Startseite » Technik » Anwenderberichte & Reportagen »

Lötmasken als innovative Prozessmöglichkeit

Lötwelle weiterhin probates Mittel für die Fertigung komplexer Baugruppen
Lötmasken als innovative Prozessmöglichkeit

Lebt denn die alte Lötwelle noch? Diese Frage wurde in den letzten Jahren immer wieder gestellt. Durch die zunehmend engere Packungsdichte von Bauteilen auf der Leiterkarte wird die effiziente Lötung von THT-Bauteilen zu einer großen Herausforderung. Selektivlötanlagen gewannen in der Vergangenheit immer mehr an Bedeutung und der Wellenlötung wurde daher ihr mittelfristiges Ende prophezeit. Dass der deutlich günstigere Wellenlötprozess dennoch eine Zukunft hat, beweist ein aktuelles Projekt der inpotron Schaltnetzteile GmbH, welches mittels einer cleveren Lösung auf der Lötwelle gefertigt werden kann. Daher muss die Antwort in Anlehnung an das bekannte Volkslied auch in diesem Fall lauten: Ja, sie lebt noch!

Im Jahr 1997 als Spaun Schaltnetzteile GmbH gegründet entwickelt und fertigt die 2008 umfirmierte inpotron Schaltnetzteile GmbH am Standort Hilzingen in der Nähe des Bodensees Netzteile und Stromversorgungslösungen für die unterschiedlichsten Anwendungsbereiche. Mit einem Jahresumsatz von 20 Millionen Euro und 150 Mitarbeitern ist das Unternehmen einer dieser „Hidden Champions“. Der Name formuliert Anspruch und Know-how und leitet sich aus den Begriffen Innovative Power Elektronik ab. Anspruchsvoll sind die elektronischen Baugruppen, welche die Firma herstellt allemal, da die komplexen Schaltungen regelmäßig auf kleinstem Bauraum realisiert werden müssen. Innovativ müssen deshalb die Fertigungskonzepte sein, bedenkt man die enormen Stückzahlen, welche selbstverständlich kosteneffizient produziert werden müssen. Um dies realisieren zu können, benötigt man einen erfahrenen und zuverlässigen Lieferanten als Partner. Die Schnaidt GmbH, Hersteller von Betriebsmitteln für die Elektronikfertigung, liefert hier einen wichtigen Beitrag.

Kosteneffizienz ist die Prämisse

Alexander Holland-Moritz, Projektleiter bei inpotron, fasst die Aufgabenstellung in wenigen Worten zusammen: „Im Sommer 2017 befanden wir uns in der Entwicklungsphase für ein neues Netzteil für LED-Beleuchtungen. Die beidseitige Bestückung der Leiterkarte war für diese Anwendung unausweichlich, doch gerade der sehr geringe Abstand einiger SMD-Bauteile zu den Pins der THT-Bauteile auf der Lötseite bereitete unserer Fertigung Kopfzerbrechen. Und bei einer geplanten Jahresmenge in sechsstelliger Stückzahl war klar, dass wir den Fokus umso mehr auf die Prozessoptimierung legen müssen.“

