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Ausgezeichnete Löttechnologie mit BSA-Niedrigschmelzlot

Ausgezeichnete Löttechnologie mit BSA-Niedrigschmelzlot
Energieeffiziente Elektronikproduktion

Bei der Fujitsu Technology Solutions GmbH in Augsburg wurde das Wellenlöten lange Zeit mit SnCu- und SAC-Legierungen durchgeführt, die ihren Schmelzpunkt bei 218 bis 228 °C haben. Vor kurzem stellte die MTM NE-Metalle GmbH jedoch die niedrigschmelzende Legierung BSA zur Verfügung, so dass Fujitsu einen besonders energieeffizienten Fertigungsprozess für das Wellenlöten in der Elektronik-Produktion erstmalig qualifizieren und in die Serienfertigung übernehmen konnte.

BSA basiert auf Bi (Wismut), Sn (Zinn) sowie Ag (Silber) und hat einen Schmelzpunkt von nur 138 °C. Das Niedrigschmelzlot ermöglicht ein um den Faktor 15 größeres Prozessfenster und führt gerade bei hochkomplexen thermisch anspruchsvollen Elektronikprodukten zu exzellenter Lötstellenausprägung. Der Energieverbrauch für das Wellenlöten ist mit BSA um 40 Prozent niedriger, die Produktivitäts- und Lötqualitätsraten sind deutlich verbessert. Dazu noch ist BSA kosteneffizienter als alle herkömmlichen bleifreien Legierungen und hinsichtlich der um 50 % geringeren Abfallmenge, die innerhalb des Lötprozesses anfällt, äußerst umweltschonend. Durch die niedrigen Prozesstemperaturen können heute bei Fujitsu damit auf vier Produktionslinien etwa 250.000 kWh Strom im Jahr eingespart werden, wodurch 140 t CO2 gar nicht erst entstehen.

Die 2006 in Kraft getretene RoHS-Richtlinie der EU führte zu einem Verbot der Verwendung bestimmter toxischer Substanzen wie Blei und zum nahezu ausnahmslosen Einsatz bleifreier Lotlegierungen. Üblich sind seitdem vor allem SAC- und SnCu-Legierungen, die allerdings einen hohen Schmelzpunkt von 218 bis 228 °C haben. Dadurch hat sich gegenüber der bisherigen Standardlegierung SnPb (Zinn-Blei-Lote) der Energieaufwand vergrößert, weil das Lot stärker aufgeheizt werden muss, um flüssig zu werden. Die BSA-Legierung hingegen ist zwar seit Ende der 1990er Jahre bekannt, wird jedoch vorzugsweise als Lotpaste für das Reflow-Löten bei SMD-Bauteilen meist im Bereich der LED-Technologie eingesetzt – nicht aber beim Wellenlöten der Durchsteckmontage. Üblicherweise werden daher erst SMD-Komponenten festgelötet, bevor die THT-Bauteile mit der Leiterplatte verbunden werden. Problematisch ist dabei, dass beim Wellenlöten mit SAC/SnCu etwa 250 °C erreicht werden: Alles, was also zuvor mit niedrigschmelzender Lotlegierung gelötet worden ist, schmilzt erneut auf. Deshalb konnte BSA-Lotpaste bislang nicht verwendet werden, wenn in der Produktion ein hitzeintensiver Wellenlötprozess nachgeschaltet war. Gelingt das Wellenlöten mit BSA, bieten sich vollkommen neue Möglichkeiten für nahezu alle Anwendungen in der gesamten Elektronikbranche.

