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Wie clean ist No-Clean wirklich?

Workshop zur ''Reinigung in der Elektronikfertigung''
Wie clean ist No-Clean wirklich?

Die professionelle Reinigung von gelöteten Baugruppen, Schablonen, Substraten und Lötrahmen ist ein häufig vernachlässigter Prozess in der Elektronikfertigung. Mit den verfügbaren Anlagentechniken sowie einem breiten Portfolio an Reinigern ist jedoch für die allermeisten Aufgabenstellungen eine praktikable Lösung verfügbar. Aufgrund der kaum überschaubaren Einflussfaktoren auf das Reinigungsergebnis treten in der Praxis die verschiedensten Fragen auf, die sich einfach im Rahmen eines praxisorientierten Workshops lösen lassen. Da sich mithilfe der Reinigung die Zuverlässigkeit elektronischer Baugruppen deutlich steigern lässt, kommt diesem Fertigungsschritt, gerade bei Qualitätsproblemen, besondere Bedeutung zu.

Factronix GmbH, Alling bei München

Wie rückstandsfrei sind meine no-clean-gelöteten Baugruppen wirklich? Kann zur Reinigung Ultraschall eingesetzt werden, und ist diese Lötstoppmaske reinigertauglich? Aber auch: Wie breit ist das Fenster des Reinigungsprozesses und wann ist der Reiniger erschöpft? Diese Fragen aus der täglichen Praxis standen im Mittelpunkt der Vorträge des Workshops „Reinigung in der Elektronikfertigung“. Gemeinsam mit dem Anlagen-Hersteller PBT Roznov veranstaltete die Firma Factronix auch in diesem Jahr im Technikum bei Zestron Europe in Ingolstadt ein Seminar mit Praxis-Workshop. Ziel der Veranstaltung war es, Grundlagen über die verschiedenen Methoden zur professionellen Schablonenreinigung, der Reinigung von Baugruppen, von Substraten oder Kondensatfallen zu vermitteln. Erfahrene Referenten der drei Unternehmen gaben darüber hinaus einen Überblick zur Auswahl geeigneter Reiniger, Verfahren und Reinigungsanlagen. Erörtert wurden auch die Testmethoden, mit deren Hilfe sich die Reinigungsergebnisse dokumentieren lassen.
Geballtes Knowhow
Für Jens Hoefer, Geschäftsführer des Veranstalters Factronix GmbH in Alling bei München, ist die professionelle Reinigung in der Elektronikfertigung einer der Prozessschritte, mit dem die Zuverlässigkeit elektronischer Baugruppen sichergestellt werden kann. „Bei der oberfläch- lichen, manuellen Reinigung von Schablonen und Fehldrucken schleichen sich erste Probleme ein, die später zu mangelhafter Qualität der Baugruppe und aufwändigem Rework führen“, erläuterte er: „Mit zunehmender Integration und immer enger bestückten Leiterplatten wird der maschinelle Reinigungsprozess zum unerlässlichen Qualitätsfaktor.“ Factronix unterstützt seine Kunden bei der Optimierung bestehender Fertigungsstrukturen und der Einführung neuer Prozesse, der Ausrüster für die Elektronikindustrie ist spezialisiert auf den gesamten Bereich des Lötens und der angrenzenden Prozesse wie Reinigen, Bestücken, Rework und Inspektion. Das Portfolio des Unternehmens umfasst neben Verbrauchsmaterial wie Lötpaste, Draht und Flussmittel insbesondere die Reinigungssysteme des Herstellers PBT Roznov sowie Reparatur-Systeme verschiedener Hersteller. Bei PBT Roznov kann der Kunde für alle Reinigungsverfahren und für jede Anwendung das passende Konzept finden. Das Unternehmen im Osten der Tschechischen Republik verfügt über 2500 m2 Produktionsfläche. PBT bietet ein komplettes Spektrum an Maschinen, Werkzeugen und Verbrauchsmaterialien. Das Technikum von Zestron als drittem Partner der Veranstaltung ist Entwicklungs- und Analysezentrumzentrum zur Evaluierung geeigneter Reinigungsprozesse. Prozessdenken statt reinem Produktverkauf gehört zu den Grundprinzipien des Unternehmens. Dr. Alexandra Rost von Zestron erläuterte: „Unser Kerngeschäft ist die Reinigung im Bereich Elektronik, Feinmechanik und Optik. Wir bieten Lösungen rund um die Elektronikproduktion.“ Dabei handelt es sich sowohl um lösemittel- als auch wasserbasierende Prozesse für jede Anwendung in der Elektronikfertigung. In seinen technischen Zentren bietet Zestron mit mehr als 35 Reinigungsanlagen verschiedener Hersteller die Möglichkeit, Reiniger und Anlagen an Baugruppen aus der Praxis zu testen. Die Prozess-Ingenieure bieten umfangreiche Unterstützung von den ersten Versuchen bis zur Inbetriebnahme des Reinigungsprozesses. Dabei werden die Substrate gemäß internationaler Standards überprüft.
