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Das richtige Flussmittel löst die Probleme

Wachstum von Dendriten und Korrosion unter Komponenten mit geringem Spalt zur Leiterplatte (Stand-off)
Das richtige Flussmittel löst die Probleme

Angesichts der zunehmenden Nutzung von Komponenten mit geringem Spalt bzw. Abstand zur Leiterplatte (Stand-off) wie Doppel-MOSFETs, Leistungs-QFNs usw. in der Fahrzeugelektronik sind No-Clean-Flussmittel in den Lotpasten immer größeren Herausforderungen ausgesetzt. Aufgrund der ungenügenden Belüftung bei niedrigen Spalthöhen können die flüchtigen Bestandteile üblicher No-clean-Flussmittel nicht mehr ausreichend ausgegast werden und trocknen.

Fen Chen und Dr. Ning-Cheng Lee, Indium Corporation, Clinton, NY, USA

Feuchte Flussmittelrückstände führen bei anspruchsvollen Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Elektronik, wie unter rauen Bedingungen im Automobil, zu Wachstum von Dendriten und Korrosion. Die gilt beispielsweise bei einer hohen Wärmeeinwirkung mit 120 °C während 500 Stunden, 140 ºC während 500 Stunden, 30 V Vorspannung (in Getriebesteuerungen) oder bei Einwirkung eines auf 85 ºC erhitzten Öls während 500 Stunden (Bremsbaugruppen).
Bei einem No-clean-System mit ansonsten harmlosen Flussmittelrückständen sammeln sich im geringen Spalt unter den Bauteilen diverse Lösungsmittelreste und Aktivatoren, die allmählich schädliche Korrosion auslösen können. Normalerweise verursachen organische Säure-Aktivatoren in getrockneten Fluxerresten keine Korrosion, vorausgesetzt sie sind von festem Harz umschlossen. Dies gilt selbst in heißen, feuchten Umgebungen, weil das Wasser die unpolare Harzschutzschicht nicht durchdringen kann. Sind jedoch Lösungsmittel eingeschlossen, ist der Flussmittelrest flüssig oder halbflüssig. Aktivator wird damit frei gesetzt und korrosive Reaktionen ausgelöst, insbesondere bei heißen, feuchten Bedingungen und anliegender Spannung.
Das Verhalten des Aktivators RCOOH verändert sich bei unterschiedlichen Prozessbedingungen. Ist der Spalt gut belüftet, wird das Lösungsmittel nicht nur abgetrocknet, sondern ein großer Teil des Aktivators kann außerdem verdampfen und aus den Flussmittelrückständen entweichen. Verbleibt aber Lösungsmittel wegen der ungenügenden Belüftung des Stand-off im Fluxer, dann neigen solche feuchten Flussmittelrückstände dazu, weitere Feuchte aus der Luft aufzunehmen, was insbesondere bei hohen Temperaturen und anliegenden Spannungen zu Korrosion führt.
Bei Dendritenwachstum unter einem Doppel-MOSFET mit niedriger Spalthöhe in einer Automobilapplikation sowie der Dendritbildung bei Chip-Kondensatoren, die von einer elektromagnetischen Abschirmung ohne Entlüftungsbohrungen abgedeckt sind (HF-Basisstation), konnten die Lösungsmittel im Fluxer durch die Entlüftung nicht völlig beseitigt werden und verursachten daher die Bildung von Dendriten.
Wie kann man weiter vorgehen?
Komponenten mit geringer Spalthöhe wie Leistungs-QFNs werden aus Kostengründen und wegen funktionellen Überlegungen immer häufiger eingesetzt. Und der übliche Lötprozess dieser Komponenten auf der PCB stellt die kosteneffektivste Methode in der SMT-Fertigung von Elektronik-Baugruppen in hohen Stückzahlen dar.
