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Testlösungen für Leistungshalbleiter erweitert

Interview mit Michael Stichlmair, Chairman of the Board von Crea Srl.
Testlösungen für Leistungshalbleiter erweitert

Die Nachfrage nach Leistungs-ICs zur effizienten Stromversorgung für unter anderem Elektrofahrzeuge hat sich erhöht. Die Hersteller beschleunigen die Entwicklung von neuen Leistungs-ICs aus Siliziumkarbid (SiC) und Galliumnitrid (GaN), die über bessere Leistungsmerkmale verfügen. Nach der Advantest Übernahme des italienischen Unternehmens CREA (Collandi Elettronici Automatizzati) als Hersteller für Testsysteme für Leistungshalbleiter im Juni 2022 wollte die Redaktion der EPP, Doris Jetter, mehr von Michael Stichlmair darüber wissen, wie Advantest diese Übernahme zu nutzen weiß und wo der Kundennutzen liegt.

Redaktion EPP: Herr Stichlmair, was ist ein Leistungshalbleiter und wofür wird er verwendet?

Michael Stichlmair: Ein Leistungshalbleiter ist ein elektronischer Schalter, der in der Lage ist, hohe Ströme bei hohen Spannungen zu schalten. Der Einsatz von schnell schaltenden Leistungshalbleitern ermöglicht die Realisierung von effizienter Leistungselektronik. Dazu gehören u. a. Frequenzumrichter für elektrische Antriebe, Wechsel- und Gleichrichter in der Energietechnik (z. B. in der Photovoltaik) sowie Schaltnetzteile aller Art.

Redaktion EPP: Welche Kenngrößen sind bei der Auswahl eines Leistungs-halbleiters besonders wichtig?

  • Michael Stichlmair: VDS,max/CE,max, maximale Drain-Source- bzw. Kollektor-Emitter-Spannung: limitiert die maximal nutzbare Zwischenkreisspannung im System. ID,max, maximaler Drain-Strom: bestimmt den maximalen möglichen Ein-/Ausgangsstrom der Anwendung. RDS,on, Durchgangswiderstand: bestimmt die Durchlassverluste und ist damit maßgeblich für die Effizienz.

Redaktion EPP: Was bedeutet die Durchbruchsspannung bei einem Halbleiter und warum ist sie wichtig?

Michael Stichlmair: Die Durchbruchspannung bestimmt die maximale Spannung, die an dem elektronischen Schalter angelegt werden darf. Sie bestimmt die o. g. vom Hersteller erlaubte VDS,max. Oberhalb der Durchbruchspannung wird der Halbleiter plötzlich leitend, was in der Leistungselektronik in der Regel zu einem Kurzschluss des Zwischenkreises und zur Zerstörung des Geräts führt.

Redaktion EPP: In welchen Anwendungen werden IGBTs bevorzugt und warum?

Michael Stichlmair: IGBTs waren lange Zeit für Leistungselektronikanwendungen besser geeignet als klassische MOSFETs. Sie vereinen die hohe Schaltgeschwindigkeit von MOSFETs und die hohe Strom- und Spannungsfestigkeit von Bipolartransistoren. Mittlerweile werden IGBTs dank der Verfügbarkeit von kommerziell attraktiven Siliziumcarbid- und Galliumnitrid-MOSFETs immer seltener eingesetzt. Für kostensensitive Anwendungen kann aber, je nach Leistungsklasse, ein auf IGBTs basierendes System immer noch eine gute Wahl sein.

Redaktion EPP: Welche Rolle spielen Leistungshalbleiter in der Elektromobilität?

Michael Stichlmair: Ohne Leistungshalbleiter wäre die Elektromobilität in ihrer heutigen Form nicht denkbar. Aufgrund der begrenzten Energiemenge, die in einem batterieelektrischen Fahrzeug zur Verfügung steht, ist eine effiziente Leistungselektronik unabdingbar. Eine Erhöhung der Reichweite ohne Vergrößerung der Batteriekapazität ist aus Gewichts- und Kostengründen attraktiv. Aus diesem Grund werden alle Potentiale zur Effizienzsteigerung im Antriebsstrang kontinuierlich untersucht, wozu natürlich auch die Leistungselektronik gehört.

