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Wagnis oder Sicherheit?

AOI-Systeme und ihr Einsatz in der bleifreien Fertigung
Wagnis oder Sicherheit?

Der 1. Juli 2006 war ein wichtiges Datum in der Geschichte der Elektronikfertigung. Seither dürfen Lötverbindungen von Bauelementen auf Flachbaugruppen kein Blei mehr enthalten. In den vergangenen Jahrzehnten waren alle Komponenten zur Herstellung elektronischer Baugruppen auf die bleihaltigen Lötprozesse abgestimmt – auch optische Prüftechnologien wie Automatische Optische Inspektion (AOI) oder Röntgeninspektion (X-Ray) basierten auf getesteten Auswerte- algorithmen anhand bleihaltiger Lötstellen.

Göpel electronic, Jena

Wurde in den vergangenen Monaten vor allem die Qualität der Lote und Lötverbindungen während der Elektronikfertigung diskutiert, spielten die Auswirkungen von bleifreien Lotverbindungen auf die Testbarkeit von elektronischen Baugruppen jedoch eine eher untergeordnete Rolle. Doch dieses Thema ist ebenso brisant wie der Einsatz bleifreien Lotes selbst. Göpel electronic hat sich schon lange vor der Bekanntgabe der Verordnung der EU-Kommission zum Einsatz bleifreier Materialien mit diesem Thema befasst und sich die Frage gestellt: Ist die Beziehung zwischen AOI-Systemen und bleifreier Fertigung nun Wagnis oder Sicherheit?
Bleihaltige und bleifreie Lötstellen – Wagnis für AOI?
Bleifreie und bleihaltige Lötverbindungen unterscheiden sich in verschiedenen Punkten wesentlich voneinander. Gründe hierfür können folgende Parameter sein:
  • Design des Pads
  • Oberflächenfinish des Pads
  • Zusammensetzung der Lotpaste
  • Atmosphäre und Temperaturprofil im Lötofen
Diese Parameter haben entscheidenden Einfluss auf Meniskusgröße der gelöteten Verbindung, Benetzung und Oberfläche der Lötstelle. Das verschiedenartige Aussehen der Lötverbindungen ist im Bild 1 dargestellt. Das linke Bild zeigt eine Verbindung, die mit bleifreier Paste gelötet wurde; das rechte Bild zeigt eine bleihaltige Verbindung.
Weitere Kriterien, welche die Darstellung der jeweiligen Lötstellen beeinflussen, betreffen die Zusammensetzung der bleifreien Lotpaste, d. h. aus welchem „Stoffgemisch“ sie bestehen. Dies können u. a. Mischungen aus Zinn-Silber-Kupfer oder Zinn-Silber-Verbindungen sein. Auch die Atmosphäre, unter der gelötet wird (Stickstoff, Luft oder Dampfphase) spielt eine nicht unwesentliche Rolle, verleiht sie der Lötstelle doch ein bestimmtes Aussehen.
Daher können bleifreie Lötstellen je nach Fertigungssituation und eingestellten Prozessparametern ein sehr weites Spektrum hinsichtlich ihres Erscheinungsbildes aufweisen. So kann es vorkommen, dass sie sich zum einen von bleihaltigen Lötstellen kaum unterscheiden lassen und zum anderen aber auch gravierende äußere Unterschiede aufweisen können. Daraus ergibt sich grundsätzlich eine echte Herausforderung für AOI-Systeme ihre Anwendung betreffend.
Die Frage, die sich zunächst stellt, ist: Kann das AOI-System die unterschiedlichen Erscheinungsformen der Lötstellen sicher prüfen? Dies bezieht sich auf die Erkennung von Fehlern und vor allem die Pseudofehlerrate, welche bei ersten Testversuchen verschiedener Anbieter sprunghaft um das Zigfache stieg. Weitere Kriterien in Bezug auf den Einsatz eines AOI-Systems sind die Anpassbarkeit der Prüfprogramme und die Frage, ob eine gemischte Fertigung (bleifrei/bleihaltig – zulässig bei Baugruppen etwa für die Automobilindustrie) bewältigt werden kann oder das System vor unlösbare Probleme stellen würde.
Grundprinzip der Lötstelleninspektion
Pads, Lötmenisken und Bauteilpins verursachen bei unterschiedlichen Beleuchtungen unterschiedliche Reflexionen. Die Verknüpfung verschiedener Algorithmen in unterschiedlichen Prüfbereichen führt schließlich zu einer Pass/Fail-Aussage.
