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Sicherer Betrieb

Reed Relais Spezifikationen verstehen
Sicherer Betrieb

Der Dauerstrom (Carry Current) ist der Strom, den ein Relais über seinen Kontakt leiten kann, ohne dauerhaft Schaden zu nehmen. Die Lebensdauer des Relais sollte unter dieser Bedingung nahezu unbegrenzt sein, wobei für manche Relais auch noch ein Wert für zulässige Strompulse angegeben sein kann.

Kevin Mallett, Produktmanager, Pickering Electronics

Der Dauerstrom wird in erster Linie durch den Kontaktwiderstand des Relais und seine Fähigkeit, Wärme an die Umgebung abzuleiten, bestimmt. Mit zunehmendem Strom steigt die Temperatur der Kontaktzungen des Reed Schalters bis zu dem Punkt, bei dem das Material seine ferromagnetischen Eigenschaften verliert (Curie Temperatur). Bei Erreichen dieser Temperatur wird der Relaiskontakt öffnen, da die Kontaktzungen nicht mehr auf Magnetfelder ansprechen. Die Temperatur der Kontaktzungen ist eindeutig von Strom und Relais Pfadwiderstand bestimmt. Üblicherweise wird hier ein quadratischer Zusammenhang mit dem Stromfluss angenommen. In der Praxis unterliegt der Temperaturanstieg einem mehr als quadratischen Verhältnis, da mit steigender Temperatur der Widerstand des Metalls zunimmt, das Magnetfeld aufgrund steigenden Spulenwiderstands schwächer wird und sich die mechanischen Eigenschaften der Kontaktzungen ändern können. Als für alle Relais gültige Konsequenz daraus kann das Überschreiten der Spezifikationsgrenzen zur Beschädigung durch Überhitzung führen.
Die Verpackung des Relaiskontakts hat wesentlichen Einfluss auf das Temperaturverhalten. So wird ein Leadframe Gehäuse die entstehende Hitze nach außen abführen, während Kunststoff Verkapselungsmaterial eher isolierend wirkt. Ein Reed Relay wird daher immer einen geringeren Wert der Stromspezifikation aufweisen als der einzelne Reed Kontakt, da die Hersteller die zulässigen Werte immer für offene Umgebungsbedingungen (keine Spule, keine Kunststoffverpackung) angeben. Die Verlustleistung der Spule trägt zusätzlich zu einer Erwärmung des Relaiskörpers bei. Als Konsequenz daraus spezifiziert Pickering die zulässigen Relais Parameter immer unterhalb der Angabe des Herstellers der Reed Kontakte, um sicherzustellen, dass das diese innerhalb der vorgegeben Grenzen betrieben werden.
In Zusammenhang mit dem Stromanstieg tritt ein weiterer, fast unmerklicher Effekt auf – das Signal erzeugt ein eigenes Magnetfeld, das die Kontaktzungen mechanisch leicht verwindet und so den Kontaktwiderstand verändern kann. Mit der Verdrehung der Kontaktzungen geht eine Reduzierung bzw. Veränderung der Kontaktflächen einher, die wiederum in einem Anstieg des Kontaktwiderstands resultieren kann. Besondere Sorgfalt sollte darauf verwendet werden, dass die Relais Spezifikation eingehalten wird. Bei Strompulsen muss der quadratische Zusammenhang zwischen Strom und Temperatur berücksichtigt werden. Es ist schwierig, Reed Relais für einen Dauerstrom über 2  A herzustellen. Für diesen Strom müssten die Kontaktflächen entsprechend vergrößert werden, was dazu führt, dass die Kontaktzungen steifer würden und für die Bewegung ein stärkeres Magnetfeld erforderlich wäre.
Lebensdauer
Die Lebensdauer von Reed Relais hängt im Wesentlichen von den betriebenen Lastbedingungen ab. Bei Produkten in Messtechnikqualität (Instrument Grade) liegt die mechanische Lebensdauer bei mehr als 1 Milliarde Schaltspielen. Der mechanisch einfache Aufbau basiert auf der Biegung der Kontaktzungen, was im Dauerbetrieb zu geringen Verschleißerscheinungen führt. Trotzdem unterliegen die Kontaktflächen durch Öffnen und Schließen einem Verschleiß. Beim Öffnen oder Schließen kleiner Lasten verläuft der Abnutzungsprozess an den Kontakten nur sehr langsam. Mit zunehmender Last und heißem Schalten (Öffnen oder Schließen des Kontaktes bei anliegendem Signal mit nicht unerheblichem Strom oder Spannung) entstehen an den Kontakten höhere Temperaturen, die das Kontaktmaterial verschleißen. Gleichspannungssignale können eine Oberflächendiffusion zwischen den Kontaktflächen verursachen. Ohne regelmäßigen Polaritätswechsel an den Kontakten wird durch diesen Effekt irgendwann das schlechter leitende, darunterliegende Material freigelegt. Durch Hot Switching kann im Kontaktbereich ein temporäres Plasma mit hohen, lokalen Temperaturen entstehen. Auch kann durch ein schnelles Schalten unter Last die Kontakttemperatur so weit ansteigen, dass es zu vorzeitigem Verschleiß kommt.
