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EMS-Scouting mit externer Hilfe effizient gestalten

Vereinfachte Suche nach dem geeigneten Dienstleister
EMS-Scouting mit externer Hilfe effizient gestalten

Unter den OEM-Betrieben herrscht nicht selten ein gespaltenes Verhältnis zu EMS-Dienstleistern. Geht es um die Auswahl eines geeigneten Herstellers, wünscht man sich höchste Qualität und absolute Zuverlässigkeit, wenn der bisherige Fertiger in Misskredit gerät oder kapazitätsmäßig schwächelt. Und das am Besten aus dem Stand. Häufig neigen OEMs jedoch dazu, sich erst auf die Suche zu begeben, wenn dringender Handlungsbedarf besteht. So schiebt man die Aufgabe zwangsläufig ohne ein mit den hauseigenen Entwicklern und Fertigern detailliert abgeglichenes Benchmarking in die Einkaufsabteilung. Das qualitative Auswahlverfahren gleitet so, zumeist unter dem Zeitdruck, in die reine Schnellsuche ab.

Letztendlich bleibt so oft nur noch der Preis als Auswahlkriterium. Das Ende vom Lied: ein ständiges Nomadisieren unter den EMS-Dienstleistern, das zeit- und kostenintensiv in die Sackgasse führt. Matthias Holsten, Beratungsexperte in der Hightech-Elektronik und die Dermalog Identification Systems GmbH, Entwickler und Hersteller von weltweit gefragten biometrischen Systemen zur Personal-Identifikation bei Grenzkontrollen, zeigen auf, dass es auch anders, wesentlich effizienter geht – und ein gut durchdachter Outsourcing-Prozess zu langfristig guten Geschäftsbeziehungen führt.

Enge Vorgaben erschweren die Wahl des EMS-Dienstleisters

Wer international aufgestellt ist mit seinen Produkten, muss in der Lage sein, sich unterschiedlichen Auftragskulturen und Preisverhandlungen bestens anzupassen. Davon weiß Esra Sekerci, Einkaufsleiterin bei Dermalog in Hamburg, mannigfaltig zu berichten. Ihr Arbeitgeber stellt hochkomplexe Scannig-Systeme, sogenannte Automated Fingerprint Identifiction System-Produkte, kurz AFIS genannt, her. Der Wettbewerb ist mit einem Dutzend Global-Playern überschaubar und man könnte meinen, sich auf dem Weltmarkt zu behaupten wäre ein leichtes Spiel. „Im Rahmen des global zunehmenden Sicherheitsbedürfnisses wächst der Markt und es bedarf enormer Anstrengungen, der Anfrage nach unseren Produktinnova- tionen adäquat gerecht zu werden“, meint Esra Sekerci. Als Einkaufsleiterin bedient sie auch die Hebel für die Logistik und den Versand. Zudem ist sie noch als Exportkontrollbeauftragte tätig und kennt das Marktgeschehen für das durch hochkomplexe Apparaturen gekennzeichnete Geschäft. „Technische Alleinstellungsmerkmale für unsere Geräte alleine sichern noch keinen Marktanteil“, meint Sekerci, „als ehemals reines Software- Entwicklungsunternehmen gestartet, durchlief das Unternehmen mit den Jahren einen gewaltigen Wandlungsprozess. Mit der Zunahme der Aufträge, die uns seitens der Regierungen weltweit erreichten, war die Forderung verbunden, individuelle, dem jeweiligen Land entsprechende Komplettsysteme zu entwickeln und zu fertigen. Man verlangt dort alles aus einer Hand, einschließlich Service und Reparatur. Wir mutierten vom reinen Entwickler zum gleichzeitigen Fertiger modularer Produkte, die individuelle Lösungen zulassen.“ In der Folge, so schildert Esra Sekerci, galt es größere Investitionen in Menschen und Material vorzuhalten, sich auf lange Entscheidungszeiträume zur Auftragsvergabe und auf anschließende Express- Produktion und Just-in-time-Lieferungen einzustellen.

