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Klimaschock in der Steuerung kann fatale Auswirkungen haben

Schutz von Baugruppen beginnt bei der Reinigungstechnik
Klimaschock in der Steuerung kann fatale Auswirkungen haben

Im vergangenen Winter waren Pannenserien beim Eurostar an der Tagesordnung. Bei einem der Zwischenfälle steckten gleich vier Hochgeschwindigkeitszüge von Freitag auf Samstag über Stunden im Eurotunnel unter dem Ärmelkanal fest. Grund für die Panne war ein großer Temperaturunterschied innerhalb und außerhalb des Tunnels.

Georg Pollmann, Leiter Anwendungstechnik/Prozesse, kolb Cleaning Technology, Willich

Alle Räder stehen still, wenn die Steuerung nicht mehr will. Eine banale Tatsache, die über 2000 Menschen, die in diesem Winter in den Eurostar Zügen festsaßen nicht wirklich zum lachen fanden. Ihre ungemütliche Nacht im Tunnel war nicht etwa einem oder mehreren qualitativen Mängeln einzelner Bauteile in der Steuerung der Hochgeschwindigkeitszüge zuzuschreiben, sondern einem extremen Klimawandel: Als die Züge aus der eisigen trockenen Luft im Norden Frankreichs in den deutlich wärmeren und feuchteren Tunnel fuhren, legte der Temperatursprung die Elektronik der Lokomotiven lahm. „Es ist sehr kalt draußen, aber im Tunnel sind es 25 Grad und die Luftfeuchtigkeit ist hoch. Das ist, als ob sie eine Bierflasche aus dem Kühlschrank in einen warmen Raum bringen, da schlägt sich viel Kondenswasser nieder“, so die Erklärung von Eurostar-Chef Richard Brown. Das habe die Elektronik der Lokomotiven gestört.
Kondenswasser nach Temperaturschock
So extrem wie im obigen Fall müssen die Bedingungen allerdings gar nicht sein, um hochsensible Elektronik durch Umwelteinflüsse lahmzulegen. Luftfeuchtigkeit beziehungsweise Betauung durch wechselnde Umgebungstemperaturen führen bei nicht entsprechend geschützten Baugruppen ebenso zu Fehlfunktionen oder Ausfällen wie verschmutzte Luft, Vibrationen oder aggressive Gase.
Eine Elektronik-Baugruppe in einer Autotür wird in den Sommermonaten hohen Temperaturen von außen und kühlerer Luft durch die Klimaanlage von der Türinnenseite ausgesetzt. In der Winterzeit ist es genau umgekehrt. Beide Male entsteht eine erhebliche Temperatur-Differenz im Baugruppen-Einsatzbereich und führt zum Kondensieren von Luftfeuchtigkeit und damit zum Betauen der Elektronik.
Das Kondenswasser am kühlen Bierglas, an einem warmen Sommertag ein Symbol für Frische und Erfrischung, führt auf einer stromdurchflossenen Baugruppe zu Funktionsausfällen. Die konkreten Fehlerbilder sind Kurzschlüsse, die zum Beispiel durch elektrochemische Migration entstehen, Leckströme, Spannungsüberschlag, Lötstellenbelastung, Korrosion und weiteres mehr.
Bei der elektrochemischen Migration beispielsweise verursacht der elektrische Stromfluss einen Material-Transport durch allmähliche Bewegung von Ionen in einem festen Leiter. Die Folge: Kurzschluss und Funktionsausfall der gesamten Baugruppe.
Keines der genannten Fehlerbilder kann sich ein Produzent jedoch leisten, will er nicht ständig der Gefahr hoher Regressansprüche seiner Abnehmer ausgesetzt sein.
Ohne Klimasicherheit keine Funktionssicherheit
Wo immer also hochintegrierte, sensible und aufwändige Technik in klimaanfälligen Umgebungen ausfallfrei funktionieren muss, sei es um Sicherheit zu gewährleisten, Profitausfall zu minimieren oder auch nur um Imageschäden zu vermeiden, ist die Klimasicherheit von Baugruppen unbedingt zu gewährleisten.
Als klassische Bereiche sind hier zu nennen: Luft- und Raumfahrt, der Automobilbereich, Schienenfahrzeuge, Medizintechnik sowie Industrieelektronik. Mittlerweile spielt Klimasicherheit aber auch in allen anderen Bereichen wo modernste Steuerungselektronik eingesetzt wird eine Rolle. Um hier elektrische Baugruppen sicher zu betreiben sind die bevorzugten Schutzverfahren der Produzenten das Schutzklackieren oder das Vergießen. Welche Schutzmaßnahmen in welchen konkreten Fällen angebracht sind, bestimmen Elektronikentwickler- und Hersteller. Mechanisch, thermisch oder klimatisch hoch beanspruchte elektronische Baugruppen werden mit einem speziellen Lack vor Umwelteinflüssen wie Feuchtigkeit, starken Temperaturschwankungen und Vibrationen geschützt. Spezialautomaten erledigen diese Aufgabe auch partiell und auf den Mikrometer genau, sodass während des Prozesses z.B. mechanische Teile oder Bauteile, die versiegelungsfrei bleiben sollen, nicht extra abgedeckt oder abgeklebt werden müssen.
