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Robotergestützte Rüstwechsel und integrierte Materialflusslösungen, ein rasant wachsendes Portfolio an Softwarelösungen und Virtual Reality für das Training von Technikern – Technologieführer ASM zeigte auf der productronica, dass die Digitalisierung auf dem Shopfloor angekommen ist. Günter Lauber, CEO von ASM SMT Solutions, erläutert im Interview, wie sich ASM auf die Integrated Smart Factory ausrichtet.
Herr Lauber, Sie haben schon vor Jahren in integrierten Softwarelösungen den größten Effizienzhebel für die Elektronikfertigung gesehen. Wie weit ist ASM in dieser Disziplin gekommen?
Als ich das vor Jahren gesagt habe, waren wir im Kern noch ein Maschinenbauer mit Software zu deren Bedienung. Zum Vergleich: Im letzten Jahr aber haben wir deutlich mehr neue Softwarelösungen als Hardware-Innovationen vorgestellt. Das zeigt den Wandel, den wir sehr erfolgreich gemeistert haben. Wir wissen: Ohne Vernetzung und eine intelligente Steuerung von Prozessen über echtzeitfähige Software werden wir das Ziel einer effizienten, flexiblen Elektronikfertigung in der Integrated Smart Factory nicht erreichen können. Wir überlassen hier auch nichts dem Zufall und investieren massiv in den Ausbau unserer Software-Entwicklung. Darüber hinaus haben wir im Service Integrationsteams aufgebaut, die unsere Kunden bei den Themen Vernetzung und durchgängige Datenkommunikation beraten und in der Implementierung unterstützen.
Ist ASM da, wo Sie das Unternehmen haben möchten?
Wir haben enorme Fortschritte gemacht, aber ich wäre kein guter Manager und sicherlich auch keine Motivationsquelle für das ASM Team, wenn ich mich damit zufrieden geben würde. Ich sehe noch viel Potenzial, dränge auf weitere Verbesserungen und neue, innovative Produkte und Funktionen. Das gilt übrigens auch für die Hardware, also unsere Bestückautomaten, Drucker und SPI-Systeme. Ohne exzellente, schnelle und präzise Hardware kann Software ihr Potenzial nicht ausschöpfen.
Sie haben Ende 2017 in den MES-Spezialisten Critical Manufacturing investiert. Wie passt das
in Ihre Strategie?
Für uns war gerade dieses Investment in vieler Hinsicht ein wichtiger Schritt. Nicht nur weil wir hier ein großes Team produktions- und prozesserfahrener Softwareexperten zu ASM geholt haben. Sondern auch, weil Integration nicht bei den eigenen Maschinen und Lösungen enden darf. Unsere Kunden verlangen mit Recht, dass unsere Lösungen offen sind, auch mit Maschinen und Lösungen anderer Hersteller kommunizieren und alle Ressourcen in der Fertigung – also Menschen, Material, Equipment und Prozesse –perfekt synchronisieren und in effiziente Workflows integrieren. Mit Critical Manufacturing haben wir eine hochmoderne MES-Lösung und sehr viel Integrationskompetenz gewonnen. Ein herausragendes Merkmal der extrem flexiblen Softwarearchitektur bei Critical Manufacturing ist ja, dass sich das MES aus vielen, leistungsstarken Modulen zusammensetzt. So nutzen wir beispielsweise das Modul fabLIVE heute auch in vielen anderen ASM Softwarelösungen, damit unsere Kunden einen digitalen Zwilling ihrer Elektronikfertigung erstellen können. Über fabLIVE kann ich je nach Software am digitalen Zwilling den Status meiner Fertigung in Echtzeit visualisieren, Prozesse simulieren, die Produktion planen und steuern oder Predictive und Preventive Maintenance realisieren.
Stellt sich die Frage der Umsetzung. Wie weit sind in ihren Augen Elektronikfertiger beim Aufbau der Integrated Smart Factory?
Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Tatsache ist, dass wir als SMT-Lösungsanbieter zunächst viele wichtige Grundlagen entwickeln mussten. Beispiel Vernetzung von Maschinen und durchgängige Datenkommunikation – hier mussten erst Protokolle und Schnittstellen entwickelt werden. Noch heute sind wir der einzige Hersteller, der über offene Standards wie IPC CFX, IPC-HERMES-9852 und ASM OIB eine wirklich durchgängige nahtlose Datenkommunikation vom Shopfloor bis in die Cloud gewährleisten kann. Wichtig ist dabei: Unsere smarten Lösungen – also beispielsweise komplett automatisierte, AIV-gestützte Rüstwechsel – lassen sich auch in bestehenden Fertigungen nachrüsten. Das klingt selbstverständlich, ist es aber bei anderen Herstellern oft nicht. Wir wollen unseren Kunden einen organischen Übergang zur Integrated Smart Factory ermöglichen – Schritt für Schritt, Workflow für Workflow. Heute reden wir nicht mehr über theoretische Konzepte, sondern können Kunden smarte Lösungen für integrierte Workflows präsentieren und implementieren.
Das ist die Angebotsseite, aber wie steht es
mit der Nachfrage? Setzen Elektronikfertiger
diese Lösungen auch um?
Wir setzen schon seit Jahren smarte Projekte bei Kunden um. Richtig ist aber, dass dies bisher oft besonders innovative Unternehmen waren – beispielweise die Mitglieder unseres SMT Smart Networks, die Erfahrungen aus diesen Projekten gezielt teilen und so gemeinsam von Fortschritten profitieren. Der Kreis aber weitet sich in den letzten Monaten stark aus, die Projektanfragen werden schnell mehr und kommen jetzt nicht mehr nur von innovativen Early-Movers, sondern auch von ganz „gestandene“ Elektronikfertigern, die in smarten Lösungen Wettbewerbsvorteile für sich sehen.
Warum ist das so?
Weil die Vorteile der Integrated Smart Factory überdeutlich werden. Nehmen Sie unsere Lösungen für einen optimierten Materialfluss oder für Smart Operator. Statt einfach nur auf rote Warnleuchten zu reagieren, informieren wir Bediener frühzeitig über anstehende Eingriffe. Unsere Smart Feeder zeigen an, ob und wann sie abgerüstet werden müssen und neue Software-Produkte wie ASM FactoryChat vereinfachen die Kommunikation in der Fertigung. Auch Skeptiker unter den Produktionsverantwortlichen werden zugeben müssen, dass AIV-gestützte, komplett und flexibel automatisierte Rüstwechsel, wie wir sie zeigen können, massive Produktivitätsgewinne bedeuten. Mit unserem neuen ASM AutoRefill Feeder machen wir das Spleißen überflüssig und entkoppeln das Nachfüllen zeitlich vom Leerlaufen der Bauteilerollen. Das begeistert auch Bediener und Produktionsleiter, die sonst nicht jedem neuen Trend sofort hinterherlaufen. Mich persönlich faszinieren insbesondere die Möglichkeiten im Bereich Training und Digital Learning. Über Softwarelösungen wie ASM Equipment Center und in der ASM Academy können wir auf jedem mobilen Gerät alle Unterlagen zu den Maschinen bereitstellen – auch Videos. Unsere Software ruft je nach Störung genau die Experten zur Hilfe, die das Problem auch schnell und zuverlässig lösen können. In der ASM Academy können Techniker komplexe Wartungsaufgaben wie Kopfreparaturen detailgetreu in Virtual Reality üben – und das anders als in klassischen Trainingskonzepten immer dann nochmals üben, wenn sie diese Fähigkeiten brauchen. Das sind enorme Fortschritte, die deutlich sichtbar sind und sich für die Fertiger nachweislich rechnen. Und genau deshalb nimmt die Umstellung auf die Integrated Smart Factory Fahrt auf.