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Zukunft der digitalen 3D-Druck-Plattform

Ersatzteile schnell am richtigen Ort und in der richtigen Menge
Zukunft der digitalen 3D-Druck-Plattform

Zukunft der digitalen 3D-Druck-Plattform
Dr. Max Siebert: „Die Teile können überall und zu jeder Zeit produziert werden, auch an abgelegenen Standorten, was den CO2-Ausstoß in der Logistik reduziert und die Flexibilität der Lieferkette verbessert“ Bild: Replique
Der Einsatz von 3D-Drucktechnologie zur schnellen Verfügbarkeit von Ersatzteilen – auf Abruf am richtigen Ort und in genau der richtigen Menge, wird jetzt dank des deutschen Unternehmens Replique Realität. Im Gespräch mit Dr. Max Siebert, CEO und Mitbegründer, gab es einen Einblick in die Bedeutung des Modells von Replique für OEMs und ihre Kunden.

EPP: Können Sie zunächst einen kurzen Überblick darüber geben, wer Replique ist und was Ihr Unternehmen tut?

Dr. Max Siebert: Replique ist Teil des internen Inkubatorprogramms der BASF, der Chemovator GmbH, und hat die erste vollständig verschlüsselte digitale Lagerplattform für 3D-Druck und Additive Manufacturing (AM) entwickelt. Diese bietet Erstausrüstern (OEM) eine sichere und nachhaltige Möglichkeit, ihren Kunden jederzeit und überall Ersatzteile auf Abruf bereitzustellen. Hierfür kombinieren wir unser digitales Warenlager mit einem globalen, dezentralen 3D-Druck-Netzwerk von AM-Experten, um OEMs eine End-to-End-Lösung vom Design über die Herstellung bis zum Versand der Teile zu bieten.

EPP: Welche spezifischen Herausforderungen lösen Sie für OEMs?

Dr. Max Siebert: Zunächst müssen OEMs kritische Ersatzteile mit unsicherer Nachfrage bereitstellen oder Ersatzteile für alternde Anlagen unterstützen. Wenn der Bedarf da ist, stellen sie dann immer wieder fest, dass der Lieferant oder das Werkzeug nicht mehr verfügbar ist. OEMs, die mit uns zusammenarbeiten, müssen lediglich das Design in unserem digitalen Bestand speichern. Sobald der Bedarfsfall eintritt, drucken wir das Ersatzteil lokal und auf Abruf.

Ob zu Beginn der Produktphase oder während der gesamten Lebensdauer, die Produktion von kleinen und mittleren Serien ist mit hohen Kosten und Risiken verbunden. Mit AM ermöglichen wir es OEMs, Teile ab einer Losgröße von nur einem Stück kosteneffizient zu produzieren, mit nahezu null Fixkosten, da keine Werkzeuge oder Mindestbestellmengen erforderlich sind. Auch können Erstausrüster durch unser Angebot Kosten für Lagerhaltung und Transport senken, Umweltbelastung begrenzen und Ausfallsicherheit verbessern.

EPP: Gut, dass Sie diesen letzten Punkt erwähnen. Jetzt, da der Fokus auf Lieferketten zunimmt: Können Sie uns mehr darüber sagen, wie Sie die Kosten in der Lieferkette senken und die Widerstandsfähigkeit verbessern?

Dr. Max Siebert: Die Tatsache, dass Ersatzteile digital und nicht in einem physischen Lager untergebracht sind, eliminiert sowohl Lager- als auch Transportkosten. Die physische Lagerung von Teilen kann zudem Entsorgungskosten verursachen, wenn Teile veraltet sind, was wiederum ein Umweltproblem darstellt. Bei unserem Modell wird ein bestelltes Teil automatisch an den am besten geeigneten Produktionspartner in unserem AM-Netzwerk weitergeleitet. Die Teile können überall und zu jeder Zeit produziert werden, auch an abgelegenen Standorten, was den CO2-Ausstoß in der Logistik reduziert und die Flexibilität der Lieferkette verbessert.
Letzten Endes können Lieferketten aus einer Vielzahl von Gründen unterbrochen werden, sei es durch globale Pandemien, grenzüberschreitende Handelsprobleme oder durch Schiffe, die im Suezkanal festsitzen. In jedem Fall werden Waren und Teile daran gehindert, rechtzeitig an ihren Bestimmungsort zu gelangen, was zu schlaflosen Nächten beim OEM führen kann. Unsere Lösung überwindet solche Probleme, indem sie die Möglichkeit bietet, das zu drucken, was der Kunde braucht, wann immer es gebraucht wird, wo immer es gebraucht wird und in genau der benötigten Menge.