Eine Möglichkeit, das Wachstum von Dendriten zu verhindern, ist das Entfernen der Fluxerrückstände nach dem Reflowprozess. Dies stellt eine große Herausforderung dar, weil die engen Entlüftungabstände den Reinigern sehr erschweren, die Rückstände optimal zu entfernen. Außerdem kommen auf die Anwender mit solch einem zusätzlichen Reinigungverfahren höhere Kosten (Maschinen und Reinigungsmittel) sowie ein zusätzlicher aufwendiger Schritt im Fertigungsprozess der Elektronikfertigung zu. Die zweite Möglichkeit besteht in der Verwendung eines nicht-korrosiven und nicht-leitenden Flussmittels, das diese vorteilhaften Eigenschaften unbedingt beibehält, selbst wenn eine völlige Trocknung der Fluxerrückstände und restloses Verdampfen des Löungsmittels nicht möglich ist. Mit anderen Worten, sinnvoll als Antwort auf diese Aufgabenstellung ist die Entwicklung eines Flussmittels, das grundsätzlich harmlos ist – unabhängig von einem eventuell trockenen oder feuchten Zustand nach Ende des Fertigungsprozess.
Grundsätzlich weisen aber nicht-korrosive und nicht-leitende feuchte Rückstände von solchen Flussmitteln jedoch sehr geringen Mengen von Aktivatoren und damit eine sehr niedrige Aktivität auf. Diese Art von Fluxer würde somit zu einer ungenügenden Benetzung führen, was wiederum eine höheren Zahl von Voids (Fehlstellen, Poren) [1, 2] in den Lötstellen zur Folge hätte und auch zu mehr HIP-Bildung (Head-in-Pillow) [3] beim Löten von Anschlüssen beitragen würde, speziell Lotkugeln der Advanced Packages. Somit wäre eine Lotpaste mit solch einem Flussmittel überhaupt nicht für den SMT-Fertigungsprozess geeignet. In umfangreicher Forschungs- und Entwicklungsarbeit wurde die neue halogenfreie No-clean-Lotpaste 33–76–1 entwickelt, die das Wachstum von Dendriten sowie die Korrosionen verhindert, und dabei die Benetzung nicht beeinträchtigt sowie die Bildung von Poren in Lötstellen und HIP-Effekte unterdrückt.
Das Experiment
Zur Verifikation der der Ergeniss aus dem SMT-Lötprozess wurden sechs Lotpasten getestet. Darunter die neu entwickelte halogenfreie No-clean-Lotpaste 33–76–1 und zur Kontrolle und zum Vergleich dazu fünf herkömmliche Lotpasten. In allen Lotpasten wurde 96.5Sn/3.0Ag/0.5Cu (SAC305) mit Lötzinnpulver der Partikelgröße Typ 4 (20–37 Mikrometer) oder Typ 4.5 verwendet. Bei den Pasten A, B, und C handelt es sich um übliche Standardprodukte, die von den Anwendern grundsätzlich als bleifreie No-clean-Lotpasten für den SMT-Fertigungsprozess akzeptiert sind. Die Pasten D und E sind ebenfalls handelsübliche Materialien; Information zur Partikelgröße der Paste E war nicht verfügbar.
Prüfung des Oberflächenisolationswiderstands (Surface Insulation Resistance)
Für diesen Versuch wurde eine SIR-Leiterplatte entsprechend Standard IPC B-24 verwendet. Das Flussmittel für jede dieser Lotpasten wurde mit einer 0,10  mm (4 mil) dicken Schablone auf drei der vier Lotstrukturen im SIR-Kammmuster gedruckt. 10 mm × 10 mm große Glasträger wurden auf einen Teil der mit Flussmittel gedruckten Kammmuster gelegt. Zwei Kammmuster wurden auf diese Weise abgedeckt. Die Glasträger wurden auf dem SIR-Abschnitt mit einem Hochtemperaturband von 3M gesichert, um während des anschließenden Konvektions-Reflows ein Verschieben zu verhindern. Der Reflowprozess wurde in einem Konvektionsofen mit einer Spitzentemperatur von 244 °C durchgeführt. Abgesehen von der Vorbereitung der Probe führte man die SIR-Prüfung gemäß J-STD-004B durch.
