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Neue Standards für Oberflächenreinheit, Energieeffizienz und Nanopartikel in der Diskussion

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Neue Standards für Oberflächenreinheit, Energieeffizienz und Nanopartikel in der Diskussion

Neue Standards für Oberflächenreinheit, Energieeffizienz und Nanopartikel in der Diskussion
Der Mensch selbst ist die größte „Partikelschleuder“ – Sparpotentiale bietet daher das teilweise Herunterfahren der Systeme in der produktionsfreien Zeit (z.B. am Wochenende) (Bild: STZ-Euro) Cleanzone 2014
Der Begriff „rein“ verbindet sich fast automatisch mit der Vorstellung von einem universellen Ideal. Dennoch bestehen je nach Kontinent oder Region unterschiedliche Reinraum-Philosophien. Traditionell gelten dabei die USA als regelungsfreudig, Japan als technikgetrieben und Europa als führend bei der anwendungsbezogenen Ingenieurskunst. Daraus ergeben sich verschiedenste Impulse, die aktuell zu Weiterentwicklungen der anerkannten Standards führen.

Koos Agricola, Generalsekretär der ICCCS (International Confederation of Contamination Control Societies) und des ICEB (International Cleanroom Education Board), bringt es auf den Punkt: „In den USA hält man einerseits sehr lange an gewohnten Prozessen fest, während die US-Forscher andererseits eine Vielzahl neuer technischer Reinraum-Lösungen hervorbringen. Aus Japan kommen anders als in der Vergangenheit zurzeit weniger herausragende Innovationen, dafür hat man dort eine extrem gewissenhafte Qualitätskontrolle perfektioniert.“
Die Ideen für die Optimierung bestehender Standards und Richtlinien stammen meist aus der Alten Welt. Auf diese Vorarbeit greifen die aufstrebenden Länder in Asien und Südamerika gern zurück, wo jetzt verstärkt neue Reinräume entstehen. „Oft verwenden sie europäische Produkte, doch mehr und mehr stehen auch Alternativen aus China zur Verfügung“, stellt Koos Agricola fest: „Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Schulung des Personals. Hier könnte Europa eine viel größere Rolle spielen, als es aktuell der Fall ist.“
Trotz unterschiedlicher nationaler Vorschriften haben sich als Grundlage für den Betrieb von Reinräumen die VDI-Richtlinie 2083 (Verein Deutscher Ingenieure) und die ISO EN DIN 14644 entwickelt und auch international weitgehend durchgesetzt. „Den Wirrwarr, den es noch vor 50 Jahren mit zahlreichen nationalen Reinraumstandards gab, hat man mit der ISO 14644 überwunden“, erklärt Thomas Wollstein, der beim VDI für den Bereich Reinräume federführend verantwortlich ist. „Nach diesem Vorbild wurden zahlreiche nützliche Standards gesetzt. Aktuell stehen neue brennende Fragen auf der Tagesordnung.“ Die Antworten dienen dazu, den Betrieb von Reinräumen in wichtigen Details zu verändern.
Für die Definition von Luftreinheitsklassen wurden bis in den Mikron- und Submikronbereich Partikelgrößenverteilungen zugrunde gelegt, die sich an der Verteilung des „natürlichen Aerosols“ der Umgebungsluft orientieren. Nach Ausweitung der Reinheitsklassen auf Nanoteilchen (Größenordnung: 10 Ångström), die ein ganz eigenes Agglomerationsverhalten aufweisen, müssen diese nun in neuen Partikelgrößenverteilungen und neuen Messverfahren berücksichtigt werden. Die Entwicklung entsprechender Standards steht noch am Anfang. Neben sehr kleinen Teilchen stellen auch vermehrungsfähige Teilchen, zum Beispiel Bakterien, ein Problem dar. Sie lassen sich aber nicht, wie Aerosolteilchen, sofort messen; man muss sie immer noch einige Tage in einer Kultur vermehren, um Keimfreiheit nachzuweisen und daraufhin das betreffende Produkt freizugeben. Dazu existiert bereits eine VDI-Richtlinie „Biokontamination“, die dem Bedarf nach einer Regelsetzung für hygienegerechtes Design von Reinräumen Rechnung trägt.
