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Kontrollierte Prozesse

Die Leiterplatte entdeckt die Welt der Sensorik in der Elektronikfertigung
Kontrollierte Prozesse

Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle: Mein Name ist Leiterplatte. Früher wäre meine unsymmetrische Form mit ihren Öffnungen und Aussparungen ungewöhnlich gewesen, heute aber sehen viele Leiterplatten aus wie ich. Später werde ich mal in einem elektronischen Gerät leben und arbeiten, aber vorher bekomme ich noch viele Bauteile aufgesetzt und muss auch noch geprüft werden, ob ich richtig und vollständig bestückt bin und ob ich auch richtig funktioniere. Dazu trete ich – wie vor und nach mir Millionen von Artgenossen – eine Reise durch die Welt der Elektronikfertigung an. Spannend soll es da zugehen: Man wird abgetastet, detektiert, kontrolliert, identifiziert, gezählt – alles völlig berührungslos durch Sensoren. Die sind blau oder gelb, stammen von Sick und sollen sehr zuverlässig sein. Mal sehen, was mich erwartet.

Thomas Hall & Simon Rünzi, Sick AG, Waldkirch

Bis jetzt nämlich bin ich nichts weiter als ein ungefähr 1,6mm starker, meistens grüner und häufig sechslagiger Schaltungsträger aus elektrisch isolierendem Basismaterial und leitfähigem Kupfer. Zusammen mit sieben weiteren Einzelschaltungen bin ich in einem Fertigungsnutzen mit Abmessungen von etwa 280mm x 150mm untergebracht. Gekennzeichnet bin ich häufig mit einem Data Matrix-Code mit Zellgrößen zwischen 125µm und 250µm, in dem eine Serialnummer und ggf. die Fertigungsauftragsnummer, die Materialnummer, der Änderungsstand und das Herstelldatum hinterlegt sind. Außerdem schmücken mich noch mehrere kreuzförmige oder runde Ausrichtmarken sowie Schlechtmarken.
Mit vielen Artgenossen stecke ich noch in einem Magazin, aber bald geht es auf eine Reise, auf der ich später mit etwa 60 Bauteilen bestückt werde. Dazu entnimmt mich ein Magazinbelader und schiebt mich auf ein Transportmodul, das mich zu meinem ersten Reiseziel bringt: Einer Siebdruck-Anlage, die mich mit einem Muster aus Lötpaste verschönert. Und schon sehe ich einige blaue Reisebegleiter und kann sogar ihr Typenschild lesen: WTB4–3 Multiline und UC4. Die sollen beide ja ganz schön was drauf haben. Der WTB4–3 Multiline ist für mich mit meinen Aussparungen, Bohrungen und Durchbrüchen genau richtig. Der Sensor hat nämlich zwei Lichtlinien, von denen mich immer mindestens eine erfasst. Dadurch kann ich sehr genau detektiert und mit meinen Artgenossen über die gesamte Detektionsdauer auch richtig gezählt werden, weil nicht bei jeder Lücke in meiner Oberfläche ein weiteres Schaltsignal erzeugt wird. Aber es gibt ja auch Leiterplatten, die nicht so komisch aussehen wie ich, sondern eher klassisch viereckig und ohne besondere Aussparungen daherkommen. Für sie hat der UC4 seine Vorteile. Der klitzekleine Ultraschallsensor passt nicht nur toll in die Anlage rein – er hat auch eine sehr hohe Auflösung, mit der er die „Normalo-Jungs“ sicher erkennt. Clever ist er auch, denn seine integrierte Laufzeitmessung verhindert, dass ihn Objekte im Hintergrund oder Bewegungen spiegelnder Maschinenteile stören. Es soll aber auch Transfermodule oder Förderbänder geben, die die Positionsdaten von mir und meinen Artgenossen auf andere Weise erfassen. So wurde mir sowohl von rotativen Inkremental-Encoder wie dem DFS60 als auch von linearen Absolut-Encodern der Produktfamilie TTK zur Portal-Positionierung in x-/y-Richtung berichtet. Da hat wohl jeder Konstrukteur seine eigene Idee, wie er uns präzise erfasst – und wird froh sein, dass er bei Sick alles im Portfolio vorfindet. Manchmal, wenn unterschiedliche große Kollegen transportiert werden sollen, ist die Spurweite der Förderanlagen sogar verstellbar. In einem solchen Fall, habe ich gehört, leisten induktive Näherungsschalter der Baureihe IQ10 bei der Einstellung der Förderbreite beste Dienste, denn der spezielle ASIC des Unternehmens sorgt für ein präzises und wiederholgenaues Schaltverhalten.
