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Parallel testen Dr. Grant Boctor, Digitaltest, Stutensee-Blankenloch

Testengpässe in der Produktion vermeiden
Parallel testen Dr. Grant Boctor, Digitaltest, Stutensee-Blankenloch

Engpässe beim Endtest in den Elektronikfertigungen finden sich immer häufiger in Fertigungslinien, besonders wenn Automotive-, Telekommunikations- und Konsumelektronik in großen Stückzahlen produziert wird, und wenn die Taktrate der Fertigungslinie inzwischen schneller ist als die der Testprozesse. Den Fertigungsingenieuren stehen dann nur wenige Möglichkeiten zur Verfügung, um einerseits weiterhin eine hohe Testabdeckung gewährleisten zu können, andererseits aber die Testkosten pro Einheit nicht erhöhen zu müssen.

Bis vor kurzem bestand die einzige praktikable Lösung darin, die Anzahl der Testplattformen zu erhöhen, um die Kapazität zu erhöhen und dadurch die Anforderungen hinsichtlich höherer Stückzahlen erfüllen zu können. Dies erfordert aber mehr Platz in der Fertigungslinie, ein höheres Budget sowie mehr Bedienpersonal und Wartungsaufwand. Durch neue Lösungen, die parallele Testverfahren nutzen, lassen sich dagegen derartige Testengpässe vermeiden, wobei die Auslastung der Testplattform durch den gleichzeitigen Test mehrerer Testobjekte maximiert wird.

Höhere Taktraten in der Produktionslinie
Eine Steigerung der Taktrate in der Fertigungslinie lässt sich im Wesentlichen auf das Produktdesign zurückführen, wo der Einsatz hoch integrierter Bauteiltechnologien zu einer Kombination von mehr Funktionalität und kleineren Bauteilen führt. Damit werden auch die Endprodukte immer kleiner. Dies wird vor allem bei den portablen Elektronikgeräten deutlich, die wir mittlerweile immer mit uns tragen. Eine effektivere Fertigung ist möglich, wenn die kleineren Karten im Mehrfachnutzen produziert, und später in einzelne Einheiten getrennt werden. Dabei kann auch das Verhältnis der Lade-/Entladezeiten zu den Taktzeiten der Fertigungsmaschinen optimiert werden. In den SMT-Fertigungslinien werden Konsumgüter und Automotive-Produkte normalerweise im Mehrfachnutzen mit 2 bis 8 Einheiten produziert. Bei sehr kleinen Schaltungen, wie Funkfernbedienungen für die Zentralverriegelung, können es auch einmal mehr als 48 Einheiten pro Karte sein. Manchmal bietet es sich auch an, mehrere komplex geformte Einheiten in einem einfach zu transportierenden Mehrfachnutzen zusammenzufassen, da ansonsten die Bestückung und der automatische Transport zwischen den Maschinen unnötig erschwert wird. Ein Beispiel hierfür sind Lenksäulensensoren aus dem Automotivebereich (Bild 1).
Etwa 6 bis 8 Einheiten lassen sich auf einer rechteckigen Karte bei einer Linientaktrate von ungefähr 120 Karten pro Stunde produzieren. Die Einheiten durchlaufen dann am Ende der Fertigungslinie einen Test, wobei sich die Gesamtzahl der zu testenden Einheiten aus der Anzahl der Karten, multipliziert mit der Anzahl der Einheiten pro Karte, ergibt. Für eine Karte mit Vierfachnutzen ergibt sich bei dieser Taktrate damit eine maximale Testdauer von 7,5 Sekunden pro Einheit.
Es ist offensichtlich, dass dies sofort zu einem Problem im Testablauf führt, da allein die normalen Lade-/Entladezeiten bei etwa 5 bis 6 Sekunden liegen.
