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Zwei auf einen Streich

Schablonen und Fehldrucke in einem Prozess reinigen
Zwei auf einen Streich

Einer der weltweit führenden Automobilhersteller hat zum Ermitteln des optimalen Reinigungsprozesses für Schablonen für den SMT-Kleber- und Lotpastenauftrag eine ausführliche Versuchsreihe durchgeführt. Der zu ermittelnde Prozess sollte außerdem geeignet sein, um gleichzeitig fehlbedruckte, einseitig bestückte und gelötete Leiterplatten zu reinigen und erneut zu bedrucken. Dieser Bericht fasst diese Versuche des Anwenders zusammen. Der ausgewählte Prozess ist seit über einem Jahr im Großserienseinsatz.

Zestron/Dr. O.K. Wack, Ingolstadt

Der Qualitäts- und Kostendruck nimmt in der Automobilbranche existenzgefährdende Ausmaße an. Laut Kraftfahrtbundesamt wurden im vergangenen Jahr 113 sicherheitsrelevante Fahrzeug-Rückrufaktionen registriert. Erst kürzlich musste ein japanischer Automobilhersteller die Halter von 160.000 PKWs und Motorrädern darüber informieren, dass die Zündanlagen Feuer fangen können. Als Ursache für die nicht enden wollenden Vorfälle werden neben den stetig schrumpfenden Projektlauf- und Fertigungszeiten der steigende Einsatz von Elektronik in Kraftfahrzeugen genannt.
Es ist keine Neuigkeit, dass mehr als 60% der Fertigungsfehler bei elektronischen Baugruppen bereits im Druckprozess ihre Ursache haben. Der anhaltende Trend, bei gleichbleibender Druckqualität die Bauteildichte zu erhöhen, erfordert neben hoher Präzision der Schablonen auch ein hohes Maß an Sauberkeit der Schablonenoberfläche und -aperturen (Bild 1), denn durch Lotpaste oder SMT-Kleber verstopfte Aperturen (Bild 2) verhindern beim Druckprozess das Auftragen ausreichender Pasten-Depots auf die Leiterplatte. Für eine garantiert gleichbleibende Produktionsqualität müssen diese folglich vollkommen von jeglichen Rückständen befreit werden. Druckfehler (Bild 3) können dadurch zwar nicht völlig vermieden, aber durch einen geeigneten Schablonenreinigungsprozess drastisch reduziert werden. Das manuelle Reinigen ist jedoch meist unzureichend und liefert keinesfalls reproduzierbare und ver-lässliche Ergebnisse.
Fehldrucke auf bereits einseitig bestückten Baugruppen müssen gereinigt und dem erneuten Bedrucken zugeführt werden. Ein Wegwerfen kommt wegen des hohen Werts dieser Substrate meist nicht in Frage. Bei der Reinigung von fehlbedruckten Leiterplatten muss dem Flussmittelentfernen auf der bereits gelöteten Seite besondere Beachtung geschenkt werden. Flussmittel verursachen bei ungenügender Reinigung häufig sogenannte „weiße Rückstände“, die im Feld unter entsprechenden klimatischen Bedingungen zu Ausfällen führen können.
Im Zweischichtbetrieb des amerikanischen Werks dieses Automobilherstellers werden durchschnittlich 10.000.000 Einheiten pro Jahr für den Automobilbereich hergestellt. Zu diesem Bereich zählen unter anderem Motoren, Gehäuse, Getriebe oder Allraddifferentiale. Die bestehende Prozesslinie zum Fertigen von elektronischen Baugruppen sollte um den SMT-Kleberdruck mit Hilfe von Schablonen erweitert werden. Dazu sollte ein möglichst universell einsetzbarer Reinigungsprozess gefunden werden, der zusätzlich zur Schablonenreinigung für die Wiederaufbereitung von fehlbedruckten, einseitig bestückten und gelöteten Leiterplatten (Bild 4) verwendbar ist.
Die Prozessanforderungen
Bei der Spezifikation des Reinigungsprozesses spielten eine Vielzahl von Prozessparametern eine wichtige Rolle. Idealerweise beginnt man beim Reinigungsmedium, da dieses hinsichtlich der chemischen Beschaffenheit zu der zu entfernenden Verunreinigung passen muss – vergleichbar mit einem Schlüssel, der nur in ein Schloss passt. Nach der Auswahl des optimalen „chemischen Schlüssels“ wird der dafür notwendige Prozess ermittelt. Der eingesetzte SMT-Kleber war zu diesem Zeitpunkt vom Automobilhersteller noch nicht definiert, es standen drei Kleber zur Auswahl. Die Entscheidung für einen der Kleber sollte auf Basis der Reinigungstests getroffen werden. Somit wurden vom Automobilhersteller folgende Grundanforderungen an den Gesamtreinigungsprozess festgehalten:
• Das rückstandsfreie Entfernen der spezifizierten Lotpaste sowie das Entfernen von drei unterschiedlichen SMT-Kleber von Fine-Pitch-Stahlschablonen ebenso wie das rückstandsfreie Reinigen von fehlbedruckten, bereits einseitig gelöteten Leiterplatten von Lotpaste und Flussmittelrückständen müssen gewährleistet sein.