Wann und weshalb reinigen?
Der Einsatz von No-Clean-Lotpasten und -Flussmitteln hat laut Dr. Alexandra Rost bei vielen Baugruppen, die ausschließlich in unkritischer atmosphärischer Umgebung betrieben werden, seine Berechtigung. In den meisten anderen Fällen ist es jedoch erforderlich zu reinigen. So machen mögliche Feuchtigkeitseinflüsse oder starke Temperaturschwankungen auf die Baugruppe eine nachfolgende Reinigung unbedingt erforderlich, um die spätere Bildung von Dendriten zu verhindern. Das Reinigen ist für Nachfolgeprozessen wie dem Bonden sowie dem Lackieren oder Vergießen ohnehin unerlässlich. Auch bei Hochfrequenz-Schaltungen sind die Grenzen der No-Clean-Fertigung schnell erreicht. Im Militär- und Luftfahrtbereich gilt deshalb generell die Vorschrift zum Reinigen. Auch bei sicherheitsrelevanten Baugruppen kann der Reinigungsprozess die Zuverlässigkeit der Baugruppe steigern.
Neben fertig bestückten und gelöteten Baugruppen fallen in der täglichen Praxis vor allem Lötrahmen und Siebdruckschablonen an. Alle Produkte könnten grundsätzlich in den selben Anlagen gereinigt werden, würden sie nicht ganz andere Anforderungen an den Reinigungsprozess stellen. Schablonen sollten deshalb in getrennten Anlagen gereinigt werden. Die zugrunde liegenden Mechanismen des Reinigungsprozesses sind neben dem Lösen der Schmutzpartikel und der Spülung bzw. dem Entfernen des Reinigers mit der Verschmutzung auch die Trocknung der sauberen Baugruppe. Verbleibende Rückstände können laut Dr. Alexandra Rost das Reinigungsergebnis zunichte machen und die Zuverlässigkeit beeinträchtigen.
Eine Verschärfung der Anforderungen ist mit dem Einsatz bleifreier Lote eingetreten. Mehr und aggressivere Aktivatoren steigern die Korrosionsgefahr bei Anschlusskontakten und verursachen schlimmstenfalls Kriechströme. Der höhere Kolophoniumanteil führt zur Rissbildung beim Conformal Coating und zur Beeinträchtigung der Testbarkeit. Gerade silberhaltige Lotpasten neigen zur Bildung temporärer Dendriten, eine höhere Löttemperatur verursacht mehr Rückstände durch Ausgasen und das Flussmittel wird stärker eingebrannt. Mit dem Einsatz der Bleifrei-Technik ist somit auch der Bedarf an Reinigungsanwendungen gewachsen.
Reproduzierbarer Prozess
Von einer einfachen, manuellen Reinigung der Schablonen und Baugruppen aus Kostengründen ist nach Auskunft der Referenten abzuraten. Nachteilig dabei ist, dass so keine reproduzierbaren Ergebnisse und kein spezifizierter Prozess möglich sind. Gerade bei Schablonen können verbleibende Verunreinigungen in den Aperturen beim erneuten Einsatz Fehler verursachen. Auch das Risiko einer Beschädigung der Schablone muss in Betracht gezogen werden. Die maschinelle Reinigung erzeugt zwar zusätzliche Kosten für die Reinigungsanlage, es überwiegen jedoch die Vorteile. Nur mittels eines spezifizierten Prozesses sind auch reproduzierbare Ergebnisse möglich, was letztendlich zu einer höheren Schablonenlebensdauer und einer geringen Fehlerrate beim Schablonendruck und damit auch im Gesamtprozess führt. Das bestätigte auch Jens Hoefer, der in der maschinellen Reinigung keinen Kostentreiber sieht, sondern vielmehr eine Chance erkennt, durch Einsparung von Personalaufwand und Reinigungsmittel wiederum die Kosten zu senken.