Hui, da hinten kann ich schon die Maschine sehen, die gleich den Lötpastendruck aufbringt. Mal sehen, welche Blaumänner da auf mich warten.
Mit Präzision in die richtige Position
So also sieht es in der Siebdruckmaschine aus, die ich gerade per Transportband erreicht habe. Hier werden elektronische Funktionsmaterialien – so heißen die wohl – in flüssiger oder pastöser Form auf meiner Oberfläche aufgebracht. Ich habe aber auch schon gehört, dass Artgenossen im Inkjet-Verfahren bedruckt werden. Damit der Lötpastendruck mit der erforderlichen Präzision aufgebracht werden kann, muss ich erst einmal sicher detektiert werden, damit die Maschine weiß, wo der Druck aufgebracht werden soll. Hier erledigen das zwei Vision-Sensoren der Produktfamile Inspector. Die schauen nach meinen Ausrichtmarken und sorgen mit ihrem Signal dafür, dass ich richtig zur Druckschablone ausgerichtet bin, bevor es losgeht. Dabei wird es ganz schön hell um mich herum, weil das Domlicht der Visionsensoren meine Oberfläche intensiv ausleuchtet. So, dass ging jetzt aber schnell mit dem Lötpastendruck – und weh getan hat es auch nicht. Sieht eigentlich ganz toll aus. Aber um sicherzugehen, dass das Funktionsmaterial richtig aufgetragen wurde, lasse ich besser noch einmal die 3D Kamera Ranger einen Blick darauf werfen. Die ist so genau, die erkennt jede Lücke und jeden Fehler beim Lötpastendruck. Ah, eben geht das grüne Licht an, es ist alles in Ordnung und ich kann meine Reise wie geplant fortsetzen. Auf dem Fahrplan steht jetzt die Einfahrt in den Hauptbahnhof, d. h. in die Leiterplattenbestückung.
Fahrkartenkontrolle durch Kamera-Codeleser
Nächster Halt: „Leiterplattenbestückung“ – so steht es hier. Jetzt, wo ich richtig bedruckt bin, kann ich endlich mit elektronischen Bauteilen bestückt werden. Gespannt bin ich auch, ob der bisherige Reiseverlauf, d. h. die Prozessdaten, die schon die ganze Zeit über mich gesammelt werden, über das MES-System bereits an den Bestückungsautomaten weitergeleitet wurden. Die Maschine muss nämlich wissen, ob alles ok ist und welche SMD-Bauteile denn nun aufgesetzt werden sollen. Überhaupt sind auch später viele Leute, in deren Geräten oder Maschinen ich und meine Kollegen arbeiten werden, sehr an unserem Reiseverlauf interessiert. Ich habe in diesem Zusammenhang immer wieder Begriffe wie Rückverfolgbarkeit und Traceability vernommen. Und jetzt weiß ich auch, wozu man mir ganz am Anfang so eine kleine Markierung direkt auf meiner Oberfläche aufgebracht hat. Habe mir schon gedacht, dass dieser Data Matrix Code irgendwie gelesen werden soll. Aber wie soll das gehen bei diesen fast mikroskopisch kleinen Code-Modulen, den kritischen Eigenschaften meiner Oberfläche und dem wie ich finde eher schwachen Kontrast? Und schon sehe ich die Antwort auf meine Frage. Bei dem blauen Sensor, auf dem LECTOR620 DPM Plus draufsteht, handelt es sich offensichtlich um einen sogenannten kamerabasierten Codeleser. Der soll, so habe ich erfahren, dank seiner intelligenten Decodieralgorithmen eine außergewöhnlich hohe Leseperformance bieten. Jedenfalls liest er meinen Code wie auch die Codes der anderen schnell und sicher, so dass wir im Bestückungsautomaten nicht unnötig warten oder gar die Reise beenden müssen. Wahnsinn auch, wie sich der kompakte Sensor selbst bei beengten Platzverhältnissen einbauen lässt. Angeblich soll er auch sehr bedien- und integrationsfreundlich sein – jedenfalls lobt man den minimalen Trainings- und Installationsaufwand durch die intuitive Geräteeinrichtung mit Laserzielhilfe. Wird die Kontrastsituation ganz schwierig, erhält Sensor eine externe Beleuchtung. Das Auto-Setup minimiert den Installationsaufwand – und vielseitige Schnittstellen on-board ermöglichen es, dass der Codeleser sich, wie ich höre, in allen in der Elektronikfertigung üblichen Netzwerken wohlfühlt.