Wellenlöten mit BSA bei Fujitsu in Augsburg

Fujitsu entschloss sich Ende 2011 daher, die BSA-Legierung für das Wellenlöten zu qualifizieren. Eugen Kastner, heute Projektleiter BSA bei der Herstellerfirma MTM NE-Metalle GmbH, der die Löttechnologie bei Fujitsu 15 Jahre lang verantwortet hatte, war Initiator und bei der Qualifizierung die treibende Kraft: „Beim Bedarf für die Versuche bin ich insgesamt von 1 t BSA ausgegangen, und zwar nicht als Paste, sondern in Form von Massivbarren, bestehend aus 57,6 Prozent Wismut, 42 Prozent Zinn und 0,4 Prozent Silber.“

Nachdem aber Lotbarren dieser Legierung europaweit nicht verfügbar waren, musste zuerst große Überzeugungsarbeit bei den namhaften Lotlieferanten für die Bereitschaft zur Herstellung und Lieferung für dieses wegweisende Zukunftsprojekt geleistet werden. Der geringe Anteil von Silber in einer Bismut-Zinn-Legierung erhöht die Lötstellenzuverlässigkeit – das Material wird feinkörniger und duktiler – und verbessert die Lötbarkeit und Anwendung. Von den zwei bekannten BSA-Legierungen mit 0,4 und 1 Prozent Silber wurde nur Erstere zur Qualifikation verwendet. In Kombination mit BSA eignen sich eine Reihe von marktgängigen Flussmitteln, die bereits im no-clean-Prozess nach bestandener SIR-Testmethode eingesetzt worden sind.

Die Legierung ist mit einer Dichte von 8,64 g/cm³ vergleichbar mit Sn63Pb37 (183 °C Schmelzpunkt) circa 15 Prozent schwerer als heute im Einsatz befindliche Zinn-basierte bleifreie Lotlegierungen. Dass BSA trotzdem in der Anwendung günstiger ist als bleifreie Zinn-Legierungen mit oder ohne Silberanteil, liegt an dessen hohem kostengünstigen Wismut-Anteil. Der Schmelzpunkt von BSA liegt bei 138 °C, wodurch der Energieverbrauch in einer Wellenlötanlage um 40 Prozent gesenkt werden kann – und noch mehr Energie eingespart wird als vor der Umstellung auf bleifreie Lote. Die Legierung besitzt ein sehr gutes Lötverhalten und wird idealerweise zum Wellen-, Selektiv- und Tauchlöten, gerade bei sehr anspruchsvoller Elektronik und hochlagigen massereichen Lötverbindungen, eingesetzt. Bei einer empfohlenen Lotbadtemperatur von 180 bis 190 °C ist es für nahezu alle Wellenlötanwendungen in der Elektronikproduktion geeignet.

Bei Fujitsu in Augsburg wird es seit Ende 2014 auf mehreren Produktionslinien angewendet: „190 °C sind bei der Instandhaltungsarbeit geradezu angenehm“, berichtet Steffen Meier, Mitarbeiter des Lötteams bei Fujitsu.

Signifikante Qualitäts- und Produktivitätssteigerung durch BSA

„Beim Wellenlöten wird Lot und Temperatur gleichzeitig eingebracht und die Lotkontaktzeit für jede einzelne Lötstelle dauert in der Lötanlage lediglich nur etwa 1,5 Sekunden“, erklärt Kastner. „Da eine Lötstelle für ihre Entstehung und qualitativ hochwertige Ausführung aber etwa 1,5 Sekunden benötigt, ist die Zeit für die Entstehung einer guten Lötverbindung beim bisherigen Wellenlöten sehr knapp bemessen.“ Beim Wellenlöten mit BSA liegt die typische Tiegeltemperatur bei 180 bis 190 °C, die Vorwärmtemperatur der Leiterplattenoberseite vor dem Wellenlotkontakt sollte 125 bis 130 °C betragen. Durch den sehr geringen Temperaturunterschied der Leiterplatte zum Schmelzpunkt des Lotes startet unmittelbar mit dem Wellenkontakt der Benetzungsvorgang. Das Prozessfenster – selbst für thermisch schwierige Lötstellen – vergrößert sich um den Faktor 15, da nahezu kein Wärmetransport in die Lötstelle bis zum Benetzungsstart benötigt wird. Die Leiterplatte mit ihrer großen thermischen Masse fungiert somit als Energiespeicher und hält die Lötstelle sehr lange (10 bis 60 Sekunden) benetzungsaktiv. So können sich viel länger als bei der herkömmlichen Löttechnologie mit etwa 0,8 – 1 Sekunde Flüssigphase zwischen dem Lot und den zu benetzenden Oberflächen mehr Mischkristalle bilden, was für zusätzliche Stabilität des Prozesses und eine reproduzierbare Lötqualität sorgt. Die Produktivität der gesamten Fertigungslinie steigt für die komplexesten Elektronikbaugruppen mit den anspruchsvollsten Lötstellen um bis zu 50 Prozent, da aufgrund der langen Flüssigphase mit BSA deutlich schnellere Lötgeschwindigkeiten möglich sind.

