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Herausforderungen an die Qualitätssicherung sowie die Langzeit-Zuverlässigkeit der Baugruppen

Problem der manuellen Baugruppen-Reinigung
Herausforderungen an die Qualitätssicherung sowie die Langzeit-Zuverlässigkeit der Baugruppen

Seit Jahrzehnten werden zur manuellen Reinigung in der Reparatur und Nacharbeit von Elektronikbaugruppen Pinsel verwendet, getränkt mit Isopropylalkohol (IPA). Dieser Alkohol ist billig, leicht zu beschaffen und relativ sicher im Umgang. Ähnlich beim Einsatz von Pumpsprühflasche und Pinsel, beide sind billig und der Umgang damit einfach. Jedoch sind stets das Ergebnis solcher Prozeduren unsaubere Baugruppen mit unsicherer elektrischer Zuverlässigkeit. Cheryl Tulkoff, Zuverlässigkeits-Expertin mit mehr als 20-jähriger Erfahrung, beleuchtet diese längst überholte Methode, die verhindert, dass manuell gereinigte Baugruppen höchste Anforderungen in Qualität und Zuverlässigkeit erfüllen können.1)

Die Prozesskontrolle stellt erfahrungsgemäß beim Reinigen von Baugruppen die größte Schwachstelle dar, unabhängig davon, ob es sich um manuelle oder automatische Reinigungsprozeduren handelt. Das rasche, zuverlässige und kostengünstige Entfernen von Verunreinigungen ist nach wie vor ein großes Problem der Hersteller, um hohe Zuverlässigkeit ihrer Baugruppen sicherzustellen.

Seit vielen Jahrzehnten werden Boards manuell auf folgende Weise gereinigt: Pinsel mit Lösung tränken bzw. darin eintauchen und damit die Verunreinigung wegpinseln (deswegen oft Dip&Brush genannt). Man verwendet eine kostengünstige Reinigerflüssigkeit (zumeist Isopropylalkohol IPA) und braucht nur noch Pinsel sowie Pumpsprühflasche zum Aufbringen der Flüssigkeit aufs Board. Doch diese alt hergebrachte Methode hat deutlich unübersehbare Nachteile.

Größter Nachteil hierbei ist, dass praktisch keine sichere Prozesskontrolle möglich ist. Einige Mitarbeiter drücken den Pinsel fester an, manche weniger. Man kann außerdem viel Reiniger aufbringen oder auch das Board kaum benetzen und was dergleichen Variationen noch sind. Doch am wichtigsten dabei ist, dass man die gelösten Verunreinigungen nicht abspült. Die Boards sind nach dieser Pinsel-Reinigung immer noch klebrig vom Flussmittel. Das heißt also auch, die hoch korrosiven Fluxer-Halogenide bleiben auf dem Board zurück und können dort später Ausfälle verursachen, zudem verbleiben auf der Baugruppe unerwünschte weiße Rückstände (Salzkristalle). Hilfreich ist, sich in diesem Zusammenhang an die bewährte Erfahrung zu erinnern, die da lautet: Was man nicht spülen kann, kann man auch nicht zufriedenstellend reinigen.

Möglicherweise war diese Art der manuellen Reinigung vor vielen Jahren ausreichend, denn Abstände auf den damals einfacheren Boards waren größer und die Komponenten auch weniger empfindlich oder diffizil wie heute. Doch nun mit neuen Fluxerformulierungen und Lotpasten, wesentlich komplexeren Leiterplattendesigns und filigranen Bauteilen sind sowohl Reinigungseffizienz als auch Kostenvorteile mit der alten Methode nicht mehr gegeben, im Gegenteil. Klar ist, die heute heiklen und anspruchsvollen Elektronikboards müssen auch manuell sehr zuverlässig und sicher gereinigt werden.

Wie die Reinigungsexpertin Cheryl Tulkoff festgestellt hat, die das Thema verfolgt: „Verunreinigungen sind einer der Hauptverursacher von später auftretenden Defekten beim Anwender, seien es Korrosionseffekte, elektrochemische Migration oder Verstoß gegen ECM-Zertifizierung. Fehler, die auf Verunreinigungen zurückgehen, sind häufig von intermittierender Art. Solche nur unregelmäßig auftretenden Funktionsstörungen sind von den Servicemitarbeitern nicht immer erkennbar, sie heilen‘ sich sozusagen manchmal auch selbst und sind deshalb oft sehr schwierig zu diagnostizieren.“

In ihrem Vortrag ‘To kill a circuit board: Perils in manual soldering and cleaning processes’ stellte Cheryl Tulkoff zur SMTAi Expo im August/September 2017 folgendes klar: „Manuelle Lötprozesse und Reinigungen gehören zu den am wenigsten kontrollierten Arbeiten in der Fertigungskette von Elektronikbaugruppen. Daraus ergeben sich besondere Herausforderungen an die Qualitätssicherung sowie die Langzeit-Zuverlässigkeit der Baugruppen.“

Zwei wichtige Änderungen sind nötig, damit am Arbeitsplatz bessere manuelle Reinigungsprozeduren stattfinden können. So sollte für jeden dieser Prozesse eine spezifische Menge von Reinigungsmaterial für die Aufgabe definiert werden und zudem ist die Qualität des Lösungsmittels zu überwachen. Vor diesem Hintergrund liegt auf der Hand: Verunreinigte Reinigerlösungen und abgenutzte Pinsel sind für qualitativ zuverlässige manuelle Reinigungsarbeiten wirklich nicht die geeigneten Hilfsmittel.

