Basis für den digitalen Wandel mit mehreren Milliarden vernetzter Geräte sind Smart Systems, die über Sensorik Informationen aus der Umwelt gewinnen, diese durch Elektronik verarbeiten, Signale und Daten kommunizieren und aktiv Rückmeldung an ihre Umgebung senden. Zunehmende Komplexität und Interdisziplinarität stellen dabei höchste Ansprüche an die Entwicklerteams sowie die Integration der Leiterplatte in Smart Systems.
Jürgen Frickinger, Bayern Innovativ GmbH, Nürnberg
Begrüßung und thematische Einführung
Bayern Innovativ ist die Gesellschaft für Innovation, Technologie- und Wissenstransfer in Bayern zur technologie- und branchenübergreifenden Unterstützung in allen Stufen der Wertschöpfungskette mit maßgeschneiderten Dienstleistungen. Nach Vorstellung der Trends in elektronischen Technologien (von der Sensorik über die Leiterplattentechnologie und Leistungselektronik bis zu Bio-Sensoren) und deren Anwendungen in der Mobilität, Gesundheit, Produktion, Logistik, Material und Energie ging es zum Kooperationsforum Leiterplattentechnologie mit Markt-Trends und Herausforderungen, den technologischen Innovationen sowie Anwendungsbeispielen. Gemeinsam mit den Partnern FED, VDMA und ZVEI findet die Veranstaltung seit 2015 jährlich in Nürnberg mit mindestens 200 Teilnehmern statt. Einer der signifikanten Markt-Trends findet sich im IoT, welchem bis 2020 ein Wachstum von 23,1 % mit 50 Mrd. vernetzten Geräten und einem Marktvolumen von 220 Mrd. Euro prognostiziert wird. Hierbei wird die große Herausforderung 2020 im Big Data liegen: so wird ein Datenvolumen von 44 ZettaBytes bei Daten pro Person von 5.200 GigaBytes und einem fehlenden Speichervolumen von 6 ZettaBytes vorhergesagt. Hier stellt sich die Frage, wie werden die Daten gewonnen, verarbeitet und welche Rolle spielen Leiterplatten dabei? Jürgen Frickinger gab noch einen Überblick über die Anwendungsbereiche für Smart Systems und zeigte abschließend innovative Lösungen mit Leiterplattentechnologie auf.
Hans Joachim Friedrichkeit, PCB-Network, Maulburg/Südbaden
Der Blick voraus: Technologietreiber für Leiterplatten von morgen
Zur Einführung gab es 120 Sekunden Zukunftsaussichten durch einen futuristisch anmutenden Film über den Flug des Franzosen Franky Zapata mit dessen Erfindung des jetgetriebenen Flyboards. Die Treiber der Zukunft sind tragbare Elektronik, Smart Mobility, Smart City, Smart Buildings, Smart Production, Smart Healthcare sowie Smart Energie. Eine wichtige Rolle spielte das autonome Fahren sowie die Elektromobilität. So sollen bis 2030 bereits 50 % der Automobilkosten die Elektronik sein. Der Referent zeigte die Stufen zum autonomen Fahren auf, von L0 bis L5, während wir uns gerade von L2 des teilweise automatisierten in Richtung L3 zum bedingt automatisierten Fahrens bewegen. Vorgestellt wurde auch Smart Vision EQ fortwo als Robot-Taxi, ein autonom fahrendes Konzeptfahrzeug, welches seine Fahrgäste am gewünschten Ort abholt und ausschließlich per Smartphone bedient wird. Anschließend ging es um Amazons digitalen Sprachassistenten Alexa: einmal ins Heimnetzwerk eingebunden, lauscht der Assistent auf sein Aktivierungswort, um auf Kommando Aktionen auszuführen. Auch die Smartphone-Entwicklung wartet ständig mit neuen Features auf, so hat Samsung ein Smartphone mit zwei Bildschirmen entwickelt. Die Treiber sind nach wie vor Miniaturisierung sowie Modularisierung. Befinden wir uns aktuell noch in Zeiten von 4G wird derzeit 5G angestrebt und soll bis 2020 umgestellt werden, eine der Voraussetzungen für autonomes Fahren. Der Vortrag endete mit einen Bild von Urban Air Mobility, ein Projekt von Airbus und Italdesign zur städtischen Mobilität der Zukunft.
