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Von der Maschinenbasis zur Basismaschine

2D-Leistungsmatrix für Bewegungssysteme in der Elektronikfertigung
Von der Maschinenbasis zur Basismaschine

Stetig steigende Anforderungen an die Produktivität von Fertigungsprozessen für Halbleiter, Displays und Leiterplatten sowie in der Löt-, Bestückungs- und Photovoltaiktechnologie erfordern auf der einen Seite leistungsfähigere Einzelbaugruppen wie zum Beispiel Linearachsen mit höheren Beschleunigungen. Auf der anderen Seite kann die damit einhergehende Vergrößerung der Dynamik sich negativ auf Genauigkeit und Lebensdauer der Gesamtmaschine auswirken. Diese Wechselwirkungen von Struktur, Mechanik, Antrieb und Steuerung sind bereits in den ersten Schritten der Auslegung und Entwicklung aber auch in Fertigung, Montage und Inbetriebnahme hochdynamischer und präziser Positionier- und Bewegungssysteme integrativ zu berücksichtigen.

Dr.-Ing. Utz-Volker Jackisch & Dr.-Ing. Andreas Grotz, Epucret Mineralgusstechnik, Wangen

Wurden bei der Entwicklung von Maschinen, Anlagen und Geräten in der Vergangenheit noch oft die Disziplinen Struktur, Mechanik, Antrieb und Steuerung getrennt voneinander entwickelt, so ist man sich in der Fachwelt heute weitestgehend einig, dass die permanent steigenden Anforderungen an komplette Systemlösungen hinsichtlich höchster Dynamik und Genauigkeit sowie die Reduzierung von Entwicklungszeiten und -kosten nur durch einen ganzheitlichen (mechatronischen) Entwicklungsansatz erfüllt werden können. Derartige ganzheitliche Engineering-Konzepte sind bekannt als „Disziplinübergreifende Maschinenentwicklung“ [1] oder „Integrative Methoden in der Produktentwicklung“ [2]. Leistungsfähige Werkzeuge wie beispielsweise der „Mechatronics Concept Designer (MCD)“ von Siemens PLM unterstützen die Entwickler hierbei sehr erfolgreich. Epucret geht mit seinem neuen Produktbereich Eputronic noch einen Schritt weiter. Dabei berücksichtigt eine zweidimensionale Leistungsmatrix nicht nur in der Entwicklungsphase eine multidisziplinäre Herangehensweise, sondern auch in Fertigung, Beschaffung, Montage und Inbetriebnahme. Themen wie eine adäquat zu den Anforderungen von Führungen und Antrieben gefertigte Präzision der Maschinenbasis oder wie hinsichtlich Lebensdauer und Energiebilanz aufeinander abgestimmte Montage von Antrieben, Linearsystemen und bewegten Strukturkomponenten haben signifikante Relevanz in den der Entwicklung nachgelagerten Prozesschritten.
Struktur-Paket
Höchste Dynamik bei absoluter Präzision – die Lösung dieses „gordischen Knotens“ beginnt bei der Auslegung, Fertigung und Montage der kompletten Maschinenstruktur. Steifigkeit, Dämpfung sowie Wärmestabilität von Maschinenbetten, Schlitten, Tischen, Verfahrportalen und anderen Gestellkomponenten beeinflussen direkt die Präzision und Lebensdauer des kompletten Bewegungssystems. Das Spektrum moderner Konzepte und Werkstoffe für höchste Anforderungen hat sich in den letzten Jahren vergrößert. Nichtmetallische Lösungen für tragende Strukturteile aus schwingungsdämpfendem Mineralguss oder Hartgestein haben sich ebenso durchgesetzt wie Faserverbundwerkstoffe oder Aluminiumschaum für dynamisch bewegte Gestellbaugruppen. Aufgrund ihrer zellularen Struktur absorbieren zum Beispiel Metallschäume eindrucksvoll Schwingungs- und Ruckenergien und sind daher die ideale Basis für Baugruppen, bei denen Leichtbau und Schwingungsdämpfung unverzichtbar sind. Schlitten und Tische aus Faserverbundwerkstoffen (zum Beispiel CFK) zeichnen sich insbesondere durch ein optimiertes Masse- / Steifigkeitsverhältnis bei signifikant verbesserter Dämpfung aus. Nicht zu vergessen sind wärmebezogene Themen. Über 80 Prozent von Fehlern in der Elektronikfertigung entstehen durch thermische Einflüsse. Hier sind sowohl Softwarelösungen zur thermischen Kompensation auf der einen Seite als auch intelligente Gestellbaugruppen auf der anderen Seite abzuwägen.