Redaktion EPP: Wie kann man die Verlustleistung in einer Leistungshalbleiterschaltung minimieren?

Michael Stichlmair: Die Verlustleistung in der Leistungselektronik setzt sich aus Durchlass- und Schaltverlusten zusammen. Während die Durchlassverluste durch größere Leistungsmodule reduziert werden können, ist bei den Schaltverlusten eine moderne Technologie erforderlich. Der Wechsel von IGBTs zu schnell schaltenden Siliziumcarbid SiC- oder Galliumnitrid GaN-FETs ist der notwendige Schritt, der derzeit vollzogen wird.

Redaktion EPP: Wo liegen die Herausforderungen beim Test von Halbleitern?

Michael Stichlmair: Sehr hohe Ströme und hohe Spannungen erfordern einen absolut zuverlässigen Aufbau und Schutzvorrichtungen, um die Gesundheit von Ingenieuren und dem Bedienpersonal zu sichern.

Die Herausforderungen beim Test von Leistungshalbleitern hängen von den Anforderungen an hohe Ströme und Spannungen ab. Heutzutage benötigen einige Bauelemente der neuesten Technologie fast 20 KA im Kurzschluss bei 1600 V. Der AC-Leistungstest wird mit der Doppelimpuls-Methode durchgeführt, die sehr schnelle Impulse für das Gate des Bauelements erfordert. Der Ausgang schaltet und alle Zeitinformationen müssen in Echtzeit erfasst und verarbeitet werden, um die Energieverluste zu analysieren.

Redaktion EPP: Welche Systeme bietet Advantest dafür an?

Michael Stichlmair: CREA – eine 100-%-ige Tochtergesellschaft der Advantest Corporation – bietet eine Reihe von Lösungen für den Statischen und den Dynamischen Test an. Diese sind sowohl für den Wafertest als auch für den Finaltest geeignet. Besonders hervorzuheben ist der Kurzschlusstest von SiC Transistoren. Nur CREA bietet ein System an, welches im Fehlerfall sofort die Energie im System abschaltet, bevor der Testaufbau zerstört wird. Die patentierte Probe Card I/F Lösung, PCI, bildet hier das zentrale Element.

Redaktion EPP: Wie unterscheiden sie sich im Vergleich zu Mitbewerbersysteme?

Michael Stichlmair: Advantest und CREA bieten eine äußerst zuverlässige und robuste Produktionslösung für alle Spannungs- und Strombereiche an. Unsere Ingenieure haben ihre Erfahrung in diesem Bereich in mehr als 30 Jahren aufgebaut und perfektioniert. Mit einem weltweiten Service- und Vertriebsnetz sind CREA und Advantest bereits heute überall dort vertreten, wo unsere Kunden diese Anlagen installieren und betreiben wollen.

Die CREA-Lösung wurde für den Markt der diskreten Leistungshalbleiter entwickelt. Das System bietet eine integrierte AC- und DC-Abdeckung, während unsere Wettbewerber zwei dedizierte Tester verwenden, sprich einen AC- und einen DC-Tester. Das CREA-Team unterstützt seine Kunden bei der Entwicklung der gesamten Lösung einschließlich des Kontakts (LSI-Fixture). Das CREA einzigartige IP, minimiert die Streuinduktivität der Gesamtlösung durch ein spezielles Design des Testerkontakts auf typischerweise unter 20nH. Eine niedrige Streuinduktivität ist eine zwingende Voraussetzung, um eine korrekte AC-Prüfabdeckung zu gewährleisten.

Redaktion EPP: Was kann passieren, wenn ein Leistungshalbleiter überlastet wird?