Die Lebensdauer eines Instrument Grade Reed Relais kann je nach Lastsituation um drei Größenordnungen variieren – von vielleicht 5 Milliarden Schaltspielen ohne oder bei nur geringer Last und bis zu 5 Millionen Schaltspielen bei hohen Lasten.
Mindestschaltleistung
Für einige Typen herkömmlicher Relais ist eine Mindestschaltleistung definiert. Grund dafür ist, dass bei sehr niedrigen Signalpegeln am geschlossen Kontakt Oxid-Ablagerungen oder andere Verschmutzungen einen höheren Widerstand bis hin zu einer offenen Verbindung verursachen. Dieser Effekt tritt bei Reed Relais nicht auf, da sich die Edelmetallkontakte in einem hermetisch abgeschlossenen, mit Schutzgas gefüllten Glaskörper befinden. Die Spezifikation einer Mindestschalt-leistung findet man im Wesentlichen als Merkmal für elektromechanische Relais (EMR) für höhere Leistungen.
Schalten unter Last (Hot Switching)
Unter Hot Switching versteht man das Schalten eines Relaiskontakts bei Anliegen eines Strom- oder Spannungssignals. Beim Trennen oder Schließen der Kontakte kann ein Lichtbogen entstehen, der Material von einem zum anderen Kontaktende transferiert. Bei beschädigter Kontaktbeschichtung wird sich der Widerstand letztendlich bis zu einem Wert zu erhöhen, bei dem sich das Relais nicht mehr verwenden lässt. Bei Reed Relais werden Hot-Switching Tests immer unter Verwendung ohmscher Lasten durchgeführt. Die Hot Switching Fähigkeit eines Reed Relais wird für einen Strom/Spannungswert angegeben, mit dem ca. 10 Millionen Schaltspiele problemlos möglich sind. Das Datenblatt spezifiziert einen Hot Switch Strom (der begrenzende Faktor bei niedrigen Spannungen), eine Hot Switch Spannung (begrenzender Faktor bei niedrigem Strom) und eine Leistung (Produkt der Spannung bei offenem Kontakt und dem Strom bei geschlossenem Kontakt).
Schaltgeschwindigkeit
Die Ausführungszeit (Operate Time) ist die Zeit vom Anlegen oder Abschalten der Spulenspannung am Relais bis zu dem Zeitpunkt, bei dem der Kontakt einen stabilen Zustand einnimmt. Wenn bei einem Schließer, bei dem der Kontakt im Ruhezustand geöffnet ist, die Spule angesteuert wird, erhöht sich der Strom und somit das Magnetfeld in der Spule so lange, bis die Kontaktzungen beginnen, sich aufeinander zu zubewegen, bis schließlich der Kontakt geschlossen ist. Reed Kontakte reagieren so schnell dass dies für kurze Zeit zu Kontaktprellen führt. Die Schließzeit wird als die Zeitspanne von der Erregung der Spule bis zum stabilen geschlossenen Zustand der Kontakte definiert. Wird die Spule von einer höheren als der spezifizierten Spulenspannung angesteuert, schließt das Relais schneller, allerdings verstärkt sich dadurch das Kontaktprellen, da die Kontakte mit größerer Kraft aufeinander treffen. Eine Übersteuerung der Spule kann auch die Öffnungszeit (Release Time) erhöhen, da das Magnetfeld länger braucht, um sich bis zu dem Punkt abzubauen, an dem die Kontakte sich zu öffnen beginnen.
Für einen Schließer (Form A Kontakt) ist die Öffnungszeit die Zeit, die vom Abschalten der Spule bis zum Öffnen des Kontakts vergeht. Durch eine Schutzdiode an der Spule erhöht sich die Öffnungszeit. Üblicherweise beträgt die Öffnungszeit die Hälfte der Schließzeit.
Soft- und Hard-Weld-Fehler
Beim Betrieb von Reed Relais (auch elektromechanischer Relais) unter hohen Lasten entsteht einer der häufigsten Defekte. – das Verschweißen von Kontakten, sogenannten Welds. Man hat sich darauf geeinigt, diesen Fehlermechanismus in die Kategorie von Soft- oder Hard-Weld-Fehler einzuordnen. Bei einem Hard-Weld Fehler sind die Kontakte untrennbar miteinander verschweißt. Dieser Fehlertyp lässt sich auch leicht erkennen.