Generell wird die Packungsdichte von Bauteilen auf beiden Seiten der Leiterkarte stetig dichter und der Anteil an SMD-Bauteilen auf der Lötseite der THT-Bauteile immer größer. Da stellt sich sofort die Frage, wie die Pins der THT-Bauteile gelötet werden, ohne dass die verlöteten SMD-Bauteile Schaden nehmen oder durch die Lötwelle abgespült werden? Das Selektivlöten ist zwar eine seit Jahren etablierte Technik, sie ist aber im Vergleich zur Lötwelle sehr teuer und damit bei solchen Stückzahlen nicht das probate Mittel. Prozesstechniker Stefan Binnig erklärt: „Die Nutzung unserer vorhandenen Wellenlötanlage war das erklärte Ziel, denn sie leistet den nötigen Durchsatz und der Prozess ist zudem wesentlich günstiger. Wir wussten aber, dass dieses Netzteil nicht ohne Weiteres auf der Welle produziert werden kann.“ Auch das Kleben der SMD-Bauteile und die anschließende Verlötung zusammen mit den THT-Bauteilen über die Lötwelle war keine Option, bedeutete dies doch einen zusätzlichen Prozessschritt und damit einen weiteren Kostenfaktor. Daher fiel der Fokus auf die dritte Variante, die Lötung der Baugruppe mithilfe von Lötmasken, welche die SMD-Bauteile abdecken und schützen, die THT-Pins jedoch für die Lötwelle freistellen. Lötmasken sind ein klassisches Fertigungshilfsmittel und können Rüstzeiten und Baugruppenhandling stark optimieren. Zudem können sie durch mechanische Zusatzoptionen die Ausrichtung oder das Vorhandensein von Bauteilen auf der Leiterkarte prozesssicher gewährleisten. Doch gerade bei diesem Projekt sollten sie ihre Leistungsfähigkeit erst so richtig demonstrieren. Peter Joas, Vertriebsmitarbeiter der Schnaidt GmbH berichtet: „Nachdem inpotron mit dieser Aufgabenstellung an uns herangetreten war, haben wir zunächst eine Machbarkeitsstudie erstellt. Nicht nur die technische Herausforderung reizt uns, wir wollen den Kunden auch bestmöglich im Hinblick auf die Durchsatzmengen, Zykluszeiten oder Nutzengestaltung unterstützen.“ So wurde im ersten Schritt die optimale Auslegung des Wellenlötprozesses bei Verwendung von Lötmasken durchkalkuliert. Lag der erste Wunsch noch bei einem zehnfachen Nutzenausbau und einer möglichst großen Anzahl von Nutzen pro Lötmaske, ergaben die nackten Zahlen ein anderes Bild. Peter Joas: „Aus meiner langjährigen Erfahrung als Gruppenleiter in der Lötprozesstechnik einer Elektronikfertigung kenne ich die Tücken einer zu optimistischen Zeitkalkulation. Wir haben die Bestück- und Durchlaufzeiten daher akribisch ermittelt und gegenübergestellt und kamen zu dem Ergebnis, dass vier Lötmasken mit jeweils drei zehnfach ausgebauten Nutzen den besten Durchsatz ermöglichen.“ Damit war die Fertigung auf der Lötwelle geplant und kalkuliert, ohne auf teure oder zusätzliche Arbeitsschritte zurückgreifen zu müssen. Das Problem des sehr engen Layouts auf der Lötseite blieb allerdings bestehen.

Die Tücke steckt im Layout

Die Entwicklungsgeschichte der Lötmaske geht stark mit der Entwicklung der Baugruppenlayouts einher. In den Anfängen wurde die Lötmaske als einfacher Träger für Leiterkarten konzipiert, welche das Rüsten von variablen Systemen überflüssig machte. Mit einfachen Abdeckungen konnte man Flächen auf der Lötseite schützen, was das Abkleben mit Kaptonband ersetzte. Durch die zunehmende SMD-Bestückung auf der Lötseite wurden die Ansprüche an Lötmasken erstmals größer, mussten diese doch in Taschen abgedeckt werden, doch solange die Packungsdichte überschaubar war, konnte ein geeignetes Layout größere Probleme verhindern. In den letzten Jahren führten immer kleiner werdende Abstände zwischen SMD-Bauteilen und THT-Pins die klassischen Lötmasken aus glasfaserverstärkten Kunststoffen aber an ihre mechanische Grenze. Um weiterhin mit Lötmasken arbeiten zu können, lösen heute immer mehr Titanmaskierungen dieses Material ab. Peter Joas beschreibt die Möglichkeiten der neuen Entwicklung: „Mit Titanmaskierungen können wir kleinste Wandungen bis zu 0,3 mm zwischen Abdecktasche und Lötöffnung realisieren und damit viele Baugruppen wellenlötfähig machen. Für uns ist alles realisierbar, was mechanisch zwischen Lötebene und Lötdüse passt, solange das Baugruppenlayout uns diesen kleinen Spielraum lässt. Und im Fall des inpotron-Projekts stellte uns das Baugruppenlayout wirklich vor Herausforderungen.“