Rolf Nick, FlowCAD Deutschland, Feldkirchen
Mit Embedded Components Leiterplatten kostengünstig miniaturisieren
Die zunehmende Forderung nach Miniaturisierung in der Elektronik wird getrieben durch immer mehr Funktionen, die in immer kleiner werdenden Geräte integriert werden sollen. Doch ist der Flächenbedarf einer Leiterplatte durch die Anzahl der zu platzierenden Bauteile auf den beiden Lötseiten vorgegeben. Durch Embedded Components, also Bauteile, die auf den Innenlagen von Leiterplatten platziert sind, lassen sich die Abmessungen von Leiterplatten verringern. Nur so ist eine maximale Miniaturisierung erreichbar. Die Technologie bietet insofern eine höhere Zuverlässigkeit, da keine Steckverbinder oder mechanische Befestigungen erforderlich sind. Zusätzlich werden durch kürzere elektrische Verbindungen die elektrischen Eigenschaften für Signalintegrität und elektromagnetische Verträglichkeit verbessert. Jedoch sind in der PCB-Layout-Software für das Design solcher Technologien diverse Designregeln erforderlich. Die Motivation für Embedded Components liegt in der Miniaturisierung, in der Leistungssteigerung, der Zuverlässigkeit sowie im Schutz vor Plagiaten.
Erich Schlaffer, AT&S Austria Technologie & Systemtechnik AG, Leoben (Österreich)
High Speed PCB – zukünftige Applikationen in Automotive, Telekommunikation und Industrie
Die technologischen Treiber aus Sicht der Leiterplattenhersteller für High Speed PCBs finden sich in den Bereichen Automotive (24 und 77 GHz), Industrie (10 – 70 GHz) und der Kommunikation (2 – 80 GHz). So ist die Kommunikationsindustrie auf dem Weg zu 5G und Breitbandnetze durch immer höhere Datenmengen gekennzeichnet. Auch in der Automobilindustrie wird derzeit an Lösungen für autonomes Fahren sowie der Auto-zu-Auto-Kommunikation gearbeitet, so dass der Fokus auf mehr als 77-GHz-Leiterplatten liegt. Diese, als Basis für leistungsfähige Radar-Komponenten in Fahrerassistenzsystemen, sind Voraussetzung für autonomes Fahren. Zur Umsetzung der Highspeed-Systeme wurden Materialien und Prozesse evaluiert, um Performance-Verluste zu minimieren und kapazitive Effekte zu verhindern. Ausschlaggebend für die Impedanzen von Hochfrequenz-Leiterplatten sind nicht nur die Leiterbahngeometrie, sondern hauptsächlich der Lagenaufbau sowie das verwendete Material. So sind Materialien wie PTFE, LCP, Polyamid oder organische Materialien mit speziellen Glasfasern und Harzmischungen entscheidend. Werden die Leiterplatten aus sehr dünnen Kupferfolien mit geringer Rauigkeit gefertigt, lassen sich zudem Verluste bei hohen Frequenzen reduzieren. Die Aufbautechnologie der Leiterplatten für Automotive ist sehr unterschiedlich zur Telekommunikation, wo der Trend zu speziellem Glas zu erkennen ist.
Norbert Krütt, Fela GmbH, Villingen-Schwenningen
Einstieg in die digitale Leiterplatte – Felam 3D electronics
Der Umbruch in der Leiterplattenbranche von analog nach digital steht bevor und der Trend geht weg von Einzelkomponenten hin zu Systemen. Auch schreitet die Miniaturisierung weiter voran und bietet dreidimensionalen Konstruktionen unerwartete Möglichkeiten, wobei Materialien und bisherige Technologien in völlig neuem Kontext eingesetzt werden und miteinander verschmelzen. Die Forschungskooperation mit Würth Elektronik zur Digitalisierung der Leiterplattentechnik geht deutlich in Richtung verbesserter Präzision. Erster Schritt in die Digitalisierung stellt die Technologie s.mask dar, ein von Lack und Maschinenpark unabhängiger Ansatz zum Aufbringen einer definierten, funktionellen Oberfläche durch 3D-Druck. Hier besteht die Möglichkeit, direkt mehrere Schichten eines Dielektrikums definiert und gezielt ausgestaltet aufzubringen. Neben verbesserter Präzision und Performance zeigen sich auch Vorteile beim Schutz der Leiterplatte durch das schonende Aufbringen der funktionellen Oberfläche als auch durch Reduzierung der eingesetzten Chemikalien. Insofern werden Dielektrikum bzw. die funktionelle Oberfläche gezielt zum Vorteil in den nachfolgenden Prozessen genutzt.
