Unter dem Motto „Chancen der Elektronikfertigung in Deutschland durch Industrie 4.0“ fand kürzlich das 2. InnovationsForum in der Kongresshalle Böblingen statt. Im Mittelpunkt der Veranstaltung von EMSNow und EPP, an der 264 Zuhörer teilnahmen, stand der Informations- und Wissensaustausch zum Erhalt und Ausbau einer wettbewerbsfähigen Elektronikfertigung in Deutschland.
Neben der zunehmenden Automatisierung gewinnt auch die Entwicklung intelligenter Systeme und autonomer Entscheidungsprozesse an Bedeutung. Dazu präsentierten dem interessierten Publikum namhafte Firmen und hochrangige Experten der Unternehmen ANS answer elektronik, ASM Assembly Systems, Asys Automatisierungssysteme, ATEcare Service, Christian Koenen, DEK Printing Machines, Ersa, Koh Young Europe, Lee, Mentor Graphics, Mydata Royonic, Rehm Thermal Systems, Seho Systems und Yamaha Motor IM Europe spezifische Systeme und Vorgehensweisen. Ferner hatten die Teilnehmer während der Pausen Gelegenheit, individuelle Aufgabenstellungen zu diskutieren. Viele nutzten die Gunst der Stunde um Erfahrungen dahingehend auszutauschen, wie sich ein Unternehmen und die komplexe Wertschöpfungskette in nahezu Echtzeit steuern und optimieren lässt.
Vierte industrielle Evolution
Zur Einleitung der Veranstaltung betonte die Moderatorin Doris Jetter, Chefredakteurin der EPP, die Bedeutung von Industrie 4.0 für Deutschland: „Wird der Wandel aktiv begleitet, lässt sich damit die Spitzenposition im internationalen Wettbewerb weiter ausbauen. Mit zunehmender Vernetzung von Produkten und Maschinen steigert sich auch die Effizienz der hier produzierenden Unternehmen und damit ihr Erfolg im globalen Wettbewerb.“ Insofern sei es wichtig, das Thema Industrie 4.0 frühzeitig einzubinden.
Anschließend erläuterte Dr. Ulrich Guddat, Porsche Consulting, das Leitmotiv der Veranstaltung. Er lud dazu ein, nicht nur die technischen Möglichkeiten zu sehen, sondern auch den Nutzen in den Vordergrund zu stellen, den Industrie 4.0 bietet. Eindringlich forderte er die Zuhörer auf, auch im eigenen Unternehmen entsprechende Wege zu diskutieren, den Nutzen zu erkennen und zu verfolgen. Ein maßgeblicher Baustein seiner Keynote war die weitere Entwicklung der vierten industriellen Evolution, die auf die Erfindung der Dampfmaschine, die Elektrifizierung und die Automatisierung folgt.
Er stellte anschaulich heraus, wie charakteristisch die zunehmende Vernetzung von Maschinen für die industrielle Evolution ist. Industrie 4.0 ermöglicht den Dialog der Maschinen innerhalb einer Fertigung und damit eine eigene und selbstständige Planung, Optimierung und Steuerung. „Genau darin liegen aus meiner Sicht die großen Chancen von Industrie 4.0“, sagt Guddat. „Schließlich bringt die hochgradige Vernetzung neben der zunehmenden Automatisierung und Digitalisierung in der Fertigung neue Prozesse im Bereich der Entwicklung, der Produktion und im Service mit sich.“
Beim anschließenden Roundtable diskutierte Dr. Eric Maiser, Geschäftsführer Fachverband Productronic im VDMA, mit den Teilnehmern Pierre Ball (Lacroix Electronics Solutions), Dipl.-Ing. (FH) Jürgen Friedrich (Ersa), Hubert Egger (ASM Assembly Systems) und Jürgen Lehner (Asys Automatisierungssysteme) sowie dem Keynote-Sprecher Dr. Ulrich Guddat die Frage, wie sich mit Industrie 4.0 die Wettbewerbsfähigkeit der Elektronikfertigung in Deutschland erhalten, wenn nicht sogar steigern lässt.
Die Teilnehmer der Diskussionsrunde waren überzeugt, Deutschland ist auf einem guten Weg. Außerdem sahen sie mit Industrie 4.0 ein Werkzeug, um dem demografischen Wandel und dem Fachkräftemangel erfolgreich begegnen zu können. Jedoch bestehe auch Handlungsbedarf im Bereich der Standardisierung, sollen Maschinen zukünftig unabhängig vom Hersteller übergreifend miteinander kommunizieren können.
Herangehensweise an die Umsetzung
Die Reihe der Vorträge startete Hans-Jürgen Lütter, Geschäftsführer ANS answer elektronik mit Ausführungen über die vielfältigen Anforderungen an das Fertigungsprofil, die Ausrüstung und die Mitarbeiter. Dabei zeigte er Lösungen auf, die zur Wettbewerbsfähigkeit in der Elektronikfertigung beitragen. Die Beispiele dazu umfassten die gesteigerte Bestückungsleistung durch reduzierte Rüstzeiten sowie Neben- und Zusatzaufwendungen aus der Produktionsvorbereitung plus Flexibilitätskriterien, die Auswertung und Nutzung von Prozessparametern und die Dokumentation.
Mit dem zweiten Vortrag präsentierte Harald Grumm, Leiter Applikation von Christian Koenen, interessante Informationen zum Thema Schablonendruck. Der Vortrag umfasste neben der Beschriftung auch den Produktionsprozess und behandelte zudem die Problematik Reinigungsvliesqualität. Dabei stellte er heraus, wie sich unter Berücksichtigung einzelner Parameter im Vorfeld und während der Fertigung Kosteneinsparungen realisieren lassen.
Anschließend erläuterte Hubert Egger, Siplace Product Marketing Manager Software von ASM Assembly Systems, die ideale Kommunikation zwischen Cyber Physical Systems. Er ging auf die Voraussetzungen für geeignete Schnittstellen zur Vernetzung von Maschinen und Anlagen unterschiedlicher Anbieter ein und beleuchtete die Möglichkeiten einer schnellen Verarbeitung großer Datenmengen als auch diverse Lösungen für die SMT-Fertigung.
Jürgen Lehner, Product Manager Handling von Asys Automatisierungssysteme zeigte bildhaft, wie sich mit einem Tablet-PC mit der Software ‘Puls Mobile Line Assist’ ein Überblick über die gesamte Fertigungslinie sicherstellen lässt. Das Assistenzsystem visualisiert den Status aller Anlagen und informiert den Bediener anhand einer nach Priorität sortierten Liste über anstehende Tätigkeiten. Mit dem Gerät lassen sich zudem Linien zentral steuern.
Der Vortrag von Olaf Römer, ATEcare Service, befasste sich mit den notwendigen Voraussetzungen für eine intelligente Produktion. Der Geschäftsführer referierte über die Integration bereits bestehender Systeme, Geräte und Technologien und erläuterte anhand von Beispielen das Zusammenwirken vernetzter Prozesse und Analysemöglichkeiten. Er betonte die vorhandene Option zur schrittweisen und kostengünstigen Einführung von Industrie 4.0.
Nach einer Pause folgte der Beitrag von Jens Katschke, Business Development Alternative Energy & Solutions Engineering Manager Europe von DEK Printing Machines. Er ging der Frage nach, wie sich die Produktionskosten durch intelligente Vernetzung von Druckern mit Hilfe von Software wie ProDEK und MES (Manufacturing Execution System) reduzieren lassen. Dazu präsentierte er den Zuhörern Wege für eine horizontale und vertikale Vernetzung, zur Identifizierbarkeit von Produkten und Materialien sowie zur Definition von Schnittstellen.