Mechanik-Paket
Bei der Auslegung, Auswahl und Montage mechanischer Komponenten von Basismaschinen wie beispielsweise Führungen, Faltenbälge, Schleppketten und Sicherheitsdämpfer ist neben Dynamik und Genauigkeit vor allem die Lebensdauer ein wesentliches Kriterium. Präzise bearbeitete Montageflächen und Anschlagschultern für Linearführungsschienen sowie deren sorgfältige und hochgenaue Montage sind im wörtlichen Sinne Basis für die lange Lebensdauer der Führungswagen.
Selbstverständlich kommt im Mechanik-Paket der Auslegung und Berechnung der Bewegungskinematik und der Bewegungsparameter eine besondere Bedeutung zu. Nach einer ersten Komponentenauswahl und Konstruktion der Hauptfunktionselemente müssen die Funktionsparameter sowie das Verhalten des Gesamtsystems nachgerechnet werden, wobei hier die Eigenschaften der Gestellkomponenten entscheidende Eingangswerte sind. Bei der Realisierung hochdynamischer Verfahrbewegungen sollte das Verhältnis von bewegter zu feststehender Masse den Wert 1:10 nicht überschreiten. Dies ist oft nur mit Leichtbaulösungen aus Aluminiumschaum oder Faserverbund möglich. Iterationsschritte sollten immer von möglichst kleinen bewegten Massen und Aufbauten hin zu massiveren Konstruktionen ablaufen. Hinsichtlich der Aufstellung können Schwingungstilger eingesetzt werden, wobei die Auslegung so zu wählen ist, dass sich die Gesamtdynamik nicht erheblich verschlechtert. Zum einen gibt es reine Ruckdämpfungen, die hohe Absorptionsenergien aufnehmen können, aber entsprechend träge reagieren. Zum zweiten die Schwingungsdämpfung, die sich abhängig vom eingeleiteten Frequenzspektrum anpassen lässt und zum dritten die Reduzierung von entstehendem Körperschall. Idealerweise sollte das Augenmerk aber auf Entstehungsstelle und -ursache liegen.
Antriebs-Paket
Die Auswahl der Antriebskonzepte für Positionier- und Bewegungssysteme ist stark abhängig von Einsatzbedingungen und Applikation. Rotatorisch-translatorische Positioniersysteme können sehr gute dynamische Eigenschaften und mittlere Genauigkeiten durch Servomotoren mit geringem Trägheitsmoment bei prinzipbedingtem Tiefpassverhalten erzielen. Hohe Kräfte, optionale Selbsthemmung und integrale Haltebremsen für z-Achsenanwendungen sprechen für diese Antriebsart. Mikrovibrationen und Verschleiß sind jedoch zu beachten.
Linearschrittmotoren, meist mit Luftlagerung, zeichnen sich durch höchste Laufruhe und geringste Welligkeit aus. Die Reluktanzkräfte werden hier im Zusammenspiel mit dem Luftpolster zur Lagerung genutzt, so dass steife Anordnungen mit geringstem Konstruktionsaufwand erzielbar sind. Linearmotoren besitzen die höchste Dynamik der betrachteten Achsantriebe. Mit eisenlosen Linearmotoren können Schlittenanordnungen sehr filigran aufgebaut werden, so dass die bewegten Massen gering gehalten werden können. Insbesondere bei Kreuzschlitten summieren sich die zu bewegenden Massen schnell auf.
Allerdings sollte immer von kleinen zu großen Motorgrößen hin projektiert werden, da die Eigenmassen ebenfalls signifikant steigen. Zur Einsparung der Motorbaugröße kann die Überstromfähigkeit von Antrieben ausgenutzt werden. Heutige Systeme gehen über den Faktor 3 bis 4 hinaus, so dass bei bekanntem Einschaltverhältnis und Fahrprofil zum Teil deutlich kleiner gebaut werden kann. Zum Beispiel weisen viele reversierende Systeme sehr kurze Beschleunigungsphasen mit hoher Bestromung und anschließender Konstantfahrt mit einem sehr geringen Regelstrom auf. Bei hohen Kraftanforderungen müssen eisenbehaftete Motoren eingesetzt werden. Das Kraft/Masse-Verhältnis sinkt dadurch merklich ab – die bewegten Massen steigen. Sollen hierbei geringe Lagerbelastungen erzielt werden, können symmetrisch aufgebaute Systeme eingesetzt werden.