EPP: Könnten OEMs sich nicht einfach selbst mit der Technologie ausstatten und Ihr Geschäftsmodell umsetzen?

Dr. Max Siebert: In der Realität ist das nicht so einfach. Der 3D-Druck von Ersatzteilen birgt oft Tücken, selbst für diejenigen, die über Fachwissen in deren Fertigung verfügen. Deshalb wenden sich viele Unternehmen – darunter globale Automobilhersteller und Flugzeugbauer – an Experten und Servicebüros, die sie in diesem Bereich beraten und unterstützen.
Wir arbeiten eng mit unseren Kunden zusammen, um die Ersatzteilbestände sorgfältig zu analysieren, einschließlich technischer und wirtschaftlicher Faktoren wie Material, Höhe, Bedarfshäufigkeit und Lieferantenabhängigkeit. Es kann sein, dass nicht jedes Teil für den 3D-Druck geeignet ist. Wir können 2D-Zeichnungen in 3D umwandeln oder anhand von Teilen entwickeln, wenn keine Zeichnungen mehr vorhanden sind. Darüber hinaus unterstützen wir die OEMs bei der Auswahl der richtigen Technologie und des richtigen Materials für ihre Ersatzteile, je nach Anforderung (z. B. Steifigkeit, Härte, UV-Beständigkeit).

EPP: Für welche Branchen ist Ihr OEM-Angebot geeignet und können Sie über ein Kundenbeispiel beschreiben?

Dr. Max Siebert: Zurzeit arbeiten wir mit Kunden aus verschiedenen Sektoren zusammen, darunter Konsumgüter, Automobil/Transport, Landwirtschaft und Bauwesen sowie Schwermaschinen. Der deutsche Haushaltsgerätehersteller Miele ist ein gutes Beispiel für einen Kunden aus der Konsumgüterbranche. Das Unternehmen nutzt unsere Plattform, um seinen Kunden schnell und kosteneffizient neues Zubehör zur Verfügung zu stellen. Die vollständige Integration unserer Plattform in den Online-Shop ermöglichte die Umstellung auf dezentrale Fertigung. Ein anderer Kunde, die H. Gautzsch Firmengruppe, nutzt unsere Plattform im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie, um Kunden mit Ersatzteilen zu versorgen und so den Lebenszyklus von Produkten zu verlängern. Hier spielt unser digitales Inventar eine entscheidende Rolle. Andernorts eignet sich der 3D-Druck für Branchen mit langlebigen Maschinen, in denen die herkömmliche Massenproduktion aufgrund der geringen benötigten Stückzahlen schwierig ist. Dies gilt für Schwermaschinen, aber auch für Sektoren wie Transport, Landwirtschaft, Bauwesen, Bergbau sowie Öl und Gas. Die Unternehmen in diesen Sektoren wollen die Verfügbarkeit von Ersatzteilen verbessern und gleichzeitig die Kosten optimieren. Die Kosten für Ersatzteile können beispielsweise nach der Serienproduktion um das bis zu 20-fache steigen.

EPP: Welchen Bedenken begegnen Sie im Markt, beispielsweise in Bezug auf die Sicherheit ihrer geistigen Daten? Wie gewährleistet Replique einen diebstahlsicheren Prozess?

Dr. Max Siebert: Sicherheit und Qualitätssicherung sind zwei Themen, die von Anfang an ganz oben auf unserer Liste standen. In beiden Bereichen muss das geistige Eigentum in den richtigen Händen bleiben, weshalb alle Datensätze auf unserer Plattform stark verschlüsselt sind. Durch unsere Verschlüsselung fixieren wir nicht nur die Bestellmenge, sondern auch die zuvor festgelegten optimalen Materialien, Technologien und Druckparameter für den Druck. Dadurch können wir wiederholbare Druckqualität über die Jahre hinweg sicherstellen. Darüber hinaus schließen wir mit unseren Fertigungspartnern Geheimhaltungsvereinbarungen ab, um sicherzustellen, dass die Entwürfe der OEMs sicher und vertraulich sind. Was die Qualitätssicherung angeht, so wählen wir unsere Produktionspartner sorgfältig aus. Dabei analysieren und prüfen wir deren Fähigkeiten, wiederholbare, nutzbare Teile herstellen zu können.

EPP: Da der 3D-Druck so grundlegend für Ihr Angebot ist, was glauben Sie, wohin sich die Technologie entwickeln wird? Hat sie die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt, oder gibt es Bereiche, in denen sie noch nicht ausgereift ist? Wenn ja, welche sind das?

Dr. Max Siebert: Replique liefert 3D-Druck-Erfahrung, eine digitale Speicherplattform für die Daten und ein Netzwerk an Druckspezialisten. Der 3D-Druck bietet viele interessante Möglichkeiten und entwickelt sich ständig weiter. Die Kosten für den 3D-Druck sinken aus mehreren Gründen. Die Maschinen werden schneller und moderne Maschinen können mehr Teile gleichzeitig herstellen, beispielsweise durch den Einsatz von zwei Extrusionsköpfen anstelle von einem oder von zwölf Lasern anstelle von vier. Das verkürzt die Druckzeit unglaublich. Darüber hinaus ist jetzt ein stützenfreier Druck möglich, der die Nachbearbeitungszeit und den Materialverbrauch reduziert. Schließlich gibt es neue und effizientere Technologien wie das Drahtbogenverfahren, bei dem Metalldraht mit einem Lichtbogen als Wärmequelle geschmolzen wird, oder den Multi-Filament-Splicer Palette 3, der mehrere Materialien gleichzeitig zum Einsatz bringen kann. Diese Technologien ermöglichen nicht nur billigere Rohmaterialien, sondern sind in der Regel auch schneller. Um jedoch den 3D-Druck in neuen Anwendungen einsetzen zu können und die gleichen Möglichkeiten wie bei der traditionellen Fertigung zu erreichen, muss sich die Palette der Materialien erweitern. Auch wenn AM nicht für jedes Teil in jeder Branche geeignet ist, glauben wir angesichts der aktuellen Trends, dass es ein wichtiger Wegbereiter für digitale Lieferketten und eine Ergänzung zu traditionellen Fertigungstechnologien sein wird.

EPP: Als Unternehmen befinden Sie sich noch in der Anfangsphase. Was sind Ihre Wachstums- und Entwicklungsziele?

Dr. Max Siebert: Wir arbeiten mit OEMs zusammen, die auf ihrem Weg zum 3D-Druck schon weit fortgeschritten sind. Aber wir wollen auch Unternehmen, die neu in diesem Bereich sind, die Möglichkeit geben, AM zu nutzen und das Geschäft weltweit auszubauen. Als digitale Plattform erwarten wir ein starkes exponentielles Wachstum, zum einen, weil unsere derzeitigen Kunden unsere Dienstleistungen auf ein breiteres Teilespektrum ausdehnen können, und zum anderen, weil neue Unternehmen beginnen werden, unsere Lösung zu nutzen.

Wir wissen, dass derzeit etwa sechs Prozent aller Ersatzteile 3D-druckbar sind. Unser Ziel ist es, den größten Anteil davon zu liefern. Wenn Unternehmen auf unser digitales Inventar und den On-Demand-3D-Druck umsteigen, kann eine Kostenverbesserung erzielt, und die Nachhaltigkeit erheblich gesteigert werden. Um dies zu erreichen und damit AM sein wahres Potenzial ausschöpfen kann, müssen die derzeitigen Lieferketten jedoch überdacht werden. Gegenwärtig ist der 3D-Druck in gewisser Weise noch auf „Konstruktionen von gestern“ beschränkt. Künftig werden Teile für den 3D-Druck konstruiert, wodurch Kosten gesenkt und Topologie sowie Gewicht eines Teils optimiert werden. Die 3D-Druckindustrie muss diese Vorteile dem Rest der Welt erst noch vor Augen führen, der die Technologie zum großen Teil noch nicht als praktikable Lösung für seine Design- und Fertigungsanforderungen in Betracht gezogen hat.

www.replique.io

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