• Es dürfen keine Flussmittelrückstände auf der bereits gelöteten Leiterplattenseite verbleiben. Es darf sich nach dem Reinigen nur eine minimale ionische Restkontamination ergeben. Die Lötstellen dürfen nicht matt oder grau erscheinen.
• Sowohl in den Aperturen der Schablone als auch in den Vias der Leiterplatten dürfen keine Lotkugeln oder Kleberrückstände zurück bleiben (Bild 5).
• Der komplette Reinigungszyklus darf inklusive Reinigen, Spülen und Trocknen maximal 30 Minuten dauern.
• Die folgenden Auswahlkriterien wurden an das Reinigungsmedium gestellt: wasserbasierender Reiniger – kein Risiko bezüglich einer Entflammbarkeit; sehr hohe Badbeladungskapazität und geringer Mediumverbrauch für eine lange Badstandzeit; materialverträglich gegenüber der Reinigungsanlage (Ventile, Pumpen, Filter, Dichtung) und den Substraten (Lötstopplacke, Bauelemente, Etiketten); Schablonenbeständigkeit mindestens 60 Reinigungszyklen; minimale Toxizität und wenig Geruch, um eine maximale Arbeitssicherheit zu gewährleisten und unabhängig von der genutzten Anlagentechnik kei-nerlei Schaumentwicklung.
Bei der Auswahl der Reinigungsanlage wurden folgende Anforderungen festgelegt:
• ein Spülen mit Wasser nach der Reinigung muss möglich sein,
• Beheizen des Reinigungsmediums, um ein möglichst hohe Prozessreserve zu erhalten,
• ein ausreichender Sprühdruck für optimales „mechanisches“ Entfernen der Lotkugeln aus Vias und Sackbohrungen,
• eine effektive Heißlufttrocknung, um minimale Zykluszeiten zu erreichen und
• die Arbeits- und Umweltsicherheit muss gewährleistet sein.
Um sämtliche Anforderungen auf Erfüllung zu überprüfen, wurden ausführliche Reinigungsversuche im Technischen Zentrum von Zestron in Ashburn durchgeführt. Im Vorfeld wurde Vigon-SC202 als das am besten geeignete Produkt ermittelt. Der wasserbasierende MPC-Reiniger (Micro Phase Cleaning) besitzt keinen Flammpunkt und ist neben der Schablonenreinigung für die Entfernung von Flussmittelrückständen auf bereits gelöteten Baugruppen zweckmäßig. Weiterhin enthält er keine Salze oder Tenside und garantiert damit Rückstandsfreiheit.
Schablonenverträglichkeit
Der Reinigungsprozess darf keine Spannungsverluste bei den Geweben verursachen, diese würden beim Drucken Probleme hervorrufen. Um die Verträglichkeit von Vigon-SC202 mit den Schablonen sicherzustellen, wurden zwei Tests durchgeführt. Als erstes wurden in einem Schnelltest die generelle Materialverträglichkeit der Stahlschablone (Kleber A, C und Lotpaste) und die der Kunststoffschablone (Kleber B) gegenüber dem Reinigungsmedium getestet. Nach bereits fünf Reinigungszyklen konnte diese Verträglichkeit sowohl bei der Stahl- als auch bei den Kunststoffschablonen bestätigt werden. Im Anschluss wurde die Dauerbeständigkeit einer Schablone mittels Langzeitversuchen simuliert. Dazu wurde jede Schablone 60 Reinigungszyklen (15 Minuten pro Zyklus bei 25 °C) in einer Sprühreinigungsanlage unterzogen. Zur Überprüfung wurde die Gewebespannung der Schablonen gemessen. Die Gewebespannung der Stahlschablone bewegte sich nach der Prozedur zwischen 18 bis 20 N/cm, bei der Kunststoffschablone zwischen 17 bis 21 N/cm. Es gab also keinen technisch relevanten Unterschied zwischen der Gewebespannung vor und nach der Reinigung. Tabelle 1 zeigt die Untersuchungsergebnisse der Langzeitversuche mit der Stahlschablone. Die Spannung wurde auf der Schablone an vier unterschiedlichen Messpunkten abgenommen. Eine technisch relevante Beeinträchtigung war nach den Tests nicht erkennbar.
Reinigung fehlbedruckter Leiterplatten
Als erstes wurde das manuelle Reinigen simuliert, indem man Testboards mit SMT-Kleber bedruckte. Danach versuchte man, mit einem mit verschiedenen Reinigern getränktem Tuch, diesen zu entfernen. Bei keinem der drei SMT-Kleber war ein zufriedenstellendes Ergebnis festzustellen. Die Kleberrückstände waren aus den Vias und Sackbohrungen nicht von Hand entfernbar. Das manuelle Reinigen von Kleberrückständen wurde deshalb als Prozessvariante nicht weiter in Betracht gezogen. In einer Reinigungsanlage mit entsprechender Leiterplattenhalterung konnte unter Verwendung von Vigon-SC202 ein effektives, reproduzierbares Reinigungsergebnis erreicht werden.
