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Die Rollen in der digitalen Fertigung wandeln sich

Einblicke in die intelligente Fabrik
Aegis Software: Die Rollen in der digitalen Fertigung wandeln sich

Es ist eine Tatsache, dass die Kerntechnologien in der Elektronikfertigung sehr ausgereift und überwiegend stabil sind. Früher mussten Mitarbeiter über Fachwissen in Bezug auf Materialien und Prozesse verfügen, wohingegen heutzutage Erfahrungen in der Anwendung von automatisierten und computerisierten Lösungen verlangt werden. Die Erwartungen und die Qualifikationen, die an Manager, Ingenieure und Bediener in der Produktion gestellt werden, müssen daher neu definiert werden. Denn nur so werden Innovationen in der Fertigung angemessen gefördert und unterstützt.

Michael Ford, Senior Director Emerging Industry Strategy, Aegis Software GmbH

In Zeiten der Anfänge von SMT dachte ich fälschlicherweise, dass es nicht so schwierig wäre eine Komponente an der gewünschten Stelle einer Leiterplatte zu platzieren. Doch die Technologien und das Know-how haben sich rasch weiterentwickelt, die Maschinen wurden immer schneller und die Materialien gleichzeitig immer kleiner. Da auch die Abmessungen und Abstände auf den Leiterplatten immer kleiner wurden, kam es immer an den gleichen Stellen zu Problemen, wie beispielsweise bei der Reinigung und dem Zugang für Tests und Inspektionen.

Know-how für SMT-Fertigung von morgen

Nach 30 Jahren SMT-Produktion, immer ausgereifteren Technologien und der Arbeit von Menschen, die sich in ihren jeweiligen Spezialgebieten wesentlich besser auskennen als ich, behaupte ich immer noch, dass die Bestückung von Leiterplatten einfach ist. Denn das Know-how befindet sich jetzt nicht mehr nur in den einzelnen Fabriken, sondern gehört in den Kompetenzbereich der Maschinenhersteller und Materiallieferanten. Heute vertrauen wir den Maschinen und Materialien, die wir erwerben, denn es handelt sich dabei um fortschrittliche, ausgereifte Güter, welche ihre vorgesehene Arbeit effizient und zuverlässig erledigen. Eine SMT-Konfiguration, die die Anforderungen an jede Linienkonfiguration erfüllt, ist heutzutage so einfach wie die Bestellung von Standardprodukten. Die besten Tools für einen Auftrag werden dabei von einem der vielen Anbieter ausgewählt.

Hinzu kommt noch, dass die Experten der einzelnen Kerntechnologien die Fertigung verlassen, weil sie jetzt entweder für die Maschinenhersteller arbeiten oder in den Ruhestand gehen. Die entscheidende Frage lautet, ob dadurch eine Lücke entsteht. Bis vor Kurzem hätte ich diese Frage mit ja beantwortet, aber heute denke ich, dass der Weggang dieser Mitarbeiter kein ernstzunehmendes Problem darstellt. Wenn wir uns nicht von der analogen Fabrik von gestern weiterentwickeln, werden in Bezug auf Effizienz, Produktivität, Flexibilität und Qualität Spitzenergebnisse erzielt. Denn alle weiteren Herausforderungen werden heute überwiegend von den Anbietern bewältigt, was bedeutet, dass die Fertigung so weiterlaufen kann wie bisher.

Selbstverständlich ist das keine Option. Fabrikspezifische Verbesserungen gehören nun zu den Differenzierungsmerkmalen. Die Auswirkungen von Variationen sind in vielen Bereichen immer noch eine Herausforderung. Allerdings ist die erforderliche Detailtiefe zum Erkennen von Anomalien und der Rückverfolgung deren Ursachen für Menschen allein praktisch nicht zu bewältigen. In Bereichen mit niedrigen Lohnkosten werden Menschen mit vergleichsweise geringem Fachwissen mit diesen Herausforderungen konfrontiert, wie z. B. in Bereichen der Material- und Produktlogistik sowie der Planungsoptimierung und Qualitätskontrolle.

Ein immer größer werdender Produktmix bringt auch die Werksebene in Bedrängnis, da die Probleme nun an mehreren Stellen auftreten. Welche Schlussfolgerung kann man daraus für die Mitarbeiter ziehen? Die erfahrenen Mitarbeiter von einst können nicht einfach durch unqualifizierte Arbeiter ersetzt werden. Da sich die Branche von der Massenproduktion zum anderen Extrem der Massenpersonalisierung hin entwickelt hat, müssen sich die Technologien, die mit diesen Funktionen auf Werksebene verbunden sind, dementsprechend anpassen.