Diese Richtlinie wird durch eine kurze Einführung in die GMP-Reinraumklassen, deren Anwendungsbereiche und die zugrundeliegenden Grenzwerte abgeschlossen. Damit stellt sich die Frage: Wie wichtig ist die Reinraumklassifizierung nach GMP im Vergleich zur ISO? Das ist zum Teil eine Frage der Philosophie, aber für den Anwender sieht es in der Praxis so aus: Wer Arzneimittel herstellt, muss nach GMP arbeiten, denn andernfalls wird er kein Audit durch die zuständigen Behörden überstehen. Die Zertifizierung nach ISO-Normen kann darüber hinausgehende Zusatzvorteile bringen, zum Beispiel bei der Optimierung von Arbeitsabläufen, dem Ausschöpfen von Kostensenkungspotenzialen oder bei speziellen Kundenanforderungen. Das betreffende Unternehmen braucht aber nicht bei null anzufangen. Es hat mit der GMP-Compliance schätzungsweise schon 70 bis 80% der ISO-Anforderungen erfüllt. Beide Klassifizierungssystemen gemeinsam ist die Orientierung an der Luftreinheit. Vorgegeben werden stets Höchstgrenzen der Anzahl von Partikel bestimmter Größen pro Kubikmeter.
„Darüber hinaus stellen immer mehr Beteiligte fest, dass reine Luft keinesfalls allein das A und O im Reinraum ist“, bemerkt Koos Agricola. „Auch alle Oberflächen sollten nach der Spezifikation der ISO 14644–9 gereinigt werden. Dabei fehlt unter anderem ein Standard für die Ablagerung von Partikeln auf Einrichtungsgegenständen und Wänden.“
Einen wichtigen Punkt stellen in diesem Zusammenhang Werkstoffe dar – und Werkstoffkombinationen. Denn zuweilen ist eine Material-Paarung zu betrachten, wie etwa eine Rolle, die über eine Oberfläche reibt. „Da haben wir neuerdings in Blatt 17 ein Verfahren beschrieben, das reale Gebrauchsbedingungen nachspielt“, berichtet Thomas Wollstein. „Dabei lässt man eine Kugel auf einer Platte laufen, um so eine Standardkontaktbelastung zu definieren. Das Modell beruht auf einschlägigen Forschungen bei der Fraunhofer Gesellschaft.“
Potenziell viel energieeffizienter Enorm vorangekommen ist man namentlich im deutschen Sprachraum in puncto Energieeffizienz im Reinraum. Wie hoch die Einsparpotenziale sind, hat Michael Kuhn, Steinbeis-Transfer-Zentrum (STZ) für Energie-, Umwelt- und Reinraumtechnik, Offenburg („EURO“), an mehreren Fallbeispielen eindrucksvoll demonstriert – fast immer zehn bis zwanzig Prozent und, wenn man alle Spielräume ausschöpft, sogar bis zu 50 Prozent. Eine Standardisierung in Form von Normen ist zurzeit beim VDI im Gange, und schon schlägt die British Standards Institution, das Pendant zur deutschen DIN, vor, dieses Thema doch in einem internationalen Rahmen zu erörtern.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Obwohl man den Begriff „Standard“ intuitiv als etwas Felsenfeststehendes ansehen mag, befindet sich bei den Standards im Reinraum vieles in Bewegung. Eine ganze Reihe von Fragen rund um Standardisierungsprobleme wird zuerst im Raum Deutschland, Österreich, Schweiz, Niederlande aufgegriffen. Zurzeit zählen dazu die Oberflächenreinheit, die Biokontamination mit lebensfähigen Organismen und auch die Erweiterung der Partikelerfassung hin zu Nanoteilchen.
Ideen dazu, viele Tipps für die Umsetzung in den Alltag und innovative technische Lösungen finden sich für Besucher aus aller Welt auf der Cleanzone, Internationale Fachmesse und Kongress für Reinraumtechnologie vom 21. bis 22. Oktober 2014 in Frankfurt am Main. Sie stellt eine der besten Gelegenheiten zur umfassenden Information und zum Knüpfen wichtiger persönlicher Kontakte dar.
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