Reinigung zur Langzeit-Zuverlässigkeit für Baugruppen

Vielmehr beruht die optimale Reinigung für eine Baugruppe immer auf einem automatischen Prozess, beispielsweise in einer Dampfphasenreinigungsanlage. Damit erreicht man stets zuverlässig gereinigte Boards. Jedoch ist oft während Rework oder Reparaturen eine automatische Reinigung nicht möglich. Der Fertigungsmitarbeiter am Arbeitsplatz benötigt eine rasche, kostengünstige und leicht anwendbare Methode. Die beste Möglichkeit ist hier der Einsatz eines exakt gesteuerten Dispensingsystems.

Wie Cheryl Tulkoff schreibt, „Für die manuelle Entfernung von Flussmittelrückständen wird heute ein vierteiliger Prozess empfohlen, der aus Benetzung, Abbürsten, Spülen und Trocknen besteht. Mit einem genau arbeitenden Dispensingsystem für die Reinigerflüssigkeit kann man dabei Durchfluss und Volumen bestens kontrollieren.“

Die Verwendung von einem exakt gesteuerten Dispensingsystem, das direkt an den Aerosol-Behälter angeschlossen ist, stellt den Schlüssel für die Prozesskontrolle dar. Mit dieser Methode erzielt man auf schnelle Weise bessere Reinigungsergebnisse mit weniger Ausschuss als bei den bisherigen Verfahren. Dieses Werkzeug verhilft zu einem zuverlässigen Reinigungsprozess am Arbeitsplatz, der leicht dokumentiert und standardisiert werden kann. Dies gilt sogar für Kriterien entsprechend der ISO-Standards, womit insgesamt die Qualität einer Baugruppe verbessert wird.

Zusätzlich anzumerken ist, dass Mitarbeiter bei Einsatz einer gesteuerten Dispensingeinheit deutlich weniger Reinigerflüssigkeit verwenden. Nachdem der Reiniger immer frisch und rein ist sowie nur auf die benötigten Stellen in der richtigen Menge aufgesprüht wird, ist das logisch erklärbar. Ein Übersprühen von zu großen Flächen wie bei herkömmlichen Hochdruck-Aerosolgebinden wird vermieden, somit wird auch kein Reiniger verschwendet. Und die benötigte Menge für eine Reinigungsaufgabe kann außerdem leicht bestimmt werden. Somit ist es möglich, einen Reinigungsprozess zu definieren bei dem der exzessive Gebrauch von Lösungsmitteln vermieden wird und auch die unerwünschte Verteilung von Fluxerresten quer über das Board der Vergangenheit angehört.

Ein weiterer Vorteil der Dispensingeinheit ist die Vermeidung von bisher ungenutzten Resten der Reinigerflüssigkeit im Kanister, denn das System ist in der Lage, sprichwörtlich auch den letzten Tropfen zu verwenden. Zu diesem Kostenvorteil kommt noch hinzu, dass solche wirklich geleerten Blechkanister ziemlich einfach und kostengünstig dem Recycling zugeführt werden können, denn eventuelle Reinigerreste müssen nicht aufwendig und teuer entsorgt werden.

Die Kernaussage für eine bessere Methode beim manuellen Reinigen erscheint mithin leicht verständlich: Muss man Baugruppen am Arbeitsplatz effizient, sicher und zuverlässig reinigen, ergibt sich mit dem vierteiligen Prozess die richtige Vorgehensweise: Erst benetzen, dann abbürsten, spülen und trocknen. Wobei zum Auftrag der Reinigerflüssigkeit, die auf die Art der Rückstände angepasst ist, ein exakt gesteuertes Dispensingsystem eingesetzt wird. Diese Methode ist reproduzierbar und dokumentierbar. Die obsolete Prozedur mit dem Pinsel, der in Lösungsmittel eingetaucht oder sonst wie getränkt wird, ist für moderne und komplexe Elektronikschaltungen völlig ungeeignet.

www.microcare.com


Quelle

  1. Cheryl Tulkoff: To Kill A Circuit Board: Perils In Manual Soldering and Cleaning Processes. Proceedings of the SMTAi, August 2017.
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