Die Zukunft ist digital

Automatisierte Maschinen sorgen dafür, dass manuelle Arbeiten in Bezug auf die wichtigsten Fertigungstechnologien und Montagearbeiten nicht mehr so häufig ausgeführt werden müssen. Die Automatisierung von Software ersetzt die langweiligen und immer gleichen Berechnungen, die Menschen mit Excel für die Planung, Materialverwaltung und Qualitätskontrolle zusätzlich zu traditionellen ERP- oder auch MES-Systemen durchführen. Die Zukunft von verbesserten Betriebsvorgängen ist digital, wofür Menschen mit dem Verständnis benötigt werden, wie man Software sowie Systeme zur Verbesserung der Fertigung einsetzt und wie man zwischen ihnen unterscheidet.

Die Nutzung von Echtzeit-Daten in der Fertigung war bis dahin nur eingeschränkt. Das lag daran, dass Daten, die eine konsistente Bedeutung hatten und die man zuverlässig für Untersuchungsprozesse und zur Entscheidungsfindung nutzen konnte, nicht zeitnah zur Verfügung standen. Einer der wichtigsten Beweggründe für die Digitalisierung war in den meisten Unternehmen die Erfassung von Traceability-Daten, was allerdings auch oftmals planlos erfolgte. Allerdings erlebt die Welt der digitalen Fertigung gerade die Revolution, die von Industrie 4.0 und intelligenten Industriestandards schon lange versprochen worden war. Den größten Beitrag zu dieser Revolution leistet der IPC mit dem Connected Factory Exchange (CFX), dem IPC Digital Twin, exakter Traceability von IPC-1782 sowie dem Digital Product Model Exchange (DPMX), auch bekannt als IPC-2581. Diese gewährleisten in Verbindung mit den richtigen Tools eine vollständige und zuverlässige Interoperabilität von Daten.

Allerdings ist das Vorhandensein von Standards allein erst der Anfang. Denn nur wenige Anwendungen im Bereich MES waren für diesen technologischen Wandel bereit. Jedoch geben die freiwilligen Unternehmen hinter den offenen Industriestandards eindeutig das Tempo vor und ermöglichen eine noch nie dagewesene Bandbreite an Transparenz, Kontrolle, Optimierung und Qualität in der Fabrik sowie weitere Möglichkeiten der Automatisierung. In der Fertigung werden nun Menschen gebraucht, die verstehen wie Daten in der Fertigung verwendet werden und welchen Unterschied und welche Auswirkungen die Auswahl der richtigen Technologien haben. Außerdem wissen sie, wie man Veränderungen herbeiführt und die Fertigung auf der dargestellten Datengrundlage steuert.

Erfolgsbasierte Zusammenarbeit

Es ist begrüßenswert, dass generell die Fähigkeiten sowie auch die Erfahrungen im Bereich Informatik zunehmen, aber in der Fertigung gibt es leider immer noch zu wenige Menschen mit derartigen Fachkenntnissen. Das muss sich ändern, denn dadurch werden sich die Fabriken innerhalb der Branche von ihren Mitbewerbern abheben. Damit man die Vorteile der jetzt verfügbaren Technologien voll nutzen kann, müssen Rollenverteilungen und auch die Personalsuche vollkommen neu überdacht werden. Jetzt müssen Karrieren in Zusammenhang mit dem neuen digitalen Zeitalter angeboten werden, um den Verlust vergangener Abhängigkeiten abzuschütteln.

Allerdings gibt es noch ein letztes Problem was in veralteten Praktiken in der Fertigung besteht. Da die Fertigung nur langsam einen einfachen Zugang zu aussagekräftigen Daten erhalten hat, ist das Management innerhalb der Fertigung und der Lieferkette vorsichtig. Teilweise hält sich noch die ungerechtfertigte Ansicht, dass Anbieter richtungsweisender digitaler Technologien ein Risiko darstellen und diese sogenannten Experten lediglich versuchen würden ihre schlechten Geschäfte anzukurbeln. Einige Unternehmen haben das Fachwissen darüber, welche Technologien und Lösungen es auf dem Markt gibt und welche für das jeweilige Unternehmen in Abhängigkeit von den Produktionsbedürfnissen am besten geeignet oder ungeeignet sind. Dem Großteil der Unternehmen kann allerdings leicht der Fehler unterlaufen, sich für einen bekannten Anbieter zu entscheiden und dann eine Lösung zu erwerben, die von der übrigen Branche sowie von den Maschinen, auf die man angewiesen ist, isoliert ist.

Zwischen dem Senior Management und den neuen Fertigungsingenieuren und Bedienern muss erst Vertrauen aufgebaut werden. Am besten tritt man neuen Herausforderungen aufgeschlossen gegenüber. Denn die neuen Fähigkeiten in den neuen Rollen setzen Schulungen und Erfahrung in der Fertigung voraus. Dabei sind die vorhandenen Fähigkeiten genauso wichtig wie die neu erworbenen. Unternehmen, die eine ausgewogene Mischung aus Fähigkeiten, Fertigung und digitalen Technologien aufweisen, die von Kommunikation, Vertrauen und gegenseitigem Respekt geprägt sind, werden Erfolg haben.

www.aiscorp.com

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