„Unsere Ressourcen für die Hardware-Fertigung waren irgendwann einfach begrenzt. So begannen wir, uns ausschließlich auf Prototypen und erste Kleinstserienfertigung zu konzentrieren. Alles andere ging an externe EMS-Dienstleister“, meint Sekerci, „mit den Jahren wuchsen wir und mussten feststellen, dass die EMS-Fertiger sich nicht immer adäquat mitentwickelten. Die von unseren Kunden geforderte Flexibilität ließ bei einigen Zulieferern nach. Die Vorgaben unserer Kunden nach höchster Qualität und fehlerfreier Fertigung unter Zeit- und Preisdruck bekam eine neue Dimension bei unserer Auswahl geeigneter EMS-Partner.“

Das Unternehmen traf noch in der Entwicklungsstufe eines neuartigen Scanning-Produktes die Entscheidung, bei der Suche nach einem geeigneten EMS-Fertiger, speziell für das neue Produkt, sich externer Hilfe zu bedienen. Esra Sekerci: „Es wurde uns klar, dass mit der eigenen Suche ein erheblicher Zeit- und Kostenaufwand verbunden war, uns fehlte zudem die globale Markttransparenz. Mit der langen Stange im Nebel zu stochern war nicht drin. Ein Ausprobieren und wiederholtes Suchen barg zudem die Gefahr des Fertigungsverzuges und ein möglicherweise drohender Kundenverlust.

„So kamen wir auf Matthias Holsten, e2consulting, dem aus Fachkreisen entsprechende Branchen- und Marktkenntnisse zugesprochen werden“, sagt die Dermalog-Einkaufsleiterin. Sie gestand freimütig, dass sie anfangs Bedenken grundsätzlicher Natur hatte, zur EMS-Recherche Berater hinzuzuziehen. Was sie letztendlich dazu bewog, war reines Kalkül, die Abwägung von Kosten und Ertrag – wenn denn ein Berater die besseren Fäden ziehen und schneller zum Zuge kommen kann.

„Auch wenn Dermalog eine gewisse Sonderstellung im Markt genießt – die Weitergabe fremdbestimmter Forderungen an EMS-Dienstleister ist symptomatisch für die Branche“, hebt Mattias Holsten, Berater in der Hightech-Elektronikbranche an, „Dermalog ist eine Blaupause dessen, was ich in all den Jahren des Outsourcings erlebt habe und jetzt noch sehe. Wer als Auftragsfertiger mit Vorleistung, ausreichend hoher Liquidität und Preiskampf nicht mithalten kann, stirbt. Und wer es nicht wahrhaben will, erleidet dazu noch einen langsamen, teuren Tod. Bestückung kann nicht mehr das alleinige unternehmerische Denken von EMS-Fertigern sein. Ganzheitliches, lösungsorientiertes Denken und Handeln sind gefragt. OEMs wie Dermalog geben den Lauf der Dinge, in den sie selbst eingebunden sind, vor.“

Outsourcing – keine Recherche nach Schnittmusterbogen

„Der häufigste Fehler bei der Suche nach geeigneten EMS-Fertigern ist, die Ausrichtung der Geschäftsbeziehung auf den kurzfristigen Bedarf. Das rührt zum einen daher, dass OEM-Betriebe als Auftraggeber die Haltung haben, EMS-Betriebe nicht als Partner der eigenen Unternehmensentwicklung zu sehen. Vielmehr wird schon bei Sondierungsgesprächen die jederzeitige Austauschbarkeit mit ins Spiel gebracht“, betont der Hamburger Berater Holsten. Nach seiner Einschätzung gelingt es meist nur den in der unternehmerischen Weitsicht geübten Firmen und deren Fachkräfte, die markt-gegebenen Schwankungen bei der Wahl von Fertigungsbetrieben einzubeziehen. Es sei das Misstrauen, in der Preisgestaltung selber zu kurz zu kommen und nicht so sehr eine „Alle-in-einem-Boot“- Haltung zu praktizieren. Die Folge davon sei, so Holsten, dass beide Seiten keine partnerschaftliche Haltung entwickeln können. „Wir wissen um diese Schwäche“, meint dazu Esra Sekerci und betont, dass Dermalog den Weg nicht gehe. Holsten und Sekerci waren sich schnell einig, dass die Langfristigkeit der Zusammenarbeit nur auf Transparenz der wirtschaftlichen Gegebenheiten auf beiden Seiten beruhen kann und zielführend sei.

