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Volle Kontrolle in der Montage von Motor-Elektronik

Elektronikbauteile nachvollziehbar verschraubt
Volle Kontrolle in der Montage von Motor-Elektronik

MTU baut nicht nur robuste Großmotoren, sondern fertigt auch die zugehörige Steuerungselektronik in Eigenregie. Bei deren Montage werden dokumentationsfähige Tensorschrauber von Atlas Copco Tools eingesetzt.

Thomas Schöppl, MTU Friedrichshafen

Für die Branche ungewöhnlich ist, dass MTU seine Elektronikkomponenten selbst fertigt. „Das ist ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber unserer Konkurrenz, die ihre Elektronik zukaufen muss“, betont Jens Kresalek, der bei MTU für die Fertigungsplanung Elektronik zuständig ist. Hergestellt werden Automations- und Überwachungssysteme, die zu jedem Motor gehören, sowie die Baugruppen der Motor-Elektronik, die teilweise direkt am Motor befestigt sind.
Deshalb spielt Schrauben eine besondere Rolle. Bei diesem Thema denkt man in Verbindung mit dem Motorenhersteller MTU zuerst an riesige Bolzen, die mit hohen Drehmomenten gewaltige Motorblöcke zusammenhalten. Denn MTU Friedrichshafen, ein Unternehmen der Tognum-Gruppe, fertigt Großmotoren bis 9100 Kilowatt (kW) Leistung, die beispielsweise Schiffe, Lokomotiven, Stromerzeugungsaggregate, sowie Industrie- und Militär-Fahrzeuge antreiben. Doch bei MTU müssen eben auch die sehr kleinen Schrauben im Bereich der Elektronikbaugruppen mit definierten Drehmomenten exakt angezogen werden.
Derzeit wird die Elektronikfertigung im Rahmen des Projekts „Zieh mit!“ auf das Pull-Prinzip umgestellt, wodurch alle Abläufe optimiert werden sollen. Dazu gehört unter anderem auch die Schraubmontage, in der früher vor allem einfache Elektroschrauber von Atlas Copco Tools eingesetzt wurden. „In unsere neuen Fertigungsinseln haben wir viele Montageinhalte gepackt und bündeln relativ viele Schrauber an einem Arbeitsplatz. Da ist die Verwechslungsgefahr groß“, sagt der Fertigungsplaner. Bei der Montage der Motorregler für eine neu aufgelegte Motorenbaureihe kam zudem die interne Anforderung auf, die Schraubergebnisse künftig rückverfolgen zu können. Die Lösung dafür fand Jens Kresalek in dokumentationsfähigen Tensor-SL-Schraubsystemen. Wo keine Dokumentationspflicht besteht, setzt er auch gerne Tensorschrauber der DL-Baureihe ein.
An allen Tensorschraubern schätzt der Diplomingenieur besonders die Möglichkeit, einen sogenannten Bit-Selektor anschließen zu können. „Damit können wir jede Menge Schrauber sparen.“ Denn dieses elektronische Schlüsselbrett enthält bis zu acht Steckschlüssel. Eine Leuchtdiode neben dem Steckschlüssel signalisiert, welcher für die gerade anstehende Schraubaufgabe zu entnehmen ist. Die entsprechenden Schraubparameter werden dann automatisch in der Schraubersteuerung aufgerufen. Diese weiß auch, wie viele Schrauben mit diesen Parametern anzuziehen sind, zählt also die Gruppe mit. Für den Werker bedeutet das eine Arbeitserleichterung. Mitzählen ist überflüssig, ihm wird vorgegeben, welchen Bit er nehmen muss – und wenn das System schließlich „i. O.“ sagt, kann er sicher sein, dass er alle Schrauben korrekt angezogen hat. Wird ein falscher Steckschlüssel aus dem Selektor gezogen, blockiert der Schrauber.
Jens Kresalek streicht vor allem die Verwechslungssicherheit des Tensor-SL-Schraubsystems heraus: „Ich kann den Arbeitsablauf der Mitarbeiter steuern, die Schraubreihenfolge festlegen und die Gruppenanzahl überwachen. Damit haben wir den Schraubprozess unter Kontrolle und können sicher sein, dass alle Schrauben tatsächlich korrekt angezogen sind – und wir können das dokumentieren!“
Dass mit den Tensorwerkzeugen alle Schrauben zweistufig angezogen werden, habe zunächst ergonomische Gründe gehabt, erklärt Kresalek. Denn auf diese Weise ließ sich (gegenüber einstufigem Anziehen) der Ruck, sprich das Reaktionsmoment, deutlich verringern, das aufs Handgelenk des Werkers einwirkt, wenn der Schrauber beim Erreichen des vorgegebenen Drehmoments abschaltet. Doch damit wollte sich der Fertigungsplaner nicht begnügen: „Ich habe mich dann weiter in das Thema eingearbeitet und festgestellt, dass zweistufiges Anziehen auch konstruktive Vorteile bietet. Wenn ich die Schraubkurve auf dem Monitor betrachte, sehe ich, was bei der Verschraubung passiert und welche konkreten Verbesserungen das zweistufige Verschrauben bringt.“