Michael Stichlmair: Bei elektrischer oder thermischer Überlastung kann dieser „durchlegieren“. Das bedeutet, dass der Schalter dauerhaft leitend wird. Je nach Anwendung kann dieser Zustand erkannt und ein Kurzschluss des Zwischenkreises verhindert werden.

Redaktion EPP: Wie schützt man Leistungshalbleiter vor Überspannungen und Überströmen?

Michael Stichlmair: In der Applikation werden wichtige Umgebungsparameter wie beispielsweise Phasenströme zur E-Maschine und die Temperatur des Leistungsteils kontinuierlich überwacht und das System bei Überlastung in seiner Leistung reduziert oder gegebenenfalls ganz abgeschaltet. Moderne Gate-Treiber für Leistungs-MOSFETs verfügen darüber hinaus über schnelle Desaturation-Detection-Schaltungen.

Redaktion EPP: Welche typischen Fehler treten bei Leistungshalbleitern auf und wie diagnostiziert man sie?

Michael Stichlmair: Bei SiC Transistoren ist die Kurzschlussfestigkeit ein entscheidendes Kriterium. Der Kurzschlusstest, welcher mit vereinzelten Transistoren (bare die) durchführt wird, erfordert im Fehlerfall eine sehr spezielle Lösung. CREA hat hierfür die patentierte Probe Card I/F PCI entwickelt, um die elektrische Energie nicht nur schnell, sondern auch sehr früh abzuschalten.

Die Erfahrung unserer Kunden zeigt, dass ein schnelles Abschalten nicht ausreicht, um den Messaufbau zu schützen. Die PCI Technology ermöglicht eine frühzeitige Fehlererkennung und schützt die Kontakteinheit, den Tester und den Handler.

Redaktion EPP: Welche Trends und Entwicklungen sehen Sie im Bereich der Leistungshalbleiter-Technologie?

Michael Stichlmair: Einige Herausforderungen der Megatrends Elektromobilität und Green Energy können nur mit Leistungshalbleitern gelöst werden. Hohe Stückzahlen mit hohen Qualitätsstandards verlangen Testanlagen, die einen hohen Durchsatz bei gleichzeitig hohen technischen Anforderungen bieten. Dieser Herausforderung hat sich Advantest mit der Übernahme von CREA gestellt und hat heute aber auch in Zukunft die richtigen Antworten.

Wie bereits besprochen, werden sich neue Materialien wie Silizumcarbid SiC oder Galliumnitrid GaN zunehmend in der Leistungselektronik durchsetzen. Die GaN-Technologie mit ihren noch kürzeren Schaltzeiten ermöglicht effizientere und kompaktere Systeme. Sie wird in Zukunft zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Redaktion EPP: Wie könnte die GaN- oder SiC-Technologie die Zukunft der Leistungshalbleiter beeinflussen?

Michael Stichlmair: Die SiC- und GaN-Technologie wird in der Welt der Leistungshalbleiter eine immer größere Rolle spielen. Beide Materialien ermöglichen Transistoren mit sehr hoher Schaltgeschwindigkeit. Durch diese Eigenschaft wird die Verlustleistung bei der Ansteuerung von Elektromotoren minimiert. Dies führt zu weniger Abwärme, ermöglicht kleine Baugrößen und erhöht entscheidend die Reichweite von E-Autos.

Redaktion EPP: Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Integration von Leistungshalbleitern in moderne elektronische Systeme?

Michael Stichlmair: Der nächste Integrationsschritt besteht darin, digitales IP in dasselbe Ökosystem wie die diskrete Stromversorgung zu integrieren. Die größte Herausforderung ist die Spannungsisolierung zwischen dem Hochspannungsteil der Batterie und des Wechselrichters und der Niederspannung des intelligenten Teils. Das Hinzufügen einer intelligenten Steuerung für das diskrete Gerät ist ein weiterer Schritt zur Verbesserung der Effizienz.

Herr Stichlmair, vielen Dank für Ihre Zeit.

www.advantest.com

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