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Die Elektronikfertigung auf dem Weg in die smarte Fabrik – Teil 1

Wo lauern Stolpersteine, was sind die Chancen?
Die Elektronikfertigung auf dem Weg in die smarte Fabrik – Teil 1

Die Elektronikfertigung auf dem Weg in die smarte Fabrik – Teil 1
V.l.n.r.: Moderator Markus Strehlitz, Stephan Baur, BMK Group, Dipl.-Ing. Petra Foith-Förster, Fraunhofer IPA, Florian Ritter, Asys Group, Dr.-Ing. Friedrich W. Nolting, Aegis Software. Foto: Doris Jetter
Der Roundtable während des Highlight-Tages zum Themengebiet „Industrie 4.0 – Smart Factory“ diskutierte Wege zur hoch produktiven, wertstromorientierten sowie transparenten Fabrik der Zukunft. Welche Bedeutung hat Industrie 4.0 speziell für die Elektronikfertigung und gibt es bereits einen konkreten Nutzen? Ist die steigende Variantenvielfalt auf diese Weise beherrschbar?

Diese und weitere Fragen rund um das Thema wurden unter der Moderation von Markus Strehlitz, im Auftrag des Fachmagazins EPP, mit Dipl.-Ing. Petra Foith-Förster, Leiterin Applikationszentrum Industrie 4.0, Projektleiterin Fertigungssystemplanung Abteilung Fabrikplanung und Produktionsmanagement im Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, Stephan Baur, Gesellschafter und Geschäftsführer der BMK Group, Dr.-Ing. Friedrich W. Nolting, geschäftsführender Gesellschafter von Aegis Software und Florian Ritter, Manager Business and Product Portfolio Development bei der Asys Group, diskutiert.

Markus Strehlitz: Willkommen zum „Roundtable Industrie 4.0 – Stolpersteine und Chancen“ auf der „productronica“. Industrie 4.0 oder Smart Factory, Smart Manufacturing, Industrial Internet of Things, das Kind hat viele Namen. Allen gemein ist, dass es um eine stärkere Vernetzung der Produktion geht. Big Data! Daten sind zum einen vermehrt verfügbar, werden jetzt stärker genutzt und analysiert. Das sind so die Säulen, auf denen Industrie 4.0 steht. Welche Bedeutung hat Industrie 4.0 speziell jetzt für die Elektronikindustrie?

Stephan Baur: Heute startet so eine Firma wie BMK am Tag im Schnitt vier bis fünf neue Produkte ohne dass dies irgendjemand Schweiß auf die Stirn bringt. Das heißt, da ist eine ganze Menge passiert. Man weiß, wenn man Baugruppen produzieren will, muss man eine ganze Menge Daten aufbereiten wie die Engineering-Daten, Daten im ERP-System, die Programme für die Bestückmaschinen, die Lötmaschinen, die Testsysteme etc. Also man muss jede Menge Programme erzeugen und darf an keiner Stelle einen Fehler machen. Das heißt, da muss ungemein viel automatisch verarbeitet werden. Wenn wir also ein Stück weit nicht digital arbeiten würden, könnten wir diese Aufgabenflut überhaupt nicht ohne Fehler bearbeiten. Da sieht man, wie wichtig eigentlich diese Digitalisierung ist und der Trend kam irgendwo schleichend.

Florian Ritter: Als Maschinenbauer ist es natürlich unser Ziel, die Maschinen, die ganze Produktion an sich, den Workflow effizienter zu gestalten – und natürlich flexibler. Das heißt, ich brauche nicht mehr diese starre Verkettung der einzelnen Anlagen, sondern ich kann auch Linien trennen und dann wieder z. B. mit Robotern und führerlosen Transportsystemen verbinden, sodass ich einfach eine Prozessstelle flexibel raus lassen und auch wieder hinzufügen kann.

Friedrich W. Nolting: Wir haben vor etwa 25, 30 Jahren begonnen, Softwareprodukte für die Elektronikfertigung zu entwickeln. Das bedeutet, dass es damals bereits eine Notwendigkeit und auch ein Einsehen gab, dass man ohne eine Digitalisierung, die damals natürlich weder unter dem Obergriff „Industrie 4.0“ noch unter irgendeinem Big Data-Aspekt eingeführt wurde, arbeiten konnte. Aber es gab bereits die Notwendigkeit, Arbeitsprozesse in der Arbeitsvorbereitung insbesondere so zu automatisieren, so zu digitalisieren, dass man in der Lage ist, diese Prozesse in der nötigen Flexibilität voranzutreiben. Und insofern sind wir in der Elektronikfertigung sehr gut auf diese neuen, vermehrten und verstärkten Anforderungen, die da jetzt auf uns zukommen, vorbereitet.

