In der letzten Ausgabe von EPP schrieb ich über die Konsequenzen von steigenden Löhnen in China und demDrang, sich am besten und am flexibelsten an der sich ändernden Kostenstruktur des weltweiten Marktes anzupassen. Primär handelte es sich bei dem Artikel allerdings um die Konkurrenzfähigkeit in China. Einer der Lösungsansätze war jedoch auch eine Umorientierung der Produktionsstrategie, wobei Firmen ihre Fertigungen dort etablieren, wo es wirtschaftlich Sinn macht.
Dies ist ein leitendes Thema in der Branche. Und auch als ich Anfang Oktober in Chicago auf der SMTAI sowohl mit EMS und OEM Unternehmen als auch mit Fertigungsmaschinen-Anbietern und Software-Providern über die wichtigsten Entwicklungen der Industrie diskutierte, waren die Trend-Wörter ‚Re-Shoring‘ und ‚Next-Shoring‘ fast in jedem Gespräch präsent.
Wenn es darum geht, die Fertigung nach einer Auslagerung wieder in ihr Heimatland zurückzuführen (Re-Shoring) oder die Produktionsstätten in das unmittelbare Umfeld des Marktes zu verlagern und wieder auf lokale Zulieferer zurückzugreifen (Next-Shoring), ist die Zielsetzung immer gleich: Risiken sollen reduziert und die Wertschöpfungskette optimiert werden. Und um dem Ganzen noch ein weiteres Trend-Wort zu geben, ist sowieso die beste Strategie das ‚Right-Shoring‘. Also die Fertigung dort zu etablieren, wo es wirtschaftlich am sinnvollsten ist. So sind folgende Trends erkennbar, die die Branche derzeit prägen:
- Ein Aufschwung an neuen Investitionen in Niedrigkostenländern wie Mittel- und Osteuropa, Mittelamerika und Asien;
- Ein Umzug von Elektronik-Produktionen von Asien zurück nach Europa mit stärkerer Regionalisierung;
- Höhere Nachfrage von OEMs für schnelleres „time-to-market“ als Folge des zunehmenden Wettbewerbs und der Notwendigkeit für einen schnelleren Return-on-Investment;
- Zunehmende Nachfrage von OEMs für Komplett-Lösungen die den gesamten Produkt-Lebenszyklus umfassen: Design, Technologie, Fertigung und Verwaltung der Lieferkette.
Vor allem Mittel-und Osteuropa heben sich bei solch strategischen Entscheidungen aufgrund ihrer geografischen Lage, politischen Situation und gut ausgebauten Infrastruktur deutlich ab. Der Startschuss für die Region kam in den frühen 90er Jahren mit einem Rekord an Wachstum und wirtschaftlichem Fortschritt. Nach Jahrzehnten des Sozialismus, etablierten sich Länder wie Bulgarien, Kroatien, die Tschechische Republik, Ungarn, Polen, Rumänien, Slowakei und Slowenien als Stars auf der weltweiten Bühne.
Diese Länder unterscheiden sich zwar stark in Bezug auf Grösse, Bevölkerung, Infrastruktur und ihrem Stadium der wirtschaftlichen Entwicklung, doch sie haben auch viele Dinge gemeinsam, einschließlich Geographie, Kultur, Geschichte und ihrer Vergangenheit. Gerade diese Gemeinsamkeiten beeinflussten fast identische Wachstumsmodelle der Länder, geprägt durch den Übergang von einer staatlich kontrollierten Wirtschaft zur freien Marktwirtschaft.
Durch Mitgliedschaft in der Europäischen Union – in 2004 Tschechische Republik, Ungarn, Polen, Slovakei und Slovenien; in 2007 Bulgarien und Rumänien; und in 2013 Kroatien – bietet die Region weitere attraktive Vorteile, die ein strategisches Re-Shoring und Next-Shoring beeinflussen.
Die Rahmenbedingungen für Unternehmen sind günstig. Zwar gibt es selbstverständlich Raum für Verbesserungen, doch steuert auch die Mitgliedschaft in der OECD dem Erfolg im internationalen Wettbewerb bei. Gesetzliche Unternehmenssteuersätze liegen im Durchschnitt weit unter denen von anderen EU Ländern, Asien, Lateinamerika oder Afrika. Eine willige und gut ausgebildete Arbeiterschaft wird durch eine starke Bildungspolitik gefördert, sodass der Zugang zu geschulten Arbeitskräften gewährleistet ist.
Und die strategische Lage bietet schnellen und direkten Marktzugang zu den in unmittelbarer Nähe gelegenen westeuropäischen Volkswirtschaften, zum Osten hin nach Russland und anderen GUS-Staaten sowie auch zur Türkei und dem Nahen Osten.
Unterschiede bestehen natürlich auch zwischen den einzelnen osteuropäischen Staaten – so zum Beispiel gibt es grosse Einkommensvariationen und die benötigte Infrastruktur einer schnellen und effizienten Wertschöpfungskette bedarf vor allem in den östlichen Ländern der Region weiterem Ausbau, um wichtige Investoren anzulocken.
Die Nähe zum Markt ist unangreifbar, doch die anderen Faktoren werden stark von den politischen Begebenheiten und der Stabilität beinflusst und riskieren somit Veränderungen in der Konkurrenzfähigkeit der Region.
Wie also könnten sich die osteuropäischen Länder ausrichten um ihre Konkurrenzfähigkeit langfristig zu garantieren? Ein Wachstumsmodell, dass sich insbesondere auf hochwertige Produktionen in den Bereichen wie Automobilindustrie, Luft- und Raumfahrt und Medizintechnik spezialisiert, bietet einen möglichen Lösungsansatz. Gleichzeitig könnten als kritische Voraussetzung für weiteres Wachstum R&D Aktivitäten stärker finanziert werden, um Innovationen zu fördern. Und Maßnahmen, die gewährleisten, dass die Arbeiterschaft die erforderlichen Fähigkeiten für spezialisierte Fertigungen besitzt, würden ausserdem einer erhöhten Wettbewerbsfähigkeit beisteuern.
Wenn es also um Re-Shoring oder Next-Shoring geht, bietet Osteuropa bestimmt ideale Rahmentbedingungen. Für Right-Shoring stellt sich allerdings dann die Frage, welches Land der Region die besten Voraussetzungen bietet und ob es nicht doch ganz woanders wirtschaftlich sinnvoller wäre.
Unsere Webinar-Empfehlung
Applikationen aus dem Bereich der Leistungselektronik gewinnen immer mehr an Bedeutung. Die Inspektion dieser Applikation lässt sich mit der bewährten Standardtechnologie der 3D-Messtechnik bewerkstelligen.
Teilen: