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Trockene Luft – Fluch und Segen?

Sicher Entfeuchten in der Elektronikfertigung
Trockene Luft – Fluch und Segen?

In 4.053 Metern Höhe auf einem antarktischen Plateau Namens „Ridge A“, liegt einer der nicht nur stillsten und kältesten, sondern auch einer der trockensten Fleckchen auf unserer Erde. Aber es gibt noch weitere „natürliche“ sehr trockene Orte auf unserer Erdoberfläche, wie etwa in Piado/Chile, wo es zum ersten Mal nach einer längeren Unterbrechung von 91 Jahren im Jahre 1936 wieder regnete.

Dipl.-Ing. Frank Schimmelmann & Stefan Meißner, ULT AG

Bei der Fertigung elektronischer Baugruppen und Verarbeitung von Bauteilen muss es nicht immer so trocken sein, dennoch ist bei bestimmten Prozessen eine geringe Feuchte der Prozessluft von großem Vorteil und unabdingbar für die Langlebigkeit und Funktionalität von Flachbaugruppen.
Die angestrebte Trockenheit der Prozessluft in der Elektronikfertigung muss unterschiedlich betrachtet werden. Während des Fertigungsprozesses spielt die Luftfeuchte eine eher untergeordnete Rolle. Baugruppen werden je nach Bearbeitungs-Station mal höherer, mal geringerer Luftfeuchte ausgesetzt. Während der Lagerung – vor allem der Langzeitlagerung elektronischer Komponenten und Leiterplatten − stellt die Luftfeuchtigkeit jedoch die größte Gefahr dar. Sie beeinflusst zwei Risiken: Oxidation und Diffusion der zum Teil sehr hochwertigen Flachbaugruppen und Leiterplatten.
Baugruppen, die etwa für die Automobilindustrie oder Luft- und Raumfahrt produziert werden, sind in vielen Fällen mit einer Schutzlackierung gegen Korrosion und Oxidation überzogen. Was ist jedoch mit Baugruppen ohne oder nur partieller Schutzlackierung?
Ein weiteres immer häufiger anzutreffendes Phänomen in der Elektronikfertigung, hervorgerufen durch die Halbleiterindustrie, ist der sogenannte „Last Buy“. Das bedeutet, dass einzelne Bauteile oder komplette Baugruppen für eine zukünftige Verfügbarkeit langfristig gelagert werden müssen, teilweise über eine Dauer von mehr als zehn Jahren. Den stärksten negativen Einfluss auf die Langzeitlagerung hat dabei die Luftfeuchtigkeit, denn Bauelemente und Leiterplatten sind bei auftretender Oxidation häufig nicht mehr lötbar.
Die Luftfeuchtigkeit bedingt ebenfalls die Diffusion: Das Eindringen von Wasserdampf und Luftschadstoffen in die innere Struktur von Bauteilen oder -gruppen kann in diesem Fall sogar soweit führen, dass sich Leiterzüge und Isolierschichten langfristig zersetzen.
Häufig anzutreffende Lösungen sind Trockenschränke oder Feuchtigkeitsbeutel. Trockenschränke punkten mit dauerhaft konstanten Luftfeuchteregelungen und auch optimal eingestellten Temperaturen. Doch sind die Beschaffungskosten meist hoch, zudem bieten sie beschränkte Kapazitäten. Feuchtigkeitsschutzbeutel benötigen ein Vakuum und müssen mit Stickstoff geflutet werden. In diesem Fall wird auch nur die Oxidation der Metalloberflächen für kurze Zeit verhindert.
Für Produzenten großer Mengen an Baugruppen sind beide Lösungen eher impraktikabel. Es bedarf also einer aufbereiteten trockenen Luft bei der Lagerung bestückter Leiterplatten und Bauelementen. Nur so können Hersteller eine optimale und sichere Qualität für die Weiterverarbeitung und den Verbraucher gewährleisten.
Sorptive Prozesse zur Lufttrocknung
Um den Restfeuchtegehalt der Luft auf ein Minimum zu reduzieren sind sorptive Prozesse notwendig. Abhängig von Metall und Legierung liegt die kritische Grenze bei ca. 40 % relativer Feuchte. Darüber findet zunehmend eine Oxidation mit atmosphärischem Sauerstoff statt. In diesen Bereichen der Prozesslufttrocknung besteht keine große Auswahl an Anlagen, die sehr niedrige Restfeuchtegehalte für Trocknungsprozesse erreichen.