Markus Strehlitz: Die neuen Anforderungen? Ist das die Variantenvielfalt und muss man flexibler sein?

Petra Foith-Förster: Wir haben die Anforderungen, dass die Varianten steigen. Es kommen schneller und häufiger neue Produkte, dass eine höhere Flexibilität gefordert ist, völlig branchenunabhängig. Wenn ich mir jetzt aus Forschungsseite anschaue, in welche Richtung es mit der Industrie 4.0 geht, können wir drei Stoßrichtungen identifizieren. Eine Autonomisierung der Produktion, was zum einen stark von Daten und Roboter abhängt. Das meint aber auch, dass mit Data Analytics ein Stück weit eine Selbstoptimierung der Produktion passiert und die Prozesse sich automatisch auf einen anderen Zustand einstellen. Dann gibt es eine zweite Stoßrichtung: Die Einbindung des Menschen in diese ganzen Prozesse, die Informationen zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Menge, in der richtigen Qualität zur Verfügung zu stellen. Und das Dritte geht ganz stark in Richtung Einbindung des Kunden mit seinem Wunsch nach personalisierten Produkten. Diese drei Themen beruhen im Grunde genommen auf dieser Digitalisierung der Produktion, also der Vernetzung. Die Anforderungen kann ich also relativ direkt diesen drei Feldern zuordnen. Der Kunde will ein individuelles Produkt, möglichst schnell, in möglichst hoher Qualität, mit möglichst individuellen Komponenten. Ich habe die Menschen in der Produktion, die genau mit dieser höheren Variantenvielfalt aber auch den neuen Technologien umgehen müssen. Und ich habe vonseiten der autonomen Produktion die Anforderung, dass ich sehr gute Daten brauche, um mit diesen Daten arbeiten und das Thema auf einen neuen Zustand einstellen zu können.

Markus Strehlitz: Kann jemand ein Beispiel nennen, wo man ganz konkret sagen kann: Hier ist eine Ausprägung von Industrie 4.0 vorhanden oder wird umgesetzt, die dann auch einen entsprechend konkreten Nutzen hat.

Stephan Baur: Es gibt z.B. eine starke Anforderung der Kunden Richtung Traceability, mit welchem Material, welchen Prozessen, Temperaturen, Programmen etc. ist mein Produkt gefertigt worden. Das ist super, 4.0. Wir müssen die Daten einfach sammeln und dann entsprechend aufbereiten. Am besten in der Cloud, damit er da gleich automatisch darauf zugreifen kann. Aber, wenn man jetzt diese vernetzten Maschinen und Informationen hat, wunderbare Systeme aufbauen. Wir nennen das Poka Yoke System, der Schutz vor unabsichtlichen Fehlern. Durch diese Vernetzung der einzelnen Maschinen können wir zum einen sicherstellen, dass im Prinzip die richtigen Programme, die richtigen Materialien, auch die richtigen Leute an den Prozessen arbeiten. Und können sie umgekehrt auch vor diesen unabsichtlichen Fehlern schützen. Gerade in der Elektronikproduktion ist es ein Riesenthema, wenn Sie im 3-Schicht-Betrieb mit vielen Linien, mit vielen Leuten, mit teilweise ganz unterschiedlichen Ausbildungsständen arbeiten müssen, praktisch rund um die Uhr – und Sie dürfen auf gar keinen Fall auch nur den allerkleinsten Fehler machen. Also das ist für mich eine klassische Industrie 4.0-Anwendung. Ohne Vernetzung der einzelnen Maschinen in der Prozesswelt wäre die Umsetzung ein Ding der Unmöglichkeit.