Keine abrasive Reaktion mit Kupfer

Geringerer Temperaturstress für die Elektronikprodukte beim Löten und vor allem bei THT-Reparaturaufgaben ist ein enormer Vorteil bei der BSA-Verwendung. So kommt es nicht mehr zu sogenannten „Ausgasern“ und auch nicht zum Fillet-Lifting, bei dem sich der Restring durch die heißen Temperaturen hebt und dabei womöglich die elektrische Verbindung kappt. Das wird durch die reduzierte Temperatur und die Tatsache, dass sich BSA beim Erstarren geringfügig ausdehnt, ausgeschlossen. Des Weiteren reagiert BSA nicht abrasiv mit Kupfer: Es kommt nicht zu Kupfer-Leaching, was jetzt Reparaturen ermöglicht, die zuvor nicht durchführbar waren, wie Vielfachlötungen oder Mehrfach-THT-Reparaturen und etwa 10 Sekunden benötigter Flüssigphase pro Lötvorgang. Dabei wurde bei SAC/SnCu-Lot immer das gesamte Kupfer der Leiterplatte ablegiert, die Baugruppe irreparabel zerstört. Anstatt wie bisher im Verwurf zu landen, lassen sich mit BSA alle komplexen THT-Bauteile auch bei hochlagigen Leiterplatten reparieren. Die THT-Reparaturquote stieg auf nahezu 100 %, während bisher gerade die komplexesten und teuersten Boards nicht mehr repariert werden konnten und im Schrott landeten.

Ein weiterer entscheidender Vorteil mit BSA ist der verringerte Anteil von Krätze und Zinnoxid. So fallen bei Betrieb in der Volltunnelanlage mit Stickstoffbegasung und auch bei Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen nur noch etwa 50 % der bisherigen Lotabfallmengen an. „Ich bezeichne BSA gern als Best Soldering Application, da sie die umweltfreundlichste Legierung ist und den Lötprozess in allen Belangen am nachhaltigsten macht“, so Kastner.

HotSpot-Untersuchung vor Umstellung auf BSA

Um zu entscheiden, ob ein Produkt für BSA-Wellenlöten geeignet ist, sollte vorab im Rahmen einer HotSpot-Untersuchung thermographisch oder befühlert mit Temperatursensoren die Stelle mit der höchsten Temperatur beim Betrieb der Elektronik unter Maximallast bei den höchsten zulässigen Umgebungsbedingungen bestimmt werden. Je nachdem, wie weit die nächste THT-Lötstelle davon entfernt ist und wie heiß diese wird – bis 110 °C sind für BSA unbedenklich – stellt BSA immer eine Option dar und sollte die Überlegung für eine Prozessumstellung initiieren.