Dr. Alina Schreivogel, Würth Elektronik GmbH & Co. KG, Rot am See
Flex- und Stretch-Leiterplatten für Smarte Elektronik
Nachdem der Trend zur Miniaturisierung in der Elektronik weiter geht, stellt die effiziente Nutzung des immer kleiner werdenden Gehäuses in allen drei Dimensionen mit einer integralen Leiterplattenlösung eine technische Notwendigkeit dar. Der Vortrag von Dr. Alina Schreivogel konzentrierte sich auf die Standardvariante für die 3. Dimension Twinflex. Die Vorteile zeigen sich nicht nur in besserer Signalqualität und -integrität, höherer Zuverlässigkeit in rauen Umgebungen oder einfacher Testbarkeit, sondern auch darin, dass mehr Komponenten bei geringerem Platzbedarf untergebracht werden können. Zudem erweitert die dehnbare Elektronik das Spektrum innovativer Anwendungen. Twinflex ist eine umweltfreundliche und recycelbare Leiterplatte, die aus zwei Subsystemen besteht, einem optionalen Supportsystem sowie dem Foliensystem. Durch die harte und weiche Phase weist die Leiterplatte Eigenschaften wie Flexibilität, Biegeschlaffheit oder Dehnbarkeit auf, bietet damit ungeahnte Anwendungen da sie kundenspezifisch an die jeweiligen individuellen Bedürfnisse anpassbar ist. Mit beeindruckenden Applikationsbeispielen aus der Medizin, Smart Health Care, Sensorik, Textilelektronik bzw. tragbarer Elektronik wurde verdeutlicht, wohin die ganzen Entwicklungen gehen werden.
Dr. Marc Hauer, Dyconex AG, Basserdorf, Schweiz
Embedding in hermetischen Substraten
LCP(Liquid Crystal Polymer)-Substrate sind ein flexibles, thermoplastisches Basismaterial, chemisch inert gegenüber den meisten Substanzen und weisen eine überragende Leistung in einem breiten Feld des Hochfrequenz-Spektrums auf, bleiben dennoch unter rauen Umgebungsbedingungen wie extremen Temperaturschwankungen und Feuchtigkeit stabil. Die Eigenschaften des Materials sind durch thermische Vorprozesse beeinflussbar, so dass durch Temperatur und Formgebung 3D-Formen erschaffen werden können. Beim Vergleich mit Thermoplastic Polyimide (PI) stellt sich heraus, dass LCP einen homogen Aufbau ohne Kleber und damit Grenzflächen ermöglicht, während PI zwischen beiden Lagen Kleber benötigt. Vorgestellt wurde ein LCP Substrat mit Heizleiter und konventioneller Bestückung mit LCP Deckel. Zwischen Substrat und Deckel ist eine lokale Verschweißung. Die Verkapselung verhindert einen Wärmeeintrag auf die bestückten Komponenten, bei Bedarf können selbst Leitungen direkt aus dem Substrat ausgeführt werden. Dabei sind einseitige und doppelseitige Verkapselungen möglich. Anhand des Anwendungsbeispiel Katheter als vollständig integriertem Device, Embedded Sensoren und Verarbeitung sowie passiver RF-Kommunikation, wurde die Theorie nochmals anschaulich verdeutlich.