Als Gründe für die maschinelle Reinigung von Baugruppen zählten die Referenten nicht nur optische Aspekte auf. Dazu kommt, dass Geräte, die mit Kondenswasser in Berührung kommen, frei von ionischer Verunreinigung sein müssen. Auch Baugruppen, die lackiert werden sollen, müssen zuvor gereinigt werden. Beim Draht-Bonden müssen die Kontaktflächen frei von jeglichen organischen Rückständen sein. Vor dem Hintergrund, dass 80 % aller Lötfehler bereits durch fehlerhaftes Drucken verursacht werden, ist das Reinigen der Schablonen ein absolutes Muss. Im Bezug auf die Prozesssicherheit ermöglicht die maschinelle Reinigung die exakte Einhaltung der vorgeschriebenen Reinigungsparameter. Sie ist bedienerunabhängig, reproduzier- und auch dokumentierbar. In einer optimalen Anlage für das Reinigen von Baugruppen sollte eine Bad-Temperatur von 60 °C möglich sein. Badvolumen und Ultraschalleistung sollten genau aufeinander abgestimmt sein. Wer auf Ultraschall gänzlich verzichten möchte, wählt die Option des Hochdrucksprühens. Unverzichtbar ist die Feinspülung mit vollentsalztem Wasser. Idealerweise sollte die Heißlufttrocknung bis 110°C programmierbar sein.
Die effizienteste Reinigungsmethode
Laut Vladimir Sitko von PBT beeinflusst die richtige Wahl der Reinigungsanlage letztendlich in erheblichem Maße auch die Wirtschaftlichkeit der Produktion. Entscheidend ist die geeignete Reinigungsmethode: Ultraschall eignet sich beispielsweise besonders bei hartnäckigen Rückständen und schwer zugänglichen Bereichen unter Bauelementen. Dabei sorgen die Druckwellen der kollabierenden Kavitatäten in der Flüssigkeit für die mechanische Reinigungswirkung des Ultraschalls. Je höher die Frequenz, desto kleiner die Hohlräume, mit denen der Ultraschall agiert. Sofern dabei eine exakte Abstimmung von Frequenz, Ausgangsleistung und Behandlungsdauer erfolgt, lassen sich Schäden an Bauelementen ausschließen. Zu beachten ist jedoch eine möglichst homogene Verteilung des Ultraschallfeldes innerhalb des Bades. Die Ultraschallbeständigkeit von Baugruppen ist in den Normen IPC M 108 und J-STD 001D geregelt, wonach Ultraschall für die Baugruppenreinigung erlaubt ist. Als relevante Test-Methode gilt die IPC TM 650 2.6.9.1., die eine 10-fach längere Testbehandlung als im geplanten Reinigungsprozess zur Evaluierung einer möglichen Schädigung vorsieht. Das Spritzreinigen eignet sich eher für weiche Rückstände, tiefe Löcher (z.B. Pump-Print-Schablonen) oder dann, wenn eine Ultraschallreinigung nicht möglich ist.
Geeignete Reiniger
Die Basis der aktuellen Reiniger für die Elektronik-Fertigung bilden laut Dr. Alexandra Rost moderne Lösemittel, wässrig-alkalische Formulierungen in den Tensidreinigern oder wasserbasierende Micro-Phase-Cleaning-Reiniger, deren Verbrauch und Entsorgung genau zu prüfen sind, da sie je nach gewählter Anlage einen nicht zu unterschätzenden Kostenfaktor darstellen können. Das gilt auch für die mögliche Wiederaufbereitung von Reiniger und Spülwasser, die idealerweise innerhalb der Anlage in einem geschlossenen Kreislauf erfolgen sollte. Darüber hinaus spielen Umweltschutz und Arbeitssicherheit eine wichtige Rolle, wobei neben internationalen Richtlinien auch regionale Vorschriften zu beachten sind.
Der nächste Workshop zum Thema „Reinigung in der Elektronikfertigung“ findet voraussichtlich im Oktober 2011 statt.. Wer daran teilnehmen möchte, kann sich schon jetzt in die Einladungsliste der Firma Factronix eintragen und so rechtzeitig informieren lassen.
SMT/Hybrid/Packaging
Stand 7-517
Stand 7-517
Stand 7-314
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Doris Jetter, Redaktion EPP und Sophie Siegmund Redaktion EPP Europe sprechen einmal monatlich mit namhaften Persönlichkeiten der Elektronikfertigung über aktuelle und spannende Themen, die die Branche umtreiben.

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