Eine weitere Bedingung, die sich jedoch im Hinblick auf die Gesetzeslage leicht erfüllen lässt, ist Folgende: Alle Komponenten wie Leiterplatten, Bauteilanschlüsse oder Metallisierungen müssen zu 100 % bleifrei sein, denn Zinn+Blei+Bismut bilden eine niedrigschmelzende intermetallische Phase Sn/Pb/Bi von weniger als 100 °C Schmelztemperatur. Die Lötstellen sind nicht zuverlässig. Daher sind RoHS-konforme Bauteile mit Zertifikat zwingend erforderlich. Bei der Umstellung von herkömmlichem, bleifreiem Lot wie SAC oder SnCu zu BSA ist keine weitreichende Änderung an den Parametern oder an den Maschinen selbst nötig. Der Wechsel kann sehr einfach bei den bestehenden Lötanlagen als Drop-in-Lösung erfolgen und sofort ohne Risiko angewendet werden. Lieferbar ist das Material in Form von Lotbarren, Pellets etc. und Massivdraht, also auch für Selektivlötanlagen mit Drahtzuführung geeignet.

Erfolgreiche Serienfertigung bei Fujitsu

„In der Serienfertigung konnten auf vier Produktionslinien mit dem neuen Verfahren bereits mehr als 1,6 Millionen Mainboards erfolgreich gefertigt werden.

Die Ausweitung des Wellenlötens mit niedrigschmelzendem Lot auf weitere Produktionslinien ist bei Fujitsu in Augsburg angedacht“, so Dr. Wolfgang Stark, Director Electronic Production.

Im Unternehmen beträgt das Energieeinsparpotential mit BSA pro Jahr etwa 250.000 kWh, was einer Reduzierung der Treibhausgase um circa 140 t bei deutschem Strommix gleichkommt. Neben firmeninternen Auszeichnungen in Sachen Umwelt- und Energiemanagement wurde das Wellenlöten mit niedrigschmelzender Lotlegierung und der dadurch möglichen energieeffizienten Elektronikproduktion mit dem KUMAS-Leitprojekt 2016 ausgezeichnet.


Das Werk der Fujitsu Technology Solutions GmbH in Augsburg ist einer der weltweit modernsten Produktionsstandorte für Computer und Speichersysteme und die branchenweit einzige PC-Fertigung in Deutschland. Zudem verfügt es über Forschungs- und Entwicklungsabteilungen sowie Labore, in denen IT-Systeme und einzelne Bauteile entwickelt und getestet werden. Hergestellt werden Hardware-Produkte, wie Mainboards, Personal Computer, Workstations, Notebooks, Server und Speichersysteme. Im Werk sind über 1.500 Mitarbeiter beschäftigt. Täglich werden bis zu 21.000 Units gefertigt und wöchentlich rund 2.500 neue Konfigurationen und Modifikationen umgesetzt. Im April 2014 hat das Fujitsu Werk Augsburg die Zertifizierung nach DIN EN ISO 50001 erhalten. Diese bescheinigt dem Entwicklungs- und Produktionsstandort ein systematisches, nachhaltiges Energiemanagement sowie ein außerordentlich hohes Maß an Energieeffizienz und Umweltverträglichkeit. Des Weiteren werden Möglichkeiten zur weiteren Reduzierung der Emissionen mit dem Ziel einer CO2-freien Produktion am Standort Augsburg untersucht.

www.fujitsu.com/de


Die MTM NE-Metalle GmbH mit Sitz in Essen ist auf den Bedarf für EMS-Betriebe (Electronic Manufacturing Service) spezialisiert. Das Unternehmen ist Zulieferer von Loten und hochwertigen Anoden der unterschiedlichsten Legierungen für die Elektronikindustrie und Oberflächenveredelung. Zu den Kernkompetenzen gehören bleifreie Elektroniklote und Produkte für die Elektronikindustrie und zusätzlich die qualifizierte Entsorgung und das Recycling des aus den Produktionsprozessen anfallenden Materials.

Dipl.-Ing. (FH) Eugen Kastner ist Projektleiter für BSA im Unternehmen und durch seine 15-jährige Tätigkeit als Prozessingenieur bei Fujitsu Experte in Sachen Löttechnologie und Elektronikproduktion.

www.mtm-ne.de

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