Die SIR-Werte der Flussmittel auf dem Abschnitt ohne Glasträgerabdeckung (Standard-SIR-Prüfung) wurde zu Vergleichszwecken ebenfalls bewertet. In diesem Fall verflüchtigten sich natürlich alle Flussmittel und hinterließen trockene Rückstände auf dem Kammmuster. Dabei ist anzumerken, dass für die vorläufigen Versuche zuerst die Lotpaste auf die Kammmuster gedruckt, und dann die Glasträger aufgelegt wurden. Nach dem Reflowprozess waren die Flussmittelrückstände unter den Glasträgern trotz dieser Abdeckung trocken. Der Grund dafür ist ein zu hoher Abstand zur PCB aufgrund des auf dem Kammmuster durch den Pastendruck gebildeten Lötzinnrands. Um jedoch die eingeschränkte Verdampfung der Flussmittelreste bei geringem Spalt (niedriger Stand-off) nachzubilden, erwies sich das Aufdrucken des Flussmittels anstelle der Lotpaste als wirksamer, denn damit verblieben die Flussmittelrückstände dann feucht.
Die Ergebnisse
1. Bei der SIR-Standardprüfung konnten keine wesentlichen Unterschiede zwischen den verschiedenen Flussmitteln festgestellt werden, wobei die meisten Fluxer mit Ausnahme des Flussmittels A über einem Widerstand von 109 Ω lagen. Sobald ein Glasträger auf dem Prüfabschnitt zur Abdeckung aufgebracht war, dann waren jedoch die Werte der herkömmlichen Flussmittel ungenügend und der Widerstandswert lag deutlich unter 1 MΩ. Nur der Fluxer 33–76–1 lieferte als einziger einen tadellosen Durchgang während der Tests.
Alle Messergebnisse unter 1E+6 Ω wurden aufgrund des in die Messschaltung integrierten Strombegrenzungswiderstand mit 1 MΩ erfaßt. Die Test-Abschnitte mit den aufgelegten Glasabdeckungen wurden optisch mit einem 50fach-Mikroskop untersucht. Dendrite konnten bei den Flussmitteln A, B, C und D deutlich festgestellt werden. Dagegen war kein Dendritwachstum mit dem Flussmittel 33–76–1 feststellbar.
Die Flussmittel A, B und E sind halogenierte Formulierungen, während die Flussmittel C, D und 33–76–1 halogenfrei sind. Beim SIR-Test mit Glasabdeckungen war der Fluxer 33–76–1 der einzige, der die Spezifikationen und Anforderungen zuverlässig einhielt. Es liegt auf der Hand, dass für diese Entwicklung der neuen Formulierung der Flussmittelchemie ein hoher Aufwand nötig war, um diesen entscheidenden Durchbruch zu erzielen.
2. HIP (Head-in-Pillow), Benetzung, Voiding-Minimierung
Die Paste 33–76–1 zeigte außerdem auch sehr gute Eigenschaften im SMT-Lötprozess, einschließlich der Minimierung von QFN-Voids (Poren in Lötstellen) und den Lötstellen-Effekten mit Head-in-Pillow. Die Benetzungsfähigkeit der Formulierung 33–76–1 war unter Stickstoff sehr gut. Bei Konvektions-Reflow erreichte die Paste 33–76–1 die Ergebnisse von Typ C, der in der Branche allgemein im Reflow-Verfahren angewandt wird.
Schlussfolgerung
Die SIR-Prüfung mit Abdeckung durch Glasträger bildet die elektrische Zuverlässigkeit von Flussmitteln für Komponenten mit niedrigem Stand-off am genauesten nach. Von allen geprüften Fluxern erfüllte einzig das Flussmittel 33–76–1 die SIR-Anforderungen. Diese Paste kam auf einen SIR-Wert von 100 MΩ, und liegt damit über der IPC-Spezifikation, und sie zeigte selbst bei feuchten Rückständen auf dem Kammmustern keinerlei Bildung von Dendriten. Die Formulierung 33–76–1 wies darüber hinaus auch sehr gute Eigenschaften bei der Minimierung von QFN-Voiding und HIP auf. Diese guten Eigenschaften sowohl in puncto Korrosivität mit feuchten Flussmittelrückständen als auch fdie Eignung für robuste und zuverlässige SMT-Fertigungsprozesse konnten nur mit dieser besonderen Fluxerformulierung erreicht werden.
productronica, Stand A4.214
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