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Fraunhofer IPA: Automatisierung der Automatisierung

Optimierungspotenzial im SMT-Materialmanagement durch Datenanalyse
Automatisierung der Automatisierung

Viele Gründe sprechen für die Automatisierung: etwa die Reduktion der Produktkosten, die Steigerung von Produktivität oder Qualität aber auch die Sicherung von Arbeitsplätzen. Obwohl die Automatisierungstechnik durch die Digitalisierung, durch Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelle Lernverfahren (ML) in den vergangenen Jahrzehnten große Fortschritte gemacht hat, sind längst nicht alle Prozesse in der Produktion automatisiert. Häufig sind die Prozesse selbst und das Entladen der Maschine automatisiert, da hier definierte (und damit automatisierungsfreundliche) Verhältnisse herrschen. Der Materialfluss zwischen diesen hochautomatisierten Inseln geschieht hingegen oftmals noch manuell.

Dr.-Ing. Werner Kraus, Abteilungsleiter Roboter- und Assistenzsysteme, Fraunhofer IPA, Stuttgart

Die Automatisierung dieses Materialflusses zwischen den Inseln mit dem Ziel einer flexibel automatisierten, verketteten Produktion ist komplex: Die Automatisierung scheitert hierbei an den Integrations- und Umrüstaufwänden, die wegen der Individualisierung von Produkten (gesellschaftlicher Megatrend) und Produktion (Industrie 4.0) exponentiell zunehmen. So macht beispielsweise der Roboter selbst häufig nur rund 25 Prozent der Gesamtinvestition in ein Robotersystem aus. Der weit größere Teil sind Personalkosten für Engineering, Programmierung oder Inbetriebnahme. Gleichzeitig sind beim Umrüsten auf andere Varianten Experten gefragt. Mit der Automatisierung der Automatisierung werden diese Integrations- und Umrüstaufwände durch die Nutzung von KI und ML, von Simulationen und selbstlernenden Algorithmen gesenkt. Innerhalb dieser Vision entsteht beispielsweise der selbstkonfigurierende Griff in die Kiste, die automatische Risikobeurteilung und die autonome Verkettung von Prozessstationen mittels fahrerlosen Transportsystemen (FTS). Durch die Kombination dieser Technologien entsteht für die SMT-Montage eine Prozesskette vom Greifen der SMT-Rollen im Lager über den autonomen Transport mittels FTS bis hin zur Rüstplanung der SMT-Linie und anschließender Qualitätssicherung. Mittels Analyse der anfallenden Daten können Potenziale der Gesamtanlageneffektivität (OEE) identifiziert werden.

Nutzen anhand der autonomen Materialversorgung mit FTS

Die maximale Auslastung von Prozessstationen in Abhängigkeit der jeweils anliegenden Produktionsaufträge ist nur durch die flexible Verkettung der einzelnen Stationen mittels autonomer FTS möglich. Gleichzeitig reduziert sich durch den bedarfsgerechten Materialfluss die Anzahl der Pufferlager. Werden für den optimalen Ablauf dennoch temporär Zwischenpuffer benötigt, können dafür auch fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF) verwendet werden. Mit der Navigationslösung „Navigation on demand“ (NODE), die am Fraunhofer IPA entwickelt wurde, können FTF unterschiedlicher Hersteller koordiniert und durch eine kontinuierlich aktualisierte Karte der Fertigungsumgebung in der Cloud auch in hochdynamischen Produktionsumgebungen autonom navigieren.

Automatische optische Inspektion der SMT-Montage

Im Bereich der Qualitätssicherung in der SMT-Montage haben Wissenschaftler vom Zentrum für Cyber Cognitive Intelligence CCI am Fraunhofer IPA bei einem Quick Check mit der Firma Pilz Potenzial für den Einsatz von ML in der automatischen optischen Inspektion aufgezeigt. Um keine Fehler zu übersehen, wurde das bisherige Bildverarbeitungssystem sehr konservativ eingestellt und erkannte deshalb auch viele Pseudofehler. Die aussortierten Bauteile müssen also manuell geprüft werden und stellen sich in den meisten Fällen als makellos heraus. In dem Quick Check konnten die Forscher nachweisen, dass die Klassifizierungsleistung eines neuronalen Netzes die des konventionellen Systems deutlich übersteigt. Die manuelle Nachprüfung fällt dadurch weniger aufwendig aus.

Potenzialanalyse eines selbstlernenden Rüstkonfigurators

Um eine Rüstkonfiguration für eine SMT-Produktionsanlage zu erhalten, werden mit einer gegebenen Software aktuelle Aufträge eingelesen und daraus eine bestimmte, notwendige Mindestanzahl an Rüstungen generiert. Derzeit erfolgt eine manuelle Reduktion der Auftragsmenge, bis die verwendete Software lediglich eine Rüstung wiedergibt. Diese manuelle Reduktion basiert auf langjährigem Erfahrungswissen, was teilweise nicht in den Daten abgebildet ist. Ein maschinelles Lernverfahren soll eine Untermenge aus einer Auftragsmenge bilden, sodass die gegebene Software ausschließlich eine Rüstung wiedergibt. Der generelle Ansatz erfolgt über bestärkendes maschinelles Lernen, das sogenannte Reinforcement Learning. Dadurch können optimalere Auftragsuntermengen entdeckt werden, als durch Mitarbeiter vorgegeben. Die Potenzialanalyse wurde in Zusammenarbeit mit der Siemens AG erstellt.

Anlagenoptimierung mittels Datenanalyse aufgezeigt

Mit einer datengetriebenen Produktivitätsanalyse, die basierend auf Sensorsignalen der Anlagensteuerung oder optional auf zusätzlicher externer Sensorik basiert, sind Wissenschaftler vom Fraunhofer IPA in der Lage, bei sehr schnell taktenden Anlagen die Ursachen für Produktivitätsverluste aufzudecken. Diese können wegen der hohen Dynamik oder der komplexen Wirkungsketten mit dem bloßen Auge unmöglich entdeckt werden. Dabei modellieren die Forscher zunächst den Prozess und stützen sich dabei auf die Realdaten. Anschließend decken sie mit ihrer Root-Cause-Analyse problematische Schritte innerhalb des Prozesses auf. Die Ursachen für Abweichungen vom Idealprozess, wie beispielsweise Leistungsverluste, können sie dann automatisiert bis auf die Komponentenebene zuordnen. Mit diesem Ansatz haben die Wissenschaftler bei Kunden aus der Pharma- und Automobilindustrie, die komplex verkettete Anlagen betreiben, bis zu zehn Prozent Optimierungspotenzial für die OEE aufgedeckt.

www.ipa.fraunhofer.de


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