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Von Mikrofokus zu Nanofokus

Evolution der Röntgentechnik
Von Mikrofokus zu Nanofokus

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Der Schöpfer dieses Bonmots hätte seine Aussage sicherlich nie in einen Zusammenhang mit industrieller Röntgentechnik gebracht – und doch kaum etwas trifft den Kern der Sache besser. Wird doch die Qualität eines Industrieröntgensystems fast ausschließlich an der Bildqualität und dem Informationsgehalt der Röntgenbilder gemessen.

Ilka Döring, Holger Roth, Phoenix-Xray, Wunstorf

Je besser die Bildqualität ist, umso größer ist die Chance für den Qualitätssicherungsingenieur, die Ursachen einer Fehlfunktion zu erkennen. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, haben die Hersteller von Röntgenröhren die Entwicklung von der Mikrofokus- zur Submikrometer-Technologie vorangetrieben. Innerhalb der vergangenen Jahre ist es gelungen, dadurch eine zuverlässige und reproduzierbare Submikrometer-Auflösung zu erzielen.
Eine kurze Geschichte der industriellen Röntgentechnik:
Im Jahr 1895 machte in Würzburg der Physiker Wilhelm Conrad Röntgen die Beobachtung „…dass durch die schwarze Kartonhülse ein Agens hindurchgeht, das im Stande ist, lebhafte Fluoreszenz zu erzeugen“. Dieses Agens, das er „X-Strahlen“ nannte, wurde später als elektromagnetische Strahlung mit 10.000-mal kleineren Wellenlängen als denen des sichtbaren Lichtes identifiziert.
Trotz der bereits weit verbreiteten medizinischen und technischen Anwendung dauerte es bis zum Jahr 1951, als V.E. Cosslett und W.C. Nixon in Cambridge das „Röntgenschattenmikroskop“ entwickelten. Dieses war der Vorläufer aller folgenden industriellen Röntgensysteme mit geometrischer Vergrößerungsfunktion. Das Prinzip ist im Bild 1 dargestellt.
Im Röntgenschattenmikroskop ist die Bildauflösung bei höheren Vergrößerungen durch die Brennfleckgröße limitiert: die Abweichung der Röntgenquelle von der Punktform verursacht Halbschatten (Bild 2). Der Hell-Dunkel-Kontrast im Röntgenbild dagegen wird bei gegebenem Objekt hauptsächlich durch den Detektor bestimmt. Seit jener Zeit haben Röntgenphysiker und Ingenieure daran gearbeitet, leistungsfähigere und höher auflösende Röntgenquellen zu entwickeln. In den 50er Jahren wurden industrielle Röntgenröhren mit Fokusgrößen von etwas über 1 mm gefertigt. Es folgten die Minifokus-Röhren mit Fokusgrößen von ungefähr 200 µm bis 1 mm. Diese Bauart wird heute noch in vielen Industriezweigen eingesetzt, z.B. für die Kontrolle von Schweißnähten an Ölleitungen, Kfz-Motorblöcken oder Flugzeugmotoren.
Vor etwa 20 Jahren erlangte ein neuer Typus die Serienreife: Die industrielle Mikrofokus-Röntgenröhre. Diese Röhren bieten eine Bildauflösung bis zu wenigen Mikrometern. In Kombination mit einer neuen Generation von Bildverstärkern schien somit der Olymp der industriellen Röntgentechnik erreicht. Die Mikrofokus-Technologie wurde zum „Muss“ für die Fehleranalyse und Prozesskontrolle in der Elektronikindustrie.
Im Jahr 2001 trieb ein Team von Röntgenphysikern und Ingenieuren bei Phoenix-Xray die Röntgentechnik erneut voran, indem sie den Prototypen einer neuen Röhre mit einer Bildauflösung deutlich unterhalb des Mikrofokusbereiches entwickelten, die als Nanofokus-Röhre bekannt werden sollte. Diese Röhren, die eine Detailerkennbarkeit von 200 nm erzielen, wurden technisch und konstruktiv so optimiert, dass sie in Serie hergestellt werden konnten. Somit wurden die Weichen für eine neue Ära der zerstörungsfreien Prüfung gestellt, und erstmalig Applikationen im Submikrometerbereich ermöglicht.
Die Nanofokus- Röntgenröhre
Während manch einer sich diesen Durchbruch als ein „Heureka-Erlebnis“ in Form einer völlig neuen Röhrentechnologie vorstellte, glich der tatsächliche Entwicklungsprozess bei Phoenix-Xray eher der klassischen Edisonschen Serie von „Trial and Error“. Das Entwicklerteam musste einige Hürden nehmen und die Röhrenphysik auf eine zum Teil unkonventionelle Weise anpassen, bis die serienreife Version in Betrieb ging.
Bild 3 zeigt die grundlegende Konstruktion einer Mikrofokus- und Nanofokus-Röhre. Der bemerkenswerteste Unterschied zwischen den zwei unterschiedlichen Röhrentypen ist, dass der Elektronenstrahl bei den Nanofokus-Röhren durch zusätzliche Linsen und Blenden geführt wird. Dies hat zur Folge, dass der Elektronenstrahl extrem gebündelt auf das Target trifft, so dass ein sehr kleiner Brennfleck erzielt werden kann, der in etwa 10-mal kleiner ist als bei einer Mikrofokus-Röhre. So wird der Brennfleck vom Halbschatteneffekt minimiert, d.h. die Bildschärfe maximiert. Bild 2 zeigt die Funktion einer Nanofokus-Röhre im Sinne eines Röntgenschattenmikroskopes wie in Bild 1. Es wird deutlich, dass im Gegensatz zur Mikrofokus-Röhre an dem Kreuz keine Unschärfe auftritt.