Wie bereits erwähnt muss der Frequenzabstand von Lageregelkreis, und Gestelleigenfrequenzen besonders beachtet werden. Die Frequenz der ersten Eigenfrequenz sollte mindestens doppelt so groß sein wie die Eigenfrequenz des Lagereglers. Bei bewegten, angebauten Mechaniken können Resonanzfrequenzen von circa 15–30Hz für konventionelle Antriebe angenommen werden. Für Lineardirektantriebe mit direkter Wegmesssystemankopplung können circa 100Hz angenommen werden.
Klassische Bandbreitenfilter oder Posicast Filter können auf Steuerungsseite eingesetzt werden, welche jedoch die Dynamik gegebenenfalls reduzieren. Steuerungshersteller (Siemens Mechatronic Support) haben Softwarekomponenten entwickelt, welche anhand des Maschinenmodells das Führungsverhalten der Maschine an das dynamische Verhalten anpassen. Der Einsatz von Bahnsteuerungen anstelle von Punkt-zu-Punkt-Bewegungen erlaubt kurze Verfahrzeiten bei geringer Ruckbelastung.
Steuerungs-Paket
Bei Endkunden und Maschinenherstellern setzt sich immer mehr die nachvollziehbare Erwartung durch, dass eine Maschine genauso einfach und mit den bekannten Mitteln aus der Büro-/PC-Welt zu bedienen sein soll. Ebenso sollte im Servicefall eine einfache Diagnose möglich sein und ein mit der Maschine nicht bekannter Servicetechniker schnelle Diagnosemöglichkeiten vorfinden. Steuerungen von namhaften Herstellern, bei welchen weltweiter Support und Service jederzeit garantiert werden kann, sind deshalb zu bevorzugen.
Für hochgenaue Achssteuerungen existieren viele spezialisierte drive-basierte Systeme. Hohe Regelungs- und Chopperfrequenzen ergeben zusammen mit hochauflösenden Messsystemen höchste Positioniergenauigkeiten. Diese sind auch als Mehrachssysteme verfügbar. Dennoch geht der Trend zu controllerbasierten Systemen mit Echtzeitbussystemen, so dass die Forderung besteht, diese hochspezialisierten Systeme an die marktführenden Bussysteme anschließen zu können. Wichtig ist hierbei eine schnelle und reibungslose Implementierung ohne manuellen Aufwand bei Bibliothekssuche, -einbindung oder Variablenverknüpfung.
Immer wichtiger werden Energiesparfunktionen wie Zwischenkreiskopplung, Rückspeisung oder intelligente Standby-Funktionen. Ebenso haben die Sicherheitsfunktionalitäten durch die Einführung der neuen Maschinenrichtlinie deutlich an Bedeutung gewonnen. Neben dem „Sicheren Halt“ in allen Ausprägungen wird die „Sicher Reduzierte Geschwindigkeit“ zusammen mit der „Sicheren Drehrichtung“ immer mehr nachgefragt.
Extrem schnell und hochgenau
Ultraschnell bewegen und hochpräzise positionieren – schon im Begriff der Positionier- und Bewegungssysteme dokumentiert sich der Anspruch der Hochtechnologiebranche, aber auch die vermeidliche Widersprüchlichkeit zwischen hoher Präzision und hoher Dynamik. Mit einer zweidimensionalen Leistungsmatrix (Dimension 1: Struktur, Mechanik, Antrieb, Steuerung; Dimension 2: Auslegung, Simulation, Fertigung, Montage) schaffen Komplettanbieter wie Epucret die Voraussetzung für optimale Basismaschinen in der Elektronikfertigung: dynamisch und präzise. Durch die abgestimmte Gesamtkonstruktion entstehen flexible und modulare Maschinen, die die Anforderungen der jeweiligen Applikation optimal erfüllen. Der Kunde ist eng in den Produktentwicklungs- und Herstellprozess eingebunden, der von A bis Z dokumentiert wird. An die Anforderungsanalyse, die im Angebot für den Kunden mündet, schließt sich die Auslegungs- und Berechnungsphase an. In der Konstruktionsphase wird das Gesamtsystem ausgearbeitet. Die Verifikation erfolgt über Simulations- und Berechnungsprogramme. Zusätzliche Genauigkeitspakete für Antriebe und Mechanik sichern die Leistungsfähigkeit des Endprodukts mit bester Bahntreue und wiederholbaren Positioniergenauigkeiten.
Productronica, Stand A3.260

Literatur
[1] Özedimr, D.: Disziplinübergreifende Maschinenentwicklung. Tools 2.2012, WZL RWTH Aachen, S. 2–4
[2] Brecher, Chr. und Bäumler, S.: Zukunftsthemen im Werkzeugmaschinenbau. mav, 5/2011, S. 34–35
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