Von einem Softfehler hingegen spricht man, wenn Kontakte zusammenkleben, sich aber nach einiger Zeit und ohne äußeres Zutun wieder öffnen. Diese Art von Fehler wird durch kleine, verschmolzene Bereiche auf dem Kontakt verursacht. Die Fläche ist so klein, dass sich die Reed Kontakte aufgrund ihrer inneren, mechanischen Spannung wieder öffnen. Die Kontakte können sich sehr schnell aber auch erst nach mehreren Sekunden wieder öffnen. Dies hängt davon ab, wie stark sie miteinander verschweißt sind. In jedem Fall wirken sich diese Fehler auf das Schaltverhalten des Relais und demnach auch nachteilig auf die Anwendung aus. Das Relais muss ersetzt werden, da es unwahrscheinlich ist, dass sich solche Fehler mit der Zeit von selbst beseitigen. Auch muss die Ursache der Kontaktverschweißung untersucht und behoben werden.
Thermoelektrischer Effekt / Thermospannung
Die Ursache von thermoelektrischen Spannungen wird oft missverstanden. Unter dem thermoelektrischen Effekt versteht man das Entstehen kleiner Spannungen im Mikrovoltbereich an den Relaisanschlüssen wenn der Kontakt geschlossen ist. Die Spannung entsteht sobald eine Metallleitung einen Temperaturgradienten aufweist (Seebeck-Effekt). Dies ist der Fall, wenn zwischen den Enden einer Leitung eine Temperaturdifferenz besteht. Dann entsteht je nach Temperaturdifferenz und Leitungsmaterial eine Spannung. Bei Reed Relais kommen verschiedene Metalle zum Einsatz, die unterschiedliche Temperaturkoeffizienten haben können, was sich wiederum in Form einer Spannung an den Relaisanschlüssen auswirkt. Diese Spannung wird jedoch nicht am Verbindungspunkt der Kontakte erzeugt. Nickel/Eisen Verbindungen weisen einen relativ starken thermoelektrischen Effekt auf.
Die Anzahl und Art der verwendeten Materialien hängt davon ab, wie der Reed Schalter aufgebaut ist und welches Gehäuse verwendet wird. Ein Relais könnte als perfekt symmetrisch im Aufbau bezeichnet werden, wenn die Materialien vom jedem Kontakt zum Reed Schalter gleich wären, und der Reed Schalter in sich auch absolut symmetrisch hinsichtlich der Abmessungen und Materialien aufgebaut wäre, und wenn auch die Hitzequellen im Relaiskörper (hauptsächlich bei der Spule) symmetrisch angeordnet bzw. aufgebaut wären. In der Praxis ist die Symmetrie aber leider nicht möglich, so dass eben eine Störspannung auftritt.
Je nach Art und Weise des Einsatzes eines Relais kann seine Leistungsfähigkeit durch den Anwender auch noch herabgesetzt werden. Wird das Relais zum Beispiel auf einer Leiterplatte eingesetzt, die in sich selbst ein Temperaturprofil aufweist, so wird dies eine zusätzliche Thermospannung verursachen. Befindet sich das Relais auf einer Leiterplatte, und diese weist über ihre Fläche eine Temperaturdifferenz auf, wird eine zusätzliche Thermospannung entstehen. Relaishersteller gehen normalerweise davon aus, dass die Thermo-spannung Null ist, wenn das Relais erstmals geschlossen wird, da bis zu diesem Zeitpunkt im Relaiskörper keine Wärmequelle vorhanden ist. Ein Temperaturprofil über die Leiterplatte (verursacht durch die Anwesenheit anderer Wärmequellen oder Zwangskühlung mit Luft) wird jedoch Thermospannung verursachen.
Bei der Entwicklung von Reed Relais mit ausgezeichnetem Thermospannungsverhalten – übrigens eine beachtliche Herausforderung – achtet man darauf, dass diese möglichst symmetrisch aufgebaut sind und hocheffiziente Spulen nutzen, damit eine Erwärmung des Reed Schalters gering gehalten werden kann. Daraus resultieren dann Relaisbauformen mit größeren Abmessungen.
Für zweipolige Relais Designs ist eine differenzielle Thermospannung angegeben. Dies ist die Spannung, die zwischen den zwei Schaltern (in einem Gehäuse) erzeugt wird. Bei einem als einigermaßen symmetrischen Relais Design ist die Spannung über beiden Schaltern gleich groß. Somit kann die differenzielle Spannung für das Relais wesentlich kleiner sein. Differenzielle und massebezogene Angaben der Thermospannung (EMF) sollte man nicht direkt miteinander vergleichen oder verwechseln.
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