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Wider den „Popcorn-Effekt“ Hubert Knab, Microtec, Stuttagrt

Langzeit-Zuverlässigkeit von Halbleitergehäusen
Wider den „Popcorn-Effekt“ Hubert Knab, Microtec, Stuttagrt

In den frühen 80ern stellte die halbleiterverarbeitende Industrie von Durchstecktechnologie auf Oberflächenmontage um. Wurden bei der Durchstecktechnologie nur die Anschlussbeinchen erhitzt (Wellenlöten), so wird bei den oberflächenmontierten Bauteilen das gesamte Gehäuse erwärmt (Reflow-Löten). Mit der neuen Methode sind auch neue Fehlermechanismen entstanden.

Die zur IC-Verpackung verwendeten Kunststoffe nehmen ein gewisses Maß an Feuchtigkeit (bis max. 0,5 Gew.-%) aus der Umgebung auf. Diese Feuchte lagert sich vorwiegend an den Grenzflächen zwischen Vergussmasse und internen Strukturen der IC-Gehäuse an. Aufgrund der raschen Temperaturerhöhung beim Lötvorgang verdampft diese Feuchte. Die dadurch verursachte Volumenvergrößerung kann zu Rissen im Kunststoff bzw. zu Delaminationen an internen Grenzflächen führen. Dieses Phänomen wird Popcorn-Effekt genannt.Um dies zu vermeiden, werden bei kunststoffgehäusten Bauelementen zwei Verfahren eingesetzt:

  • 1. Ausbacken (Dry bake) der feuchtesensitiven Bauelemente bei 125 °C/24 h, alternativ 40 °C/192 h Lagerung bei relativer Feuchte < 5%.
  • 2. „Trockene“ Anlieferung der feuchtesensitiven Bauelemente (Dry Pack) sowie die anschließende Verarbeitung innerhalb eines Zeitraums, der durch den sog. Moisture Sensitivity Test ermittelt wird und auf dem Dry-Pack-Beutel vermerkt sein sollte (entsprechendes Labelling gemäß EIA/JEDEC JEP113-B).
Der Moisture Sensitivity Test (MST)
Bei der Bauelementequalifikation wird MST als qualitätssichernder Test zur Langzeitzuverlässigkeit durchgeführt, da von Kunden, z.B. aus der Telekommunikationsbranche, eine bis zu 20-jährige Garantie der Systeme gefordert wird.
Im MST werden die Bauelemente in feuchtesensitive Klassen eingeteilt. Hierbei wird der Zeitraum ermittelt, in der das Bauelement nach dem Öffnen des Dry Packs oder nach dem Ausbacken verlötet werden muss, um Rissbildung und Delaminationen (lebensdauerverkürzende Schädigungen wie Bondabheber, Korrosionseffekte, Glassivierungsrisse etc.) zu vermeiden.
Dieser Test wurde in den 90er Jahren vom IPC (Institute for Interconnecting and Packaging Electronic Circuits) und von JEDEC (Joint Electron Devices Engineering Council) separat definiert. 1996 wurden beide Standards zusammengefasst und sind im aktuell überarbeiteten Joint Industry Standard als IPC/JEDEC J-STD-020B („Moisture/Reflow Sensitivity Classification for Plastic Integrated Surface Mount Devices“) seit Juli 2002 für die halbleiterverarbeitende Industrie gültig. Der MST gliedert sich im wesentlichen in zwei Abschnitte:
1. Die definierte Vorbehandlung der Bauelemente („Preconditioning“)
  • Eingangsuntersuchung der Bauelemente mittels Ultraschallmikroskopie.
  • Ausbacken („Dry bake“ bei 125 °C/24 h).
  • Feuchteaufnahme bei definierter Temperatur und Feuchte (Tabelle).
  • Dreimalige Reflow-Lötsimulation für entsprechende Gehäusegrößen bei definierten Bedingungen, detailliert in diesem Standard beschrieben (für eutektische SnPb-Legierungen bei Peaktemperatur 225 bis 240 °C, 10 bis 30 s sowie für bleifreie Legierungen bei Peaktemperatur 245 bis 250 °C, 10 bis 40 s).
2. Untersuchung der Bauelemente auf Veränderungen bezüglich
  • Delaminationen und Risse mittels Ultraschallmikroskopie,
  • sowie darauf folgende beschleunigte Lebensdauer- und Zuverlässigkeitstests wie Temperaturzyklen und Feuchte/Wärme, etc. das sog. „Reliability Assessment“.
Die Einteilung der Bauelemente erfolgt in 6 bzw. 8 feuchtesensitive Klassen (Tabelle). Wichtigste Neuerung in diesem Standard: Berücksichtigung von plastikverkapselten Bauteilen für bleifrei gelötete Baugruppen, die entsprechend höhere Löttemperaturen (bis zu 250 °C) erfordern. Aufgrund einer EU-Entscheidung ist nun die Herstellung solcher Baugruppen ab dem 1. Juli 2006 beschlossen worden, und so wird dieses Thema für viele Baugruppenhersteller noch eine große Rolle spielen.
Kriterien zur Bestimmung der Feuchteempfindlichkeit
Die akustische Mikroskopie ist neben dem Röntgen ein Verfahren, das zur schnellen und zerstörungsfreien Beurteilung von IC-Gehäusen eingesetzt wird. Bei diesem Verfahren werden verborgene Gehäusedefekte wie Poren, Blasen, Einschlüsse (Fertigungsmängel) sowie Risse und Delaminationen (verursacht durch den „Popcorn-Effekt“) zuverlässig erkannt, ohne dass die zu untersuchende Probe vorher präparativ behandelt werden muss (Bild 1).
Die Detektion folgender Rissarten (in Bild 1 und 2 mit R gekennzeichnet) ist ein direktes Rückweisekriterium und führt zu einer Einteilung in die nächsthöhere feuchtesensitive Klasse:
  • externe Risse, lichtmikroskopisch bei 40facher Vergrößerung sichtbar,
  • interne Risse durch Bonddrähte und -verbindungen,
  • interne Risse zwischen Leadfingern und internen Strukturen (Chip, Diepaddle, Heatsinks, etc.),
  • interne Risse, die mehr als 2/3 von internen Strukturen bis zur Oberfläche reichen.
Bei der Detektion folgender Delaminationen (in Bild 1 und 2 mit D gekennzeichnet), die keine direkte Rückweisekriterien sind, wird zur Risikoabschätzung ein sog. „Reliability Assessment“ durchgeführt, das zwischen Lieferant und Kunde spezifiziert werden muss:
  • Delamination an der Chipoberfläche,
  • Delamination an Bondoberflächen (Tipps der Leadfinger bzw. Diepaddleoberseite bei Downbonds),
  • Delamination entlang interner Isolationen (z.B. Kaptonring über dem Leadframe),
  • Delamination/Riss in der Klebeverbindung zw. Gehäuse und Chip (Die Attach),
  • Grenzflächen an internen Strukturen (z.B. Leadfinger, Heatslugs etc.), die bis zur Bauelementoberfläche delaminiert sind.
Zeigen die durch Delaminationen geschädigten Bauelemente nach dem „Reliability Assessment“ Ausfälle, werden sie in die nächsthöhere feuchtesensitive Klasse eingestuft.
Durch diese Vorgehensweise können Probleme der Langzeitzuverlässigkeit wie z.B. Korrosion (Bild 3) oder Kontaktprobleme (Bild 4), die in diesen Fällen den Popcorneffekt als Ausgangsursache hatten, nahezu ausgeschlossen werden. Die Fertigung sollte allerdings gleich bleibende Qualität garantieren.
Funktionsweise der Ultraschallmikroskopie
Bei dieser Art der Untersuchung werden die elektronischen Bauteile in einen wassergefüllten Tank gelegt. Das deionisierte Wasser dient hierbei als Kopplungsmedium zwischen dem Transducer (Ultraschallkopf) und dem zu untersuchenden Bauelement. Dabei scannt der Transducer über das Bauelement und erzeugt Pixel für Pixel das Ultraschallbild.
Das am häufigsten angewandte Verfahren dieser Technologie ist das Impuls-Echo-Verfahren:
Das vom Transducer erzeugte akustische Signal wird an der Grenzfläche zweier unterschiedlicher Materialien zu einem charakteristischen Anteil reflektiert. So erhält man z.B. bei guter Adhäsion zwischen der Chipoberfläche (Silizium) und der Vergussmasse einen Reflexionsfaktor von ca. + 0,7, d.h. ein Reflexionssignal mit positivem Phasenbeginn.
Ist allerdings die Vergussmasse von der Chipoberfläche delaminiert („Luftspalt“), so ergibt sich bei der Materialkombination von Vergussmasse zu Luft ein Reflexionsfaktor von – 1, d.h. ein Reflexionssignal mit negativem Phasenbeginn.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Ultraschallmikroskopie im Bereich der Qualitätssicherung für die Langzeitzuverlässigkeit von feuchtesensitiven Bauteilen ein ausgesprochen effektives und zeitsparendes Analyseverfahren darstellt, das auch im Testhaus für Mikroelektronik Microtec GmbH in Stuttgart als Dienstleistung angeboten wird.
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