Als besonders wirkungsvoll erweist sich hier die Verwendung von Rotationsentfeuchtern. Dabei wird der feuchte Luftstrom durch ein rotierendes mit Adsorptionsmittel beschichtetes Sorptionsrad geleitet und getrocknet. Auf der Gegenseite wird das Rad regeneriert, um das kontinuierliche Aufbereiten der zu trocknenden Luft oder Prozessgase effektiv zu gewährleisten. Die Wassermoleküle in der angesaugten Luft werden gleichzeitig mittels Desorption kontinuierlich durch Wärme aus dem Adsorptionsmittel heraus getrieben und als Adsorbat in einem separaten Luftstrom aus der Anlage in die Außen-Atmosphäre geführt. Durch Erweiterung der Anlagentechnik, beispielsweise mit Vor- und Nachkühlermodulen, können Taupunkte (Tp) bis zu −65 °C und somit eine relative Prozessluftfeuchte von 0,05 % erreicht werden. Diese enorm niedrigen Taupunktanforderungen werden zur Lagerung elektronischer Güter nicht unbedingt gefordert – es sei denn, es wurden spezielle Materialien verwendet, die nur unter diesen Bedingungen gelagert werden dürfen.
Adsorption von Wasserdampf
Die Luft ist ein Gasgemisch. Eines dieser Gase ist Wasserdampf. Die Menge an Wasserdampf, die in der Luft enthalten sein kann, ist begrenzt. Je wärmer die Luft, desto höher der Anteil des Wasserdampfes. Die relative Luftfeuchtigkeit gibt an, wie viel Prozent des maximalen Wasserdampfgehaltes die Prozessluft enthält. Da der maximale Wasserdampfgehalt mit steigender Temperatur zunimmt, fällt die relative Luftfeuchtigkeit mit steigender Temperatur und umgekehrt. Die Taupunkttemperatur wird als die Temperatur definiert, bei der die Luft mit einem maximalen Wasserdampfgehalt in der Prozessluft (100 % relative Luftfeuchtigkeit) gesättigt ist. Diese Temperatur muss bei konstantem Druck unterschritten werden, um Wasserdampf zu kondensieren. Die Taupunkttemperatur ist eine von der aktuellen Temperatur unabhängige Größe. Aus Temperatur und relativer Luftfeuchte bzw. Taupunkttemperatur lässt sich der absolute Feuchtegehalt der Luft in Gramm Wasserdampf pro Kubikmeter ausrechnen. Als technische Adsorptionsmittel dienen hochaktive hygroskopische, d.h. physikalisch wasserbindende technische Adsorptionsmittel, z.B. Kieselgel (Silikagel, SiO2), Zeolithe sowie technische Molekularsiebe. Es gibt aber auch noch andere weniger gängige Trocknungsmittel, die je nach Eigenschaften des zu trocknenden Gases ihre Anwendung in anderen Bereichen finden: Calciumsulfat, Kaliumcarbonat und Aluminiumoxid. Diese können allerdings relativ schwer wieder regeneriert werden. Da Silikagel in Bezug auf die Entzugsleistung der Wassermoleküle aus der Prozessluft und auf die Regenerierbarkeit mit Wärme (Desorption) durchaus gute physikalische reversible Eigenschaften besitzt, wird diese Variante meist auch effektiv und zielführend eingesetzt.
Trocknen und Filtern der Umgebungsluft
Eine seit kurzem verfügbare Lösung für extrem trockene Umgebungsluft stellt das System ULT Dry-Tec der ULT AG dar. Das neuartige modulare Systemkonzept ermöglicht das Erreichen von Taupunkttemperaturen bis zu −65 °C (Tp).
Zur ULT Dry-Tec Produktmodulserie gehören das Sorptionsmodul Dry-Tec für Adsorption und Desorption innerhalb des Systems, das Vorkühlermodul Cool-Tec V und das Nachkühlermodul Cool-Tec N. Die Vor- und Nachkühlermodule können optional mit unterschiedlichen Filterelementen entsprechender Filterklassen (G, M oder F bzw. auch H) ausgerüstet werden. So erreicht der komplette Trocknungsprozess die geforderte niedrige relative Feuchte (r. F.) und auch der Prozessluftstrom am Ein- oder Austritt der Modulanlage bleibt so nahezu partikelfrei mit positivem Einfluss auf das Verhindern von Diffusionsprozessen. Mit einem optimierten Luftführungskonzept durch das Innere der Trocknungsmodule ist ein effizienter Betrieb mit sehr geringen internen Druckverlusten möglich. Zu dem modularen Entfeuchtungskonzept gehören regelbare Ventilatoren für den Prozessluftstrom und den Regenerationsluftstrom. Optional steht eine integrierte Wärmerückgewinnung innerhalb des Desorptionskreislaufes des Regenerationsvolumenstroms zur Verfügung.
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