Um die Wiederverwendbarkeit von fehlbedruckten Leiterplatten nach dem Reinigen zu testen, wurde die Benetzungsfähigkeit überprüft. Dafür wurden Standard-HASL-Testsubstrate verwendet. Eine Aussage über die Benetzungsfähigkeit lieferte eine quantitative Messung, wie schnell das Lot die zu lötende Stelle benetzt. Bei einem unzureichenden Reinigungsprozess könnten beispielsweise Kleberrückstände einen Anstieg der Benetzungszeit bewirken. Die Testsubstrate wurden in drei Gruppen unterteilt. Jede dieser Gruppen ist mit dem Kleberfehldruck des entsprechenden Klebers versehen worden. Die Kleberreinigung wurde mit dem gleichen Reiniger, diesmal in einer Sprühanlage, durchgeführt. Ein unabhängiges Testlabor führte die Messungen durch. Zusammen mit den Testsubstraten wurde auch eine Kontrollgruppe (Control) mit sauberen Substraten überprüft. Dabei waren zwischen den gereinigten Testsubstraten und den Kontrollsubstraten keine Unterschiede zu erkennen. Basierend auf diesem Ergebnis ist nach der Reinigung durch die Anwendung des Reinigers kein Verschlechtern der Lötbarkeit zu erwarten.
Für die weiteren Versuche stellte der Prozessanwender Testboards zur Verfügung. Wie zuvor wurden diese mit Lotpaste bedruckt, gelötet und unter identischen Prozessbedingungen beim Entfernen des Klebers gereinigt. Alle Baugruppen wurden nach der Reinigung unter 60-facher Vergrößerung hinsichtlich der Flussmittelrückstände sowie einer möglichen Beschädigung von aufgebrachten Etiketten untersucht. Visuell waren alle Substrate frei von Flussmittelrückständen. Auch die Materialverträglichkeit der Labels konnte durch die noch funktionierenden Strichcodes getestet und bewiesen werden. Als nächstes wurde eine ionische Kontaminationsmessung an allen gereinigten Boards durchgeführt, um den Grad der Restverschmutzung quantifizieren zu können. Weil keinerlei Restverschmutzung vorhanden war, befanden sich alle gemessen Proben deutlich unterhalb der nach ANSI/J-STD-001 festgelegten Grenze von weniger als 1,56 µg/cm2 NaCl-Äquivalent.
Prozessauswertung
In Tabelle 2 sind die Ergebnisse zusammengefasst, die mit den Reinigern der neuesten MPC-Technologie erzielt worden sind. In Tabelle 3 sind die einzelnen Prozessparameter der jeweiligen Versuchsreihen hervorgehoben. Auf Basis der vorgenannten Versuche, die im Technischen Zentrum von Zestron durchgeführt wurden, hat sich Vigon-SC202 als geeigneter Reiniger für die Kombination der genannten Anforderungen gezeigt.
Durchschnittlich wurden etwa 15 Schablonen pro Tag gereinigt. Da der Reinigungsprozess selbst nach einer Versuchszeit von sechs Monaten noch gleichbleibende Reinigungsergebnisse liefert, musste noch kein Badwechsel durchgeführt werden. Durch die vorgegebenen Anforderungen seitens des Prozessverantwortlichen entschied man sich für eine Einkammer-Spritzanlage mit getrenntem Reinigungs- und Spültank. Die Anlage ist für den Betrieb mit wasserbasierenden Reinigungsmedien konzipiert. Sie kann sowohl bei Raum-, als auch mit erhöhter Temperatur des Mediums betrieben werden. Der Reiniger befindet sich während des Bestückens und Entnahme der zu reinigenden Baugruppen in einem separaten Tank. Dadurch wird die maximale Arbeitssicherheit ebenso wie ein geringer Medienverbrauch gewährleitstet. Für die offene Kreislaufspülung wird deionisiertes Wasser eingesetzt. Mit Hilfe eines 20-µm-Filters wird das Medium gefiltert und kann so ohne Verarmung von Wirkstoffen im Kreislauf gefahren werden. Die Reinigungssubstrate (Schablonen, fehlbedruckte Leiterplatten) werden mit dem Reiniger bei 25 °C sieben Minuten gereinigt. Anschließend wird mit deionisertem Wasser bei 50 °C für ebenfalls sieben Minuten gespült. Abschließend wird zehn Minuten mit Warmluft bei etwa 40 °C getrocknet.
In umfassenden Versuchen konnte durch die enge Zusammenarbeit zwischen Medienlieferant, Anlagenhersteller und Anwender ein Reinigungsprozess entwickelt werden, der sowohl für die Schablonenreinigung als auch für das Reinigen von fehlbedruckten Baugruppen geeignet ist und seine Eignung im Großserienbetrieb bewiesen hat. Von großer Bedeutung für den Anwender war dabei die enge und umfangreiche Unterstützung des Medienlieferanten während des Evaluationsprozesses, da dieser neben der Prozesstechnik auch die notwendigen Untersuchungsmethoden vor Ort bereitstellen konnte.
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