Immer kleinere Komponenten
Durch den Einsatz von Bauteiltechnologien mit immer kleineren Strukturgrößen wird der für den Zugriff über Testnadeln notwendige Platz immer weniger, und damit ein Produktionstest zunehmend schwieriger. Aktive Komponenten beinhalten zudem immer mehr Funktionalität pro Bauteil, wodurch die Anzahl der Verbindungen pro Bauteil zunimmt, und somit die Verbindungsdichte steigt. Wegen der hohen Verbindungsdichte sind aber die Kontaktpads viel zu klein für einen Zugriff über Testnadeln. Somit ist ein vollständiger Zugriff auf viele Bereiche der SMT-Karten nicht mehr möglich, was aber für Testverfahren wie den In-Circuit-Test (ICT), die mit einer Kontaktierung über Testnadeln arbeiten, unbedingt erforderlich ist. Die Qualitäts- und Testingenieure versuchen daher die immer geringere ICT-Fehlerabdeckung durch einen verstärkten Einsatz von funktionellen Testverfahren zu kompensieren, und eine hohe Produktionsqualität weiterhin sicherzustellen. Hierzu gehören neben konventionellen Funktions- und Verifikationstestverfahren beispielsweise auch BIST (Built-In-Self-Test), Boundary Scan (IEEE 1149 Standard) und ISP (In-System-Programming).
Erhöhte Produktfunktionalität
Immer kleinere Komponenten mit immer mehr Möglichkeiten bringen neue Produktgenerationen mit immer mehr Funktionalität hervor. So beinhalten Mobiltelefone heute beispielsweise zusätzlich eine Kamera und Pocket-PCs, die Funktionen für eine drahtlose Bluetooth-Kommunikation und die GPS-Navigation enthalten. Damit wird auch der Testprozess immer komplizierter, da beim gleichen Produkt und der gleichen Taktrate in der Fertigungslinie jetzt zusätzliche Testanforderungen zu erfüllen sind. Anstatt die Produktionsqualität zu testen, sind weitere Tests erforderlich, um die Konformität der Produkte hinsichtlich gewisser Anforderungen sicherzustellen.
Lösungen zur Vermeidung von Engpässen
Durch die höhere Taktrate der Produktionslinie, den Einsatz von Mehrfachnutzen und die größere Produktfunktionalität gerät der Testprozess immer mehr unter Druck. In der Vergangenheit war der Fertigungsprozess der begrenzende Faktor für die Produktionsmenge. Dies entspricht auch den Grundsätzen von Eliyahu M. Goldratt in dessen Büchern zum Thema Engpassmanagement, der Engpässe als die wertvollsten Prozessressourcen betrachtet. Normalerweise liegt der Kostenanteil der Testressourcen bei etwa 10 bis 25% der Investitionskosten der gesamten Fertigungslinie. Wird in der traditionellen Denkweise der Testengpass gelöst, indem der bestehende Testprozess einfach vervielfacht wird, dann steigen die Testkosten auf einen deutlich größeren Anteil der Gesamtkosten der Fertigungslinie an.
Durch Fortschritte in den Bereichen der Testarchitektur und der Testmanagementsoftware stellt der „parallele Test“ inzwischen eine mögliche Alternativlösung dar. Beim parallelen Test ermöglicht ein flexibles nicht gemultiplextes Testsystem mit integrierten Funktionstestressourcen einen gleichzeitigen Test mehrerer Einheiten. Durch die Verteilung der Lade-/Entladezeiten auf bis zu 4 Einheiten und die gleichzeitige Durchführung grundlegender elektrischer Tests für alle Einheiten, wird die Testzeit pro Einheit deutlich reduziert. Nur wenn die teureren Funktionstestressourcen im Testablauf benötigt werden, kommen diese anschließend auch zum Einsatz. Somit lässt sich sicherstellen, dass nur die kostengünstigeren Ressourcen pro Testobjekt mehrfach vorhanden sein müssen.