Bleifreie und bleihaltige Lötverbindungen weisen aufgrund ihrer Fertigungsparameter unterschiedliche Oberflächenstrukturen auf. Eine Prüfung mit einer einfachen Helligkeitsanalyse würde demnach zu einer erhöhten Pseudofehlerrate bzw. erhöhtem Schlupf führen. Warum ist das so?
Bedingt durch die glatte Ausprägung der Oberfläche bleihaltiger Lötstellen ergeben sich nahezu ideale Gegebenheiten hinsichtlich der Reflexion auftreffender Lichtstrahlen. Je nach Erkennungsprinzip können diese mit einer der gängigen Grundfunktionen der digitalen Bildverarbeitung sicher ausgewertet werden. Die Eindeutigkeit dieser Merkmale erlaubt den Einsatz von Basisfunktionen, wie etwa einer Grauwertbestimmung.
Wie eingangs erwähnt, können die Erscheinungsbilder bleifreier Lötstellen aber auch sehr unterschiedlich sein. In vielen Fällen weisen sie eine stark körnige Oberfläche auf, welche das auftreffende Licht in unterschiedliche Richtungen reflektiert. Da aufgrund dieser Körnigkeit Lichtstrahlen auch direkt in die Kamera reflektiert werden, ergibt sich ein geringerer Unterschied zwischen einer korrekt gelöteten und einer offenen Lötstelle.
Als weiteres Merkmal können bleifreie Lötstellen durch eine veränderte Meniskusausprägung gekennzeichnet sein – eine Gegebenheit, die gleichermaßen Reflektionsverhalten von Lötstellen und somit die sichere Auswertung durch AOI beeinflusst.
In einer gemischten Fertigung befindet sich das AOI-System somit vor einer echten Herausforderung. Neben der Erkennung der „artfremden“ Lötstellen muss zusätzlich ein entsprechendes Variantenhandling von Bibliotheken und Prüfprogrammen bewältigt werden. Es versteht sich von selbst, dass dabei einer komfortablen Bedienung gleichfalls ein hoher Stellenwert beigemessen wird.
Aufgrund der langjährigen Erfahrung der Göpel electronic auf dem Gebiet der Inspektion bleifrei gelöteter Baugruppen konnten für die oben genannten Faktoren umfassende Lösungsmöglichkeiten geschaffen werden. Dabei bildet die Struktur der fertigungsorientierten Bauteilbibliothek der OptiCon-Software flexible Möglichkeiten, die Systeme an unterschiedliche Gegebenheiten zu adaptieren.
  • 1) Sollte aufgrund der wechselnden Erscheinungsformen der Lötstellen eine Anpassung der Prüfprogramme notwendig sein, ist in der jeweiligen Boardbibliothek eine komfortable Adaption möglich. Dies kann hinsichtlich der Meniskusausprägung (und natürlich auch weitere Parameter betreffend) jeweils für einen Bauteiltyp komplett für die gesamte Leiterplatte vorgenommen werden. Der in der OptiCon-Software integrierte PARL-Algorithmus ist dabei anderen Detektionsverfahren, z. B. einer einfachen Grauwertmessung, weit überlegen.
  • 2) Wurde dieser Bibliothekseintrag an einer Baugruppe erprobt, kann er einfach per Knopfdruck in weitere Prüfprogramme übertragen werden.
  • 3) Schließlich die größte Herausforderung: ein Unterschied zwischen bleifreien und bleihaltigen Lötstellen und zusätzlich eine gemischte Produktion. Aber auch hierfür gibt es eine elegante Lösung. Per Mausklick kann zwischen den einzelnen Bibliotheken umgeschaltet werden – das eigentliche Prüfprogramm ist dabei immer dasselbe.
Wagnis oder Sicherheit?
Flexibilität und leistungsstarke Algorithmen sind die Zauberwörter zur problemlosen Inspektion von bleifreien Lötstellen. Das Wagnis ist somit entkräftet.
Die Automatische Optische Inspektion gibt heutzutage allemal Sicherheit. Schließlich ist diese Technologie aus der Qualitätskontrolle nicht mehr wegzudenken. Sie ermöglicht eine effektive Reduzierung oder gar den Ersatz elektrischer Testverfahren wie In-Circuit Tests oder Flying-Probe Tests.
Es bleibt schließlich festzustellen, dass ein OptiCon-System Garant für die sichere und flexible Automatische Optische Inspektion von bestückten Leiterplatten ist – seien sie bleifrei, bleihaltig oder gemischt gelötet.
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