Petra Foith-Förster: Ich hätte Ihnen noch ein konkretes Beispiel aus dem Bereich Maintenance. Im Institut haben wir momentan eine Ausgründung. Die Gruppe beschäftigt sich damit, wie vernetzte Anlagen zu einer höheren Auslastung kommen. Die Kollegen lesen die Maschinendaten von allen Einzelanlagen aus, vernetzen sie zusätzlich mit smarten Kameras und beobachten das Gesamtsystem. Damit bauen sie sich eine Datenbank und haben eine künstliche Intelligenz dahinter gehängt, die im Prinzip die Gesamtanlage betrachtet und wirklich für den Maintenance-Mitarbeiter rausholt, an welcher Stelle die Ursache der Probleme liegen und er wirklich eingreifen muss. Und das Zweite, was passiert, ist: Dieses System lernt auch. Das heißt, es werden auch Hinweise darauf gegeben, wie man die Gesamtanlage verbessern kann, um den OEE strukturell nach oben zu bekommen.

Stephan Baur: Das finde ich einen sehr interessanten Ansatz. Bisher arbeiten wir sehr häufig mit strukturierten Daten. Ich glaube, in Zukunft wird man sehr viel mehr lernen müssen, mit unstrukturierten Daten zu arbeiten. Ein Ansatz, den wir auch ziemlich stark beobachten. Wie kann man solch unstrukturierte Daten, solch Informationen mit strukturierten Dingen zusammenbringen um z.B. Optimierungen zu generieren?

Markus Strehlitz: Um das mal zusammenzufassen: zum einen Nutzen, um höhere Qualität der Produkte zu erreichen, weil ich Fehler früher und besser erkenne. Die Wartung der Maschinen, die ich optimieren kann. Ich kann im besten Fall tatsächlich predictive sein, weil ich Fehler erkenne bevor sie passieren. Also das ist was, wo man auch ein klares Nutzenpotential für die Unternehmen herausholen kann. Gibt es weitere Punkte?

Florian Ritter: Wir als Maschinenbauunternehmen arbeiten auch an Lösungen, den Operator mehr an die Maschine, an die Daten heranzubringen, z. B. mit Smart Devices, mit Smart Watches, mit Tablets, um seine Arbeit effektiver zu gestalten. Das heißt, dass er z.B. auf seiner Uhr genau die Informationen hat, die er braucht, wann er wo sein muss, was er wo zu tun hat. Also nicht nur die Maschinen effizienter gestalten, sondern auch die Arbeit aller Personen in der Fertigung.

Stephan Baur: Mit diesen heutigen Methoden, die wir haben, können wir natürlich viel besser visuelles Management betreiben. Das heißt, wir können relevante Informationen einfach den Mitarbeitern zur Verfügung stellen. Geben Sie denen die richtigen Informationen, dann werden die in aller Regel, wenn sie geeignet trainiert sind, richtig reagieren. Vielleicht ein Beispiel aus der Praxis. Wir haben für unsere SMT-Linien so ein Abflug-Terminal – so heißt das. Da sieht man ganz einfach, wie lange was auf der Linie läuft, wie lange wird es noch laufen, wo stehen wir. Mit einer ganz einfachen Darstellung kann man oft sehr viel erreichen. Und das bieten eben diese Möglichkeiten.

Friedrich W. Nolting: Unsere Erfahrung ist genau das, was Herr Baur dargestellt hat, die Daten so zu verknüpfen, vielleicht auch intelligent zu verknüpfen, dass sie dem Mitarbeiter wirklich einen Nutzen bringen. Also diese Informationen zu verknüpfen, auch anzureichern und ihm so darzubieten, dass er da wirklich auch einen Rückschluss daraus ziehen kann. Er muss ja dann intelligent auf die Information antworten können, die er visuell wahrnimmt. Der nächste Punkt, wir haben festgestellt, dass dies Angebot an die Mitarbeiter einer Dynamik unterworfen ist. Das heißt, was ihn vor 2 Jahren noch interessiert hat, ist im jetzt oder morgen gar nicht mehr so wichtig. Daher muss eine Plattform zur Verfügung gestellt werden, mit welcher dann auch weiter gearbeitet und eine Weiterentwicklung möglich ist.

www.epp-online.de/productronica/

Hier finden Sie Teil 2 und Teil 3.

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Doris Jetter, Redaktion EPP und Sophie Siegmund Redaktion EPP Europe sprechen einmal monatlich mit namhaften Persönlichkeiten der Elektronikfertigung über aktuelle und spannende Themen, die die Branche umtreiben.

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