Hinwendung zur Aufnahme der unternehmerischen und ausführliche Erläuterungen der möglichen Entwicklungssituation bei Auftragsmengen, das Ausloten der Chancen und Grenzen des gemeinsamen Wachstums und der notwendigen Liquidation über bestimmte Zeiträume waren dann primär jene Themen, die Matthias Holsten bei der Vorbereitung des Benchmarking heranzog. „Mit diesen eher weichen Faktoren lässt sich schon ziemlich genau die Riege der Aspiranten eingrenzen, die in der Vorauswahl positiv auffallen“, sagt Holsten und erläutert den weiteren Auswahlprozess für das Unternehmen:

„Sehr ausführlich war das erste Brainstorming, in dem auch alle Hard-Facts wie Personalstärke, Produktionskapazität, aber auch bereits bestehendes Know-how aus dem technischen Umfeld des Auftraggebers beim EMS-Dienstleister abzufragen sind. Für das Unternehmen ist es von Vorteil, wenn ein EMS-Betrieb bereits Erfahrungen im Verbauen von komplexen Bauteilkonfigurationen, aufwändiger Mechanik und optischen Elementen aufweisen kann. Dem Ringen um das Anlegen eines umfangreichen individuellen Analysebogens müssen sich beide Seiten, sowohl Berater wie auch das beauftragende OEM-Unternehmen, zeitlich in ausreihendem Maße widmen. Mit einem Check nach Schnittmusterbogen lotet man hier die Chancen am Markt nicht aus.“

Was sodann als Recherche folgte, war ein dreistufiger Auswahlprozess: aus 25 bundesweit ermittelten tragfähigen EMS-Betrieben blieben fünf übrig, die Holsten und Dermalog gemeinsam einem umfangreichen Benchmarking unterzogen. Nach einem maßge- schneiderten Matrixaufbau bewertete man sodann die Aspiranten nach einem Ranking. In die engere Wahl zog man letztendlich zwei Kandidaten. Beiden Unternehmen statteten Holsten und Sekerci einen Besuch ab, um sich ein eigenes, ausführliches Bild von der unternehmerischen Situation der EMS-Dienstleister zu verschaffen. Man kam so, in der internen Endrundenbewertung auf jenen Kandidaten, der dem Unternehmen letztendlich als der ideale erschien.

Insgesamt dauerte der Prozess der Analyse, der Beratung und Aufbereitung sowie der Durchführung des Analyse- und des Auswahlverfahrens gerade mal zwei Monate. „Für uns hat sich bestätigt, dass diese Vorgehensweise die richtige ist“, resümiert Esra Sekerci,

„wir hatten letztendlich den Eindruck, den Markt gut und gründlich sondiert zu haben. Dies gelang zudem noch in einem Umfang, in dem wir das zeitlich und personell wie auch von den Kosten her nicht selber hätten leisten können“.

Engagement des Dienstleisters zahlt sich aus

Bereits nach den ersten Wochen stellte sich im Unternehmen Zuversicht ein, die richtige Wahl getroffen zu haben: Es entstand ein reger Gedankenaustausch, initiiert vom neuen EMS-Partner, aus dem das Mitdenken, das Einbringen eigener Lösungsansätze zur Expressfertigung, zur modularen Fertigung bei Produktdiversifikation und Bereitstellung unterschiedlichster Gerätekonfigurationen in sehr unterschiedlichen Stückzahlen zum Ausdruck kam. „Wir nennen das Auftragsempathie“, strahlt Esra Sekerci. Obwohl der neue EMS-Dienstleister nicht gerade vor der Hamburger Haustüre beheimatet ist, bemühte sich der EMS-Auftragnehmer zweimal proaktiv mit einem Besuch zum fachlichen Dialog. Bevorzugte Standortnähe misst man angesichts derartigen Engagements bei Dermalog keiner besonderen Bedeutung mehr bei. „Wer mit Eigeninitiative Produktverständnis zeigt und über den Tellerrand der reinen Fertigung hinauszudenken vermag, hat schnell die Nase vorn. Was nicht nur das Unternehmen, sondern jeder OEM als Auftraggeber braucht, sind Menschen und dahinter Unternehmen, die ihre Arbeit, die Dienstleistung als Holschuld verstehen. Sie sollten vornehmlich nicht die Probleme im Prozess definieren, sondern den Weg andeuten, auf dem man die Lösung suchen und finden muss – oftmals auch durch selbst aufgebrachtes Engagement, zum Wohle des Kunden“, meint Matthias Holsten. Er selbst sieht, nach eigenem Bekunden, seine Recherchearbeit weit nach Beendigung des Projekts erst dann beendet „wenn die erste Serie sauber abgearbeitet ist.”

www.holsten-econsulting.de; www.dermalog.com


Der Autor Rainer Schoppe
ist Fachjournalist für Innovationstechnologie und Hightech-Elektronik.

Foto: IMA
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