Zuführung verkürzt Montagezeit um 30 Prozent
Um die Ergonomie und den Bedienkomfort für die Werker noch weiter zu verbessern, wurde der Schrauber an einem Drehmomentarm befestigt, der das restliche Reaktionsmoment abfängt. Das Resultat laut Jens Kresalek: „Null Belastung auf das Handgelenk.“ Das macht das Arbeiten mit dem neuen Tensor SL spürbar komfortabler und führte zu schneller Akzeptanz durch die Werker.
Weil für die neue Motorenbaureihe BR1600 mit bis zu 20000 Stück eine wesentlich höhere Jahresproduktion prognostiziert wird als bei der Vorgängerserie (6000 bis 6500 Stück), wurde das Tensor-SL-Schraubsystem am Montageplatz der zugehörigen Motorsteuerung (ADEC, Advanced Diesel Engine Control) zusätzlich mit einer automatischen Schraubenzuführung von Böllhoff ausgerüstet. Damit sinkt die Montagezeit um rund 30 %, schätzt der Experte. Denn bei besagter Motorsteuerung sind allein 41 Schrauben notwendig, um die Platine im Alu-Druckgussgehäuse zu befestigen: 23 Schrauben werden mit 0,8 Nm Drehmoment für die Leiterplatte benötigt, hinzu kommt die Montage von vier Steckern mit 18 weiteren Schrauben, die selbstschneidend sind und mit langsamer Einschraubstufe in Kunststoff eingedreht werden. Weitere 17 Schrauben (2,8 Nm) dienen der Befestigung und Abdichtung des Gehäusedeckels. Dieser muss die Elektronik zuverlässig vor Umwelteinflüssen schützen, selbst wenn der Motor später einmal mit dem Hochdruckreiniger bearbeitet wird. „Wenn da keine Dichtigkeit gegeben ist, führt das unweigerlich zum Ausfall“, sagt Jens Kresalek. Damit es dazu nicht kommt und um immer sichere Schraubergebnisse zu erzielen, werden die Schraubsysteme halbjährlich kalibriert. „Damit sind wir auf der sicheren Seite“, sagt der Fertigungsplaner. „Das Schraubsystem hat sich gut bewährt, es läuft stabil.“
Derzeit werden in der Fertigungsinsel neben dem Motorsteuergerät ADEC zwei weitere Baugruppen montiert. Welche davon gerade zur Montage ansteht, wird der Schraubersteuerung per Barcode-Scanner mitgeteilt. Dazu hängen am Arbeitsplatz kleine Magnettafeln mit Barcodes. Wenn auf eine andere Baugruppe gerüstet wird, nimmt sich der Werker die entsprechende Tafel und scannt den Code. Die Steuerung ist dann entsprechend umprogrammiert und weiß sofort, wie viele Schrauben nun mit welchen Parametern zu montieren sind. Bei einem Typenwechsel fallen am Montageplatz also nur sehr kurze Rüstzeiten an.
Insgesamt hat MTU in Friedrichshafen rund 6000 Mitarbeiter, wovon sich der Großteil dem Motorenbau widmet. In der Elektronikfertigung, die nach dem Prinzip der Pull-Fertigung organisiert ist, sind 120 Mitarbeiter beschäftigt. MTU ist ein Unternehmen der Tognum-Gruppe.
Diese gehört mit ihren beiden Geschäftsbereichen „Engines“ und „Onsite Energy & Components“ zu den weltweit führenden Anbietern von Motoren, Antriebssystemen und dezentralen Energieanlagen. Basis hierfür sind Dieselmotoren bis 9100 kW, Gasmotoren bis 2150 kW, Brennstoffzellen bis rund 360 kW und Gasturbinen bis 50000 kW.
Das Produktportfolio des Geschäftsbereichs „Engines“ umfasst MTU-Motoren und Antriebssysteme für Schiffe, schwere Land- und Schienenfahrzeuge, militärische Fahrzeuge sowie für die Öl- und Gasindustrie. Das Portfolio des Geschäftsbereichs „Onsite Energy & Components“ besteht aus dezentralen Energieanlagen der Marke MTU Onsite Energy, Einspritzsystemen von L’Orange sowie Gelenkwellen von Rotorion. Die Energieanlagen umfassen Dieselaggregate für Notstrom, Grund- und Spitzenlast sowie Blockheizkraftwerke zur Kraft-Wärme-Kopplung auf Basis von Gasmotoren, Brennstoffzellen und/oder Gasturbinen.
Tognum erzielte im Geschäftsjahr 2008 einen Umsatz von über 3,1 Mrd. Euro und beschäftigt über 8900 Mitarbeiter. Mit 26 vollkonsolidierten Tochtergesellschaften, mehr als 140 Vertriebspartnern und über 500 autorisierten Händlern an rund 1200 Standorten verfügt Tognum über eine globale Vertriebs- und Servicestruktur.
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