Immer häufiger werden elektrische oder elektronische Baugruppen ganz oder partiell vergossen, vor allem solche mit extrem hoher Integrationsdichte. Wegen ihrer sehr guten Anpassungsmöglichkeiten bzw. ihrer dielektrischen Eigenschaften werden hierfür in der Elektronik und Sensorik sogenannte Polyurethanharzsysteme verwendet. Solche Zweikomponenten Gießharze zeichnen sich durch eine sehr gute Temperaturflexibilität, absolute Beständigkeit gegen Feuchtigkeit und geringe Reaktionswärme beim Vergießungsprozess aus.
Allerdings machen Lackierung oder Verguss nur Sinn, wenn zum einen ihre fehlerfreie Haftung gewährleistet und zum anderen sichergestellt ist, dass nicht etwa leitende Reststoffe aus dem Produktionsprozess (z.B. Flussmittel, Kleber) mit einlackiert oder vergossen werden. Das Gleiche gilt für ionische Verunreinigungen, die nach einiger Zeit zur Delamination (Ablösen der Schutzschicht) führen können. Deshalb wird die Reinigung elektronischer Baugruppen vor dem Aufbringen von Schutzlack oder Vergussmassen dringend empfohlen. Ein weiterer Vorteil der Reinigung: Die Haftkraft der Schutzbeschichtung wird um ca. 50% erhöht, was wiederum Fehler und Ausfälle im Lackier- und Vergussprozess deutlich minimiert. In vielen Fällen sichert sogar allein die Abreinigung der Produktionsrückstände bereits die Funktionssicherheit der Baugruppe. Das bedeutet: Der erste Schritt zum Schutz sensibler Baugruppen ist die Reinigung.
Ohne Reinigungsverfahren kein optimaler Schutz
Ohne Reinigung vor der Schutzversiegelung ist die Wertschöpfungskette nicht vollständig, respektive läuft sie Gefahr, das zu produzieren, was man durch Lackier- und Vergussverfahren zu verhindern versucht: Funktionsausfälle. Das Reinigungsverfahren selbst ist heute allerdings ähnlich komplex wie die zu reinigenden Bauteile. Es bedarf einer detaillierten Analyse der abzureinigenden Stoffe, um einen effizienten und reproduzierbaren Prozess zu entwickeln. Die Auswahl, oder in Spezialfällen auch die Entwicklung eines materialschonenden und prozessoptimierten Baugruppen-Reinigers ist der nächste Schritt. Dieser Reiniger muss den neuesten Umweltstandards (z.B. VOC reduziert) entsprechen und sollte auf jeden Fall auch salzfrei sein (Kennzeichnung: SF/Salt Free), da dann von seiner Seite aus keine leitenden Stoffe in den Prozess eingebracht werden. Im Spülverfahren sollte über eine Rest-Ionenkontaminationsüberwachung sichergestellt werden, dass die vorgegebenen Grenzwerte prozesssicher und reproduzierbar eingehalten werden. Die Trocknung muss so trockensicher konfiguriert werden können, dass sich später unter der Schutzbeschichtung kein Mikroklima durch Feuchtigkeitsrückstände bilden kann. Die Qualitätsüberprüfung bzw. die Effizienz einer Reinigung wird in der Praxis sowohl durch optische Betrachtung und Dokumentation als auch über den Test im Ionen-Kontaminometer vorgenommen und folgt entsprechend strengen Industrie-Normen, wie z. B. IPC-TM 650 2.3.25c sowie IPC 752, dem Betauungstest der IEC 60068–2–1 oder Konstantklimatest IEC 60068–2–78 sowie vielen weiteren speziellen Vorgaben.
Über die Auswahl und Möglichkeiten der verschiedenen Methoden sowie über Materialien für die Lackierung und Verguss geben entsprechende Fachseminare wie beispielsweise das vom OTTI in Regensburg angebotene „Schutzmaßnahmen zur Klimasicherheit elektronischer Baugruppen“ detailliert Auskunft. Für den Gesamtkomplex „Baugruppenreinigung zur klimasicheren Weiterverarbeitung“ steht die kolb Cleaning Technology GmbH mit ihrer Anwendungstechnik und ihrem Technikum für Fragen und Applikationsversuche zur Verfügung.
Zusammenfassung
Lackierung oder Verguss machen nur Sinn, wenn zum einen ihre fehlerfreie Haftung gewährleistet und zum anderen sichergestellt ist, dass nicht etwa leitende Reststoffe aus dem Produktionsprozess mit einlackiert oder vergossen werden. Das Gleiche gilt für ionische Verunreinigungen, die nach einiger Zeit zur Delamination (Ablösen der Schutzschicht) führen können. Deshalb wird die Reinigung elektronischer Baugruppen vor dem Aufbringen von Schutzlack oder Vergussmassen dringend empfohlen. Ein weiterer Vorteil der Reinigung: Die Haftkraft der Schutzbeschichtung wird um ca. 50% erhöht, was wiederum Fehler und Ausfälle im Lackier- und Vergussprozess deutlich minimiert. In vielen Fällen sichert sogar allein die Abreinigung der Produktionsrückstände bereits die Funktionssicherheit der Baugruppe.
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