Die Submikron-Technik in der Praxis
Je kleiner der Brennfleck ist, desto feinere Details werden erkennbar. Bessere Mikrofokusröhren haben einen Brennfleck von etwa 4 µm, während üblicherweise in industriellen Systemen eingesetzte Röhren Röntgenstrahlen mit einem 8-µm-Brenn- fleck erzeugen.
Die neue high-power Nanofokus-Röhre von Phoenix-Xray deckt in den vier Betriebsmodi (multifocus) die gesamte Bandbreite von der Submikron-Auflösung bis hin zu high-power Mikrofokusapplikationen ab. Die folgenden Beispiele zeigen, wo die Nanofokus-Technologie in der Elektronikfertigung sinnvoll eingesetzt werden kann. Das Hauptargument für den Einsatz der Nanofokus-Technololgie ist die verbesserte Fehlererkennung, d.h. die Möglichkeit, Details sichtbar zu machen, die mit der Mikrofokus-Technologie einfach nicht erkennbar sind. Bild 4 zeigt eine Reihe gebrochener Bonddrähte. Die feinsten Risse sind kaum 200 nm breit.
Ein weiteres Beispiel sind mikroskopische Flip-Chip-Verbindungen, wie sie in elektronischen Baugruppen oder neuartigen Detektoren eingesetzt werden. Die typischen Fehlergrößen bewegen sich im Bereich von wenigen Mikrometern. Bild 6 zeigt, dass Poren und Lunker, die im Mikrofokus-Bild lediglich als Inhomogenität in der Lötverbindung gedeutet werden könnten, mit der Nanofokus-Technik dargestellt und unterschieden werden können.
nanoCT – der Schritt in die dritte Dimension
Für Phoenix-Xray als Hersteller von hochauflösenden Mikrofokus-Computertomographen war es nur folgerichtig, die Nanofokus-Technik auch in Computertomographen einzusetzen, woraus die „nanoCT“ entstand. Die Ergebnisse werden in Materialwissenschaft, Elektronik und Mikromechanik, insbesondere in der Forschung, außerordentlich geschätzt. Mit der Möglichkeit, Objekte und Materialien in Submikron-Auflösung dreidimensional zerstörungsfrei zu vermessen und zu untersuchen, erschlossen sich ganz neue Anwendungen. Somit gelingt es nun, verdeckte Details auch jenseits der Auflösungsgrenzen herkömmlicher Untersuchungsmethoden darzustellen und zu analysieren.
Zusammenfassung
Wirkliche Nanofokus-Röntgensysteme waren einst gleichsam der „Heilige Gral“ der Röntgenindustrie. Jetzt, da zuverlässige Nanofokus-Röhren und -Systeme auf dem Markt sind, werden die tatsächlichen Vorteile dieser Technik nach und nach erforscht und erweitert. Aber wird dies das Ende der Mikfokus-Technik bedeuten?
Nein – und zwar aus demselben Grund, weshalb die Mikrofokus-Technik nie die Minifokus-Technik ersetzen konnte. Die Minifokus-Röhren verschwanden nie vom Markt, sondern fanden ihren Markt in der Untersuchung von großen, dichten Objekten, die mit Mikrofokus-Röhren nicht durchstrahlt werden können. Die hohe Röntgenintensität, welche hierzu erforderlich ist, kann mit einem Mikrofokus-Aufbau nicht erreicht werden, da bei der Bündelung des Elektronenstrahls auf der kleinen Fläche des Mikrofokus-Brennflecks das Target quasi durchbrennen würde, ganz ähnlich wie beim Fokussieren eines Sonnenstrahls durch eine Lupe – je nach Anwendung kann man die Dinge klarer sehen oder ein Feuer legen.
Analog dazu kann man keine Nanofokus-Röhre bei sehr hoher Leistung betreiben ohne den Brennfleck zu vergrößern. Dennoch gibt es mittlerweile viele Anwendungen in der Elektronikindustrie, die durchaus mit geringeren Targetströmen untersucht werden können, so dass die Nanofokus-Technik eine große Bandbreite von Einsatzmöglichkeiten in der Halbleiter-Industrie, Sensorik und Materialwissenschaft hat.
So ist es unwahrscheinlich, dass Nanofokus-Röhren die Mikrofokus-Röhren in allen Anwendungsbereichen ersetzen werden. Zugleich jedoch brauchen die Anwender der Nanofokus-Technik bei Inspektionsaufgaben, bei denen eine höhere Leistung erforderlich ist, nichts einzubüßen: Mit der High-Power-Nanofokus-Technik und ihren vielfältigen Betriebsmodi schließt sich die Lücke zwischen Mikrofokus und Nanofokus.
Daher werden die Anwender am meisten von den Neuerungen profitieren, indem sie konventionelle Mikrofokus-Röhren durch High-Power-Nanofokus-Lösungen ersetzen. Die Einführung und Entwicklung dieser Technik in die Computertomographie verspricht neue Anwendungsgebiete, insbesondere in der miniaturisierten Elektronik und in den Materialwissenschaften. Das Weltbild der Röntgentechnik wird also nicht völlig auf den Kopf gestellt – aber klarer, deutlicher und weiter.
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