Die Thematik der Datenerfassung und Datenverarbeitung behandelte Jürgen Friedrich, Leiter Anwendungstechnik von Ersa. Er ging auf die Belastbarkeit erhobener Daten ebenso ein wie auf die unterschiedlichen Formen der Interpretation von Daten. Ferner referierte er über die Zielsetzung, mittels Datenerfassung Probleme rechtzeitig erkennen zu können und durch ein vorzeitiges Eingreifen Ausfälle zu vermeiden. Außerdem zeigte er auf, wie sich anhand sinnvoll zusammengeführter und verknüpfter Daten Abläufe und Aktionen beschleunigen lassen. Harald Eppinger, European Sales Manager von Koh Young Europe setzte sich mit der Frage auseinander, wie die high-end Elektronikbrache ihren Wettbewerbsvorteil aufrechterhalten kann. Dazu führte er ins Feld, wo die kontinuierliche Prozessbeobachtung der Automatisierung ansetzen muss, um den Menschen zu entlasten, die Produktivität zu optimieren und den Aufwand zu minimieren. Er hob Kriterien hervor wie etwa eine schnelle Reaktion auch bei neu einzuführenden Produkten. Die Automatisierung sei dabei der Ansatz zum Ergebnis, da Maschinen damit klare und eindeutige Entscheidungen treffen können.
Den letzten Vortrag vor der nächsten Pause hielt Heike Schlessmann, Leiterin Technisches Marketing, Seho Systems. Sie sprach über ein Steuerungskonzept zur Prozesskontrolle. Sie erläuterte, wie im Selektivlötprozess mit sehr, sehr kleinen Strukturen der Einsatz der intelligenten Software bei gleichbleibend hoher Qualität die Produktionskosten senkt.
Nach der Kaffeepause startete Bjorn Thordsen, Business Manager für EMEA von Mentor Graphics die letzte Session. Er erläuterte in seinem Vortrag die Möglichkeiten, die Industrie 4.0 für die ERP Integration bietet und wie diese mit einer sogenannten ‘Live Production Planning Engine’ verwirklicht werden kann. Dabei ging es um optimierte Pläne auf Basis des aktuellen Kundenbedarfs wie auch um aktuelle Änderungen der Nachfrage. Das System erlaubt es, verfügbare Ressourcen und Materialien an aktuelle Fertigungsaufträge anzupassen.
Nico Coenen, Global Sales Director Jet Printing, von Mydata Royonic, stellte mit seinem Vortrag ein Jetprinting Verfahren für den berührungslosen Pastenauftrag vor. Er zeigte auf, wie der Prozess die Anforderungen einer High-Mix-Bestückung von kleinen und großen Bauformen erfüllt.
Lösungen für thermische Systeme zeigte im Anschluss daran Dr. Hans Bell, Entwicklungsleiter von Rehm Thermal Systems. Angefangen bei einem Produkt für die Rolle-zu-Rolle-Fertigung von MID basierte Mikrosystemen über SSP (Speed Switch Process) bis hin zu ganzheitlichen Konzepten wie etwa die Mehrfachnutzung von Stickstoff für die Prozesswasserkühlung und die Kühlung von Reflowanlagen.
Schließlich erläuterte Ulf Neyka, Vertriebsleiter für den deutschsprachigen Raum von Yamaha Motor IM Europe, Strategien für eine effektive und flexible End-Bestückungs-Automatisierung. Er zeigte, wie sich ungeordnet liegende Bauteile, geliefert als Schüttgut, in Beuteln, Boxen oder auf Paletten maschinelle handhaben lassen.
Zum Abschluss des Innovationsforums fasste Doris Jetter mit Heike Schlessmann, Olaf Röhmer, Jens Katschke und Michael Hanke, Vertriebsleiter von Rehm Thermal Systems, die Eindrücke zusammen, die sie zum Thema Industrie 4.0 gewonnen hatten. Die Gesprächspartner hoben die bereits erreichten Fortschritte der industriellen Evolution hervor, stellten aber zugleich fehlende Schnittstellen heraus. Außerdem waren sich die Teilnehmer der Abschlussdiskussion einig, der Einsatz von Arbeitskräften ist trotz aller Automatisierung auch zukünftig ein wichtiges Kriterium.
Die Verlosung eines iPads beendete schließlich das 2. Innovationsforum. Gewonnen hat Ralf Zientek, Fertigungstechnologe der Siemens AG in Essen. Sowohl die Teilnehmer als auch die Sponsoren waren mit dem informativen Programm sehr zufrieden. Somit können alle bereits heute auf das nächste InnovationsForum am 12. März 2015 gespannt sein.
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