Problemkind auf der kompakten Leiterkarte war ein sehr hoher Brückengleichrichter, welcher aufgrund normativ erforderlicher Sicherheitsabstände zu anderen Bauteilen auch für eine komplette Titanmaskierung zu nah an den zu verlötenden THT-Pins stand. Die erste Idee ist dann normalerweise, die betroffenen Pins nicht für die Lötwelle freizustellen, sondern diese anschließend von Hand nachzulöten. Doch bei Baugruppen mit sechsstelliger Stückzahl im Jahr war dies natürlich keine Option. In einem weiteren Prozessgespräch kam schließlich die rettende Idee, wie der Lötprozess technisch realisiert werden kann. Wenn der Brückengleichrichter an einem Anschlussbein maskiert, der Bauteilkörper über die Titanmaskierung gehalten und gleichzeitig den Wärmeeintrag durch die Lötwelle überlebt, so können die übrigen drei Anschlussbeine zusammen mit den THT-Pins durch die Lötwelle laufen und alle Verbindungen können in einem Arbeitsgang gelötet werden. Alexander Holland-Moritz: „Diese Lösung war zwar gewagt, aber auch sehr charmant hinsichtlich unserer Kostenproblematik. Wir haben uns daher entschlossen, diesen Ansatz weiterzuverfolgen.“ Durch Abdecken mit einer Spotmaske wurde ein Test durchgeführt und die Erkenntnisse in die Konstruktion eines Lötmasken-Prototypen überführt. Auch die Produktion der Erstserie war erfolgreich und so produziert inpotron mittlerweile mit vier vollausgebauten Lötmasken und in sehr guter Qualität.

Da einige Anschlussklemmen der Baugruppe später im Netzteilgehäuse für den Endverbraucher sichtbar sind, war auch die Lagegenauigkeit während der Lötung ein wichtiger Anspruch. Mit einer Niederhaltevorrichtung auf der Lötmaske, welche die Bauteile sauber ausrichtet, wird auch dies sichergestellt. Peter Joas fügt augenzwinkernd hinzu: „Dies war für uns die kleinste Herausforderung.“

Ja, sie lebt noch!

Das inpotron-Projekt beweist eindrucksvoll, dass die Lötwelle mithilfe von Lötmasken auch heute noch innovative Möglichkeiten für den Lötprozess bietet. Alexander Holland-Moritz fasst zusammen: „Natürlich bedeuten Betriebsmittel wie Lötmasken ein zusätzliches Einmalinvestment, welches wir in die Projektierung einkalkulieren müssen. Aber die Lösung begeistert uns jeden Tag. Technisch hätten wir diesen Ansatz nicht für möglich gehalten und auf der Kostenseite sparen wir durch die Lötmasken auf der Lötwelle mit jeder Baugruppe bares Geld.“ Peter Joas ergänzt: „Viele Kunden stehen vor ähnlichen Herausforderungen und wenden sich aus Unwissenheit vorschnell vom Wellenlötprozess ab oder lehnen Anfragen ob fehlender Fertigungsmöglichkeiten gleich ganz ab. Unser Slogan ‚Wir machen Elektronik produzierbar‘ ist nicht umsonst auch unser Anspruch. Nach gemeinsamer Analyse können wir Baugruppen oft auf die Welle zurückbringen und das Investment in eine Lötmaske rechnet sich, weshalb sich die Anfrage immer lohnt.“

Auch auf der diesjährigen SMT in Nürnberg demonstriert die Schnaidt GmbH anhand vieler Exponate die Leistungsfähigkeit von Lötmasken. Zudem werden Betriebsmittel für weitere Prozesse in der Elektronikfertigung vorgestellt. Am Gemeinschaftstand mit der Schunk Electronic Solutions GmbH in Halle 4-459 widmet sich der Lösungsspezialist Schnaidt auch dem Thema Trenntechnik. Zum Verweilen und Fachsimpeln lädt das Schnaidt-Team Interessierte zudem in den standeigenen Biergarten ein.

SMT Hybrid Packaging, Stand 4-459 + 4-559

www.schnaidtgmbh.de; www.inpotron.com

Unsere Webinar-Empfehlung


Hier finden Sie mehr über:
INLINE – Der Podcast für Elektronikfertigung

Doris Jetter, Redaktion EPP und Sophie Siegmund Redaktion EPP Europe sprechen einmal monatlich mit namhaften Persönlichkeiten der Elektronikfertigung über aktuelle und spannende Themen, die die Branche umtreiben.

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktuelle Ausgabe
Titelbild EPP Elektronik Produktion und Prüftechnik 2
Ausgabe
2.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Videos

Hier finden Sie alle aktuellen Videos


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de