Implementierung paralleler Tests
Eine Testplattform enthält vier Testköpfe zur gleichzeitigen Kontaktierung von vier Testobjekten. Jeder Testkopf verfügt über einen eigenen Controller zur Steuerung der jeweiligen Tests. Alle Stimuli und Messungen für jede Einheit werden durch die vier Testcontroller gesteuert. Ein Master-Controller steuert den vollständigen Testablauf und die Verteilung der gemeinsamen Ressourcen zur Durchführung der Funktionstests. Diese können von Testinstrumenten, VXI/PXI- oder seriellen Bussystem-Instrumenten ausgeführt werden, wie sie in der Automobilelektronik genutzt werden.
Parallele Testentwicklung und Steuerung:
Wie bei konventionellen Testsystemen wird das in jeden Testkopf zu ladende Testprogramm durch die Testersoftware generiert. Sind identische Einheiten zu testen, dann kann in jeden Testkopf die gleiche Software geladen werden. Die Testentwicklungssoftware generiert ebenfalls das Steuerprogramm für den Master-Controller. Zudem sind Tools verfügbar, mit denen der Anwender Synchronisationspunkte bestimmen kann, um vom parallelen Modus in den sequenziellen Testmodus zu wechseln und um festzulegen, wann der Einsatz von gemeinsamen Ressourcen erforderlich wird. Die Steuerung des Gesamtsystems erfolgt durch den Master-Controller, der die vollständige Testsequenz startet und stoppt, sowie sich um die Erfassung der Qualitätsdaten und das weitere Handling der Karten kümmert (Bild 2).
Niedrigere Testkosten durch parallele Tests:
Die Berechnung der maximalen Auslastung eines Testprozesses kann sehr komplex sein, da diese im Gegensatz zur Kapazität einer Bestückungsmaschine mehr als nur die Summe der Lade-/Entladezeiten plus der Prozesszeit umfasst. Es müssen beispielsweise auch Zeiten für Testwiederholungen, die Testdiagnose und für Rückläufer berücksichtigt werden. Meist wird diese Berechnung vereinfacht, indem ein Standardzuschlag von 25% hinzugerechnet wird. Somit ergibt sich eine vereinfachte Berechnung der maximal zulässigen Testzeit von:
Einheit * ((Taktrate – 25%) – (Lade- + Entladezeit)).
Bei einer Taktrate der Produktionslinie von 15 Sekunden und einer Lade-/Entladezeit von 6 Sekunden bleibt eine maximale Testzeit von nur 5,25 Sekunden.
Sobald die Testzeit für eine Einheit diesen maximalen Wert überschreitet, ist zusätzliche Kapazität erforderlich. Wie bereits erwähnt, hätte dies bislang bedeutet, dass die vorhandenen Testsysteme vervielfacht werden müssen. Dies hat aber hohe Investitionskosten, zusätzlichen Platzbedarf und Bedienpersonal zur Folge.
Durch einen parallelen Test lässt sich dieser Overhead aber merklich reduzieren. Für die Lade-/Entladezeiten von vier Einheiten und die parallele Durchführung aller Tests ergibt sich dann eine maximal erlaubte Testzeit von:
((4 x 15 Sekunden – 25%) – (Lade- + Entladezeit von 6 Sekunden)) = 39 Sekunden.
Dieser Maximalwert reduziert sich normalerweise um die seriellen Tests, die gemeinsame Ressourcen nutzen. Die genaue Dauer muss daher für jede Anwendung individuell berechnet werden.
Die Kalkulation der Kosteneinsparung ist ähnlich. Einsparungen ergeben sich, da nur eine Testplattform anstatt vier benötigt wird, sowie weniger Platzbedarf und weniger Bedienpersonal erforderlich ist. Zusätzlich kommen aber Kosten für die parallele Testplattform hinzu, da diese einige zusätzliche Ressourcen benötigt. Diese sind aber im Vergleich zu vier identischen Testsystemen deutlich niedriger.
Die Ergebnisse zeigen, dass beim Einsatz von parallel arbeitenden Testsystemen im Baugruppentest deutliche Einsparungen erreicht werden können. Die zusätzlichen Vorteile, wie ein geringerer Platzbedarf und weniger Ressourcen zur Unterstützung, sind aber ebenso wertvoll.
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