Ralph Fiehler, KSG Leiterplatten GmbH, Gornsdorf
Leiterplatten-Technologien für automotive Smart Sensor-Systeme
Auf dem Weg zum autonomen Fahren übernimmt eine Vielzahl an Sensoren – auch Sinnesorgan des Fahrzeugs – entscheidende Funktionen. Radarsensoren übernehmen das Kommando, besonders wenn es um Einparkhilfen, Stopp- und Go-Funktionen, Brems- oder Totwinkelassistenten, Abstands- und Geschwindigkeitsregelung oder Kollisionsvermeidung geht. Hatten früher 24-GHz-Systeme einen großen Anteil, werden diese durch 77-GHz-Systeme zunehmend ersetzt. Höhere Frequenzen ermöglichen u.a. eine genauere Geschwindigkeitserfassung sowie bessere Objekterkennung, was jedoch höhere Anforderungen an die Schaltungsträger stellt. Um den Erfordernissen der Automobilindustrie gerecht zu werden verlangt es neben guter elektrischer Materialperformance auch einen passenden Materialverbund der Hybridaufbauten, welche auch die Folgeprozesse schadlos überstehen. Für ein optimales Ergebnis sind mehrere Testdurchläufe mit Anpassungen der Parametersätze unter Berücksichtigung vertretbarer Prozesskosten für die Serienfertigung notwendig. Zusammenfassend ist zu bemerken, dass der wachsende Bedarf an Sensorik im Kraftfahrzeug sichere Prozessabläufe für eine störungsfreie Serienfertigung der Schaltungsträger unbedingt notwendig machen. Dabei verlangen die speziellen Besonderheiten eines jeden Sensortyps umfangreiches Know-how über die spezifischen Eigenschaften sowie bei der technisch-industriellen Umsetzung.
Dr. Andreas Ostmann, Fraunhofer-Institut IZM, Berlin
Leiterplattenbasierte Sensorik für IoT
Das IoT bzw. Industrie 4.0 benötigen hochkompakte Sensormodule mit heterogen integrierten Bauelementen, um verarbeitbare Daten – entweder am Sensor oder auch in der Cloud – zu erhalten. Gerade System-in-Package (SiP) rückt dabei immer mehr in den Vordergrund zur Integration von IoT-Lösungen, da sie die Hersteller dabei unterstützen, verschiedene Komponenten miteinander kombinieren zu können. Benötigt wird eine möglichst modulare und universelle Plattform für intelligente IoT-Sensoren, die automatisierte Funktionen eigenständig ausführen können. Auf Leiterplattentechniken basierende Packages und SiPs mit integrierten Komponenten werden in Asien in großen Stückzahlen hergestellt. Für kundenspezifische Sensorlösungen bietet das Embedding von SMD-Komponenten eine Integrationsplattform vom Prototyp bis zur Großserie. Entwurf und Anwendung von Sensormodulen mit eingebetteten Komponenten ist eine attraktive Technologie, auch für den Mittelstand. Entscheidend dabei ist, wie stets, ein möglicher Kostenvorteil. Doch bieten innovative Aufbau- und Verbindungstechniken einen Wettbewerbsvorteil.
Alexander M. Schmoldt, Murata Europe, Hoofddorp, Niederlande
Das Smarte PCB – und dessen Integration in Smarte Systeme
Der Einzug des Internets der Dinge und Dienste in die Fabrik läutet eine 4. Industrielle Revolution ein und Unternehmen werden zukünftig ihre Maschinen, Lagersysteme und Betriebsmittel als Cyber-Physical Systems (CPS) weltweit vernetzen. Diese umfassen in der Produktion intelligente Maschinen, Lagersysteme und Betriebsmittel, die eigenständig Informationen austauschen, Aktionen auslösen und sich gegenseitig selbständig steuern, um allumfassend industrielle Prozesse zu verbessern. Mittels RFID sowie spezieller RFID-ICs können Daten am PCB gespeichert, geändert sowie über eine serielle Schnittstelle mit dem Prozessor oder Controller ausgetauscht werden. Bei Nutzung von UHF-RFID ist gar eine Kommunikation bis über eine Distanz von mehreren Metern möglich. Durch Integration des RFID-Tagmoduls Magicstrap in die Leiterplatte wird diese zu 4.0 und erlaubt eine durchgehende und interaktive Kommunikation. Hier wird das vorhandene Metall in der Platine in Form der Ground-Plane als Antenne genutzt, wodurch die Massefläche zur Booster-Antenne wird. Die individuelle digitale ID sowie weitere benötige Fertigungsdaten erreichen so bereits auf Leiterplattenebene die SMT-Fertigungslinie, was durch enge Zusammenarbeit mit weiteren Unternehmen erreicht werden konnte.
Das Kooperationsforum hat sich als feste Größe in der deutschen Elektronikindustrie etabliert. Die Ausrichtung erfolgt gemeinsam mit dem ZVEI Bayern, dem VDMA Bayern, dem FED e.V. und erfährt die Unterstützung durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie. (dj)