Im Bestückungsautomat werde ich aber nicht nur identifiziert, sondern auch detektiert. Und da es hier mächtig eng zugeht, haben sich die Maschinenkonstrukteure für meine Reise was Besonderes ausgedacht: Sie haben nämlich Lichtleitersensoren WLL180 T mit LL3-Lichtleitern eingesetzt, um mich zu erfassen. Die Optikköpfe brauchen minimalen Platz – und der Sensor lässt sich auch nicht von den schwierigen Umfeldeinflüssen, z. B. der Reflexionen des Bestückungskopfes, beeinflussen. Zudem passen die Lichtleitersensoren ihre Sendeleistung an die – je nach Nutzengröße wechselnde – Spurbreite des Transportbandes an. Clever in die Seitenwangen des Transfermoduls integriert und in Master-Slave-Anordnung konfiguriert wird zudem eine Menge Verkabelung gespart. Sieht richtig gut aus, wenn man das als Leiterplatte so sieht.
Wenn ich ab und zu mal über meinen Leiterplattenrand hinausschaue, sehe ich immer wieder Personen in der Anlage umherlaufen und auch an verschiedenen Maschinen arbeiten. Wer schützt die eigentlich vor Gefahren, wenn sie z. B. aus Unachtsamkeit oder bei einer Störung in eine Maschine eingreifen? Aha, da sind ja Schutztüren und Klarsichthauben dran – und immer wieder gelbe Schalter. Eigentlich, hat man mir erzählt, müssten die blau sein, weil sie von SICK sind, aber es sind Sicherheitssensoren – und die sind gelb. Jetzt kann ich auch lesen, was draufsteht: i14 lock. Das sind elektromechanische Sicherheitsschalter, auch Sicherheitszuhaltungen genannt, die die Klappe verriegeln, damit sie niemand unkontrolliert öffnet. Und wenn man genauer hinschaut, sind die ja fast überall dran, sogar an den Transfereinrichtungen, mit denen die verschiedenen Bestückungsstationen verkettet sind. Trotzdem sehe ich kaum Verkabelungen – was wohl daran liegt, dass die Schalter irgendwie untereinander verbunden sind. „Richtig erkannt“, ruft mir die Platine vor mir zu, „die haben da im Unternehmen eine Sicherheits-Steuerung Flexi Soft, die mit dem Integrationsbaustein Flexi Loop bis zu 32 dieser Sicherheitsschalter oder andere Sicherheitssensoren ganz sicher kaskadieren kann – bis Performance Level PL e nach DIN EN ISO 13849–1.“ Wow, denke ich mir, so eine sichere Kaskade spart natürlich jede Menge Kabel. Aber es kommt noch besser: Da ein Flexi-Loop-Strang jeden Sensor einzeln überwacht, wird die Gefahr „maskierter“ Folgefehler, wie sie bei konventioneller Reihenschaltung auftreten können, sicher vermieden. Mann, ist das cool. Clever ist die Lösung auch, denn Flexi Loop liefert im laufenden Betrieb umfangreiche Diagnoseinformationen. Die Bestückungsmaschinen hält das am Laufen, und auch in den Transfermodulen bleibt keiner von uns auf der Strecke.
Gerätemontage: Hier endet meine Reise
Mann, was habe ich mich auf meiner Reise verändert: Aus dem unbestückten Schaltungsträger, der ich einmal war und dessen Stärke und Ebenheit noch vor Reiseantritt mit Short-Range-Distanzsensoren OD Mini überprüft wurde, ist eine perfekt bestückte Leiterplatte geworden. Das zumindest melden die Smart Kameras der Produktfamilie IVC-3D, die mich ein letztes Mal auf die vollständige Bestückung geprüft haben. Jetzt bin ich bereit für die Integration in ein elektronisches Gerät. Die Assembly-Maschinen, die das erledigen, sind auch mit Sensorik des Unternehmens ausgestattet. Sicherheits-Lichtvorhänge miniTwin sorgen an manuell bediente Halbautomaten für bedienfreundliche und barrierefreie Überwachungslösungen – sogar in L- oder U-Form. Oft kommen auch sichere Kamerasensoren V300 zum Einsatz, z. B. bei flexiblen Schutzfeldgeometrien oder bei besonderen Einbauanforderungen.
Hier, eingebaut in ein elektronisches Gerät, endet meine Reise durch die Welt der Sensorik in der Elektronikfertigung. Ordentlich verpackt geht es nun ab zum Endkunden. Ob es da dann auch so spannend wird, wer weiß?

Der Autor des Beitrages Thomas Hall ist Strategic Industry Manager Electronic & Solar Industry, Corporate Solution Center Factory Automation bei der Sick AG in Waldkirch

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