser Restste-ge oder Freiflächen (Aussparungen) beliebiger Formen entfernt.
Fräsen und Sägen sind zunächst span-abhebende Bearbeitungstechniken. Der dabei anfallende Staub wird durch Absauggehäuse um die Werkzeuge und Staub-Absaugsysteme entsorgt. Die Io-nisierung der Luft im Trennbereich verhindert statische Aufladungen und unterstützt die optimale Absaugung. Soll das Produkt nahezu staubfrei sein, bie-tet IPTE Nachreinigungsverfahren mit rotierenden mechanischen Bürsten oder Luftbürsten mit zusätzlicher Absaugung an.
Leiterplatten-Mehrfachnutzen mit bis zu 100 Einzel-Boards sind mit den beschriebenen Verfahren kaum noch handelbar. Andererseits würde die Einzelfixierung mit universellen Greifern die Zyklus-zeit inakzeptabel verlängern. IPTE bietet deshalb die Möglichkeit, Mehrfachnut-zen in einem Werkstückträger zu trennen, der die Einzelbaugruppe während des Trennprozesses fixiert. Die Trennwerkzeuge – Fräser oder Säge – werden bewegt, während die Baugruppen im Werkstückträger ruhen. Be- oder Entladung können manuell oder automatisch er-folgen, wobei die automatische Entladung auch die Gut/Schlecht-Sortierung und Ablage in kundenspezifische Pa-letten beinhaltet. Damit Be- und Entla-devorgang sich nicht gegenseitig beeinflussen oder gar verzögern, sind dieMaschinen mit einem Werkstückträger-Umlaufsystem ausgestattet d.h. während ein Werkstückträger entladen wird kann der andere bereits